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Auf dieser Seite finden Sie die Kommentare von 2006.



Aktuelle Kurzkommentare aus 2006*
Die Weisheit wurde Materie? Drühe Christen, lernt alte Sprachen! (Vogels) Multikulti: Christliche Kindergärten feiern nicht mehr Weihnachten (Drühe)
Der Tag ist nahe herbeigekommen (Vogels) Totensonntag statt Ewigkeitssonntag (Vogels) Simplify the church (Drühe)
Päpstlicher Zugang zu Martin Luther (Drühe) "Angebote" ein Wort verursacht Schaden (Vogels) Lutherinterview in Regensburg (Drühe)
Ein einziger Fels (Vogels) Papst in Bayern (Drühe) EKD-Verschiebungen (Drühe)
Leitender Angestellter oder ordinierter Amtsträger? (Vogels) Unternehmen Kirche (Drühe) Aufbruch wohin? (Vogels)
Der Heilige Geist und die 348 Kirchen (Drühe) Der Film "Sakrileg" (Berke) Vorrang für die Gemeinde (Vogels)
Ballaluja laßt uns singen (Drühe) Predigen im Medienzeitalter (Drühe) Religion ist das Ende des Evangeliums (Drühe)
Die Wahrheit des Kreuzes (Vogels) Religion des Friedens (Vogels) Nackte auf Altären (Drühe)
Was wäre, wenn? (Drühe) Gutes neues Jahr! (Vogels) Gott global (Drühe)

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Weihnachten: Die Weisheit wurde Materie?
Wilhelm Drühe

Sollte in den Weihnachts-Gottesdiensten eine Pfarrerin oder ein Pfarrer die „Bibel in gerechter Sprache“, und nicht eine der sonst üblichen Bibelausgaben, bevorzugen, dann könnten den Predigthörern aus dem Prolog des Johannes-Evangeliums über Weihnachten erklärt werden: „Die Weisheit wurde Materie“. So gibt diese neue Bibelausgabe mit Johannes 1, 14 wieder, was Martin Luther so übersetzt hat: „Das Wort ward Fleisch.“ Luther ging es – wie auch den anderen Bibelausgaben - um die Menschwerdung. Dass „Fleisch“ einen besonderen Hintergrund in der damaligen Zeit hat, ist bekannt. Deshalb übersetzten die Gute Nachricht Bibelausgabe „Er, das Wort, wurde ein Mensch, ein wirklicher Mensch von Fleisch und Blut“ und die freche Volxbibel „Das Wort wurde zu einem Menschen.“

Zurück zum Anfang des Johannes-Evangeliums: „Am Anfang war die Weisheit und die Weisheit war bei Gott und die Weisheit war wie Gott.“ So die feministische Bibelausgabe. Martin Luther: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“ So steht aus auch im griechischen Text. Interessant ist nun aber, das die Bearbeiterin (Dr. Silke Petersen, Privatdozentin für Neues Testament, Hamburg – im Buch für das Johannesevangelium als Übersetzerin angegeben) die Weisheit nicht wie im griechischen Text mit Gott gleichsetzt, sondern mit Gott vergleicht („wie Gott“). Eine der typischen Arbeitsweisen, die sich in diesem Buche finden – es geht eben um die Durchsetzung einer Ideologie, die sich in den Übersetzungen auswirkt - an vielen Stellen!

Die Umdeutung des Bibeltextes wird im Vorwort zum Johannesevangelium erklärt. Dieses Evangelium stelle Frauen und Männer weitgehend gleichberechtigt dar, denn einzelne Frauen wie Männer diskutieren mit Jesus, bekennen sich zu ihm und verkündigen seine Botschaft. „Die Beziehung von Gott und Jesus wird jedoch vor allem durch die männlichen Bilder vom ‚Vater’ und ‚Sohn’ ausgedrückt.“ Darüber ärgern sich die Bibel-Überarbeiterinnen und –Überarbeiter und wollen dies beseitigen, denn: „Doch der johanneische Jesus trägt auch viele Züge der weiblichen göttlichen Gestalt der Weisheit (Spr 8; Sir 24). Am Anfang des Johannesevangeliums (Joh 1, 1-18) wird ein Lied auf die Weisheit auf ihn übertragen.“ Zwei Anliegen werden so erledigt: Vater und Sohn müssen verschwinden, dann auch der männliche Herr-Gott – ersetzt durch die weiblich göttliche Gestalt der Weisheit.

Was soll dann aber die „Materie“, die unter uns wohnte und wir ihren Glanz sahen - wie den eines einziggeborenen (?) Kindes von Mutter und Vater? Eine Randbemerkung verweist auf das Glossar mit „sarx“ (Fleisch). Dort habe ich auch keine Antwort auf meine Frage nach der „Materie“ gefunden. Das Glossar ist übrigens sehr ausführlich erarbeitet worden – ausgehend von den hebräischen und griechischen Wörtern. Ich habe Probleme, diesen Umgang mit den Bibeltexten zu verstehen. Bei Johannes 1, 14 „Die Weisheit wurde Materie“ stellt sich mir die Frage, wie man von dieser Interpretation zu dem kirchlichen Weihnachtfest kommen kann – und welches die Weihnachts-Botschaft dann ist. Ich würde gerne hören, wie eine der engagierten Anhängerinnen/engagierten Anhänger diesen Text der „Bibel in gerechter Sprache“ predigt.

Pfr. i.R. Wilhelm Drühe, Mettmann, Weihnachten 2006

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Christen, lernt alte Sprachen!

Alle in unserer Kirche sind sich einig, daß es von eminenter Bedeutung für die Zukunft ist, daß es mündige und sachkundige Nichttheologen gibt, die die "Kirche der Freiheit" gestalten können.

Was allerdings heute in Vergessenheit zu geraten droht, ist, wie wichtig die Kenntnis der alten Sprachen nicht nur für die beruflichen Schriftgelehrten, sondern auch für die Nichttheologen ist. Solange die Lutherbibel, die eine ehrliche und korrekte Übersetzung ist, unangefochten die kirchliche Normalbibel war, war das nicht so schlimm. Inzwischen gibt es jedoch eine neue Lage: In diesem Herbst ist mit viel öffentlichem Tamtam eine Bibel-"Übersetzung" auf den Markt geworfen worden, deren leitende "Übersetzungs"-Prinzipien Lüge, Betrug und Fälschung sind. Dieses abscheuliche Machwerk ist von vielen kirchlichen Stellen, insbesondere auch von studierten Schriftgelehrten, die es besser wissen, unterstützt und mit Kirchensteuermitteln gefördert worden.

Jetzt wird es wieder wichtig, daß auch Nichttheologen in den Urtext schauen können. Wie sonst sollen die Nichttheologen ihre Kontrollfunktion (siehe CA XXVIII) gegenüber den beamteten Schriftgelehrten wahrnehmen können? Es muß doch auch in Zukunft möglich sein, daß Nichttheologen in der Gemeindeversammlung aufstehen und einem Schriftgelehrten, der aus einer verfälschenden und betrügerischen Bibel-"Übersetzung" zitiert, entgegentreten und sagen: "Aber so steht es geschrieben!"

Schon Luther hat das gefordert. In der Schrift "An die Ratsherrn aller Städte deutschen Landes, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen" von 1524 lesen wir: "Und laßt uns das gesagt sein, daß wir das Evangelium nicht wohl werden erhalten ohne die Sprachen. Die Sprachen sind die Scheiden, darinnen das Messer des Geistes steckt. Sie sind der Schrein, darinnen man dies Kleinod trägt."

Also: Lernt alte Sprachen! Schickt eure Kinder auf Schulen mit altsprachlichem Unterricht! Die nach wie vor wichtigsten Texte der Menschheitsgeschichte sind in Hebräisch, Griechisch und Lateinisch geschrieben! Den professionellen Fälschern muß das Handwerk gelegt werden.

Pfr. i.ATD R. Vogels, Swisttal, 15.12. 06

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Multikulti: Christliche Kindergärten feiern nicht mehr Weihnachten!
Wilhelm Drühe


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Der Tag ist nahe herbeigekommen (Rm. 13, 12)
Reiner Vogels

In der bevorstehenden Adventszeit erinnern wir uns daran, daß die Nacht dieser Welt zu Ende geht. Am Horizont erscheint schon die Morgenröte des kommenden Tages. Die Morgenröte des Advent ist nichts anderes als Jesus Christus, das Licht der Welt. Einmal, vor 2000 Jahren, ist er gekommen in Niedrigkeit. Am Ende der Zeit wird er kommen in Herrlichkeit. Advent ist eine Freudenzeit. Voller Freude und voller Zuversicht gehen wir auf die Wiederkunft Christi zu. Wir wissen: Nicht die Finsternis, nicht Gewalt, Lüge und Tod werden das letzte Wort haben, sondern am Ende wird er sein ewiges Reich errichten. Die Finsternis wird endgültig vertrieben sein.

In unserem Adventslied "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit ..." wird aus dieser Zuversicht die Schlußfolgerung gezogen, daß wir uns selbst und auch unsere Welt bereitmachen sollen für das Kommen des Herrn. Deshalb ist die Adventszeit in der Kirche immer als Bußzeit verstanden worden. Unser Denken und Fühlen, ja unser gesamtes Leben sollen wir bereiten für die Ankunft Christi.

Ganz gewiß gilt das auch für unsere Kirche als ganze. Auch unsere Kirche hat die Aufgabe, sich bereit zu machen für das Kommen des Herrn. Das heißt: Sie soll alles, was seinem Kommen entgegensteht, überwinden und sich ganz auf ihn und sein Wort konzentrieren. In diesem Jahr nun kann man den Eindruck haben, daß es auf der Ebene der EKD einen vielleicht kleinen und bescheidenen, aber doch immerhin deutlichen Schritt hin zum Advent in der Kirche gibt.

In der Woche vor dem 1. Advent hat die EKD eine Denkschrift zum Verhältnis zwischen Christentum und Islam herausgegeben. (Texte 86 "Klarheit und gute Nachbarschaft - Christen und Muslime in Deutschland"). In dieser Schrift finden sich Sätze, wie man sie so deutlich und klar bisher in offiziellen kirchlichen Texten schmerzlich vermisst hat. So steht z.B. auf S. 15: "Christliche Mission bedeutet jedoch mehr als respektvolle Begegnung. Sie umfasst das Zeugnis vom dreieinigen Gott, der den Menschen durch Jesus Christus zu wahrer Menschlichkeit befreit. Es ist für die evangelische Kirche ausgeschlossen, dieses Zeugnis zu verschweigen oder es Angehörigen anderer Religionen schuldig zu bleiben." Und ganz am Ende der Schrift, auf S. 115, können wir lesen: "Ein gemeinsames Gebet in dem Sinne, dass Christen und Muslime ein Gebet gleichen Wortlauts zusammen sprechen, ist nach christlichem Verständnis nicht möglich, da sich das christliche Gebet an den Einen Gott richtet, der sich in Jesus Christus offenbart hat und durch den Heiligen Geist wirkt."

Offensichtlich hat die oberste Leitungsebene der EKD angefangen zu begreifen, daß der Islam in Deutschland nicht nur eine politische und soziale, sondern vor allem eine geistliche Herausforderung ist. Offensichtlich fängt man endlich an, diese geistliche Herausforderung anzunehmen. Es werden nicht mehr, wie das in der Vergangenheit weithin üblich war, die Unterschiede verwischt. Es wird nicht mehr der illusionäre und dem Evangelium widersprechende Traum einer "abrahamitischen Ökumene der drei monotheistischen Religionen" geträumt, sondern man besinnt sich auf das Zentrum des Evangeliums, auf Jesus Christus, den Sohn Gottes und Heiland der Welt, und auf den dreieinigen Gott, auf den Gott nämlich, der von sich aus und schon bei sich selbst die Liebe ist.

Wenn man die Denkschrift zum Islam mit dem vor einem knappen halben Jahr herausgegebenen Impulspapier "Kirche der Freiheit", mit seiner theologischen Beliebigkeit und seinem christologischen Totalausfall vergleicht, kann man den Fortschritt hin zu Christus, den das Islampapier markiert, nicht übersehen. Am östlichen Horizont unserer Kirche leuchten in der Tat erste Spuren des kommenden Tages, leuchtet ein erstes Morgenrot auf. Advent beginnt jetzt in unserer Kirche. Die Nacht der theologischen Verfinsterung, die Nacht der Selbstsäkularisierung und der Verwandlung des Evangeliums in eine rein humanitäre Sozialphilosophie, geht zu Ende.

Ganz gewiß wird diese Entwicklung weitergehen. Zwar ist die Finsternis noch nicht verschwunden. Sie ist immerhin noch stark genug, eine sogenannte "Bibel in gerechter Sprache" herauszugeben, die ja ein Produkt aus einer Fälscherwerkstatt ist, aber die Macht dieser Finsternis hat für erste ihren Höhepunkt überschritten. Sie wird dem Tag, dem hellen Licht Jesu Christi, weichen müssen. Auch wenn es Rückschläge geben wird, auch wenn sicher ist, daß die Finsternis nicht kampflos weichen wird, der Advent kommt. Kein Mensch, keine Synode, kein Inhaber kirchenleitender Ämter kann ihn stoppen. "Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen" (Rm. 13, 12), über der gesamten Welt, aber auch in unserer evangelischen Kirche.

Reiner Vogels, Pfr. i. ATD, 1.Advent 2006, Swisttal

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Totensonntag statt Ewigkeitssonntag


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Simplify the church

Ein Kommentar zur EKD-Synode in Würzburg

Von Wilhelm Drühe

Vor einigen Jahren fing der bayerische Pfarrer Werner „Tiki“ Küstenmacher mit seinem Programm „Simplify your life“ an und eroberte den Markt – im Buch- und Medienbereich. Als ich in den letzten Tagen die Berichte von der EKD-Synode, die vom 5. bis 9. November in Würzburg tagt, las, dachte ich: Müsste man nicht auch darangehen, ein Kirchenprogramm mit der Forderung „Simplify the church“ anzufangen? Was macht das EKD-Leitungsgremium eigentlich in diesen Tagen, was wird verhandelt, was veröffentlicht und was gefordert? Das Internet-Programm bringt eine ausführliche Übersicht – ich finde: gut gemacht! Da sind einmal die kräftigen Parolen: „Unter Gottes Geleit Aufbruch in die Zukunft!“ oder „Mit Würde begabt – zur Freiheit berufen!“ So der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber, dessen besondere Befähigung zu solchen Formulierungen fast einmalig in den EKD-Gremien ist. Gerade zum Reformationsfest hatte er in einem Gottesdienst gesagt: „Es ist unsere Mission, den Glanz des Evangeliums zu rühmen.“ Tut das auch die EKD auf einer ihrer Synoden?

Wie geht es der evangelischen Kirche in Deutschland?

Aussagen über die evangelischen Landeskirchen und die evangelischen Kirchengemeinden in Deutschland vermitteln im Allgemeinen ein ganz anderes Bild in der Öffentlichkeit – auch ablesbar in dem alternativen Pressedienst der Evangelischen Allianz – idea – im Unterschied zum EKD-Pressedienst epd. Auch beim neuen EKD-Impulspapier „Kirche der Freiheit“ für eine gründliche Kirchenreform schimmert es durch, wie es um die evangelische Kirche in Deutschland steht: Auf der einen Seite der ständige Mitgliederschwund, verbunden mit einer Überalterung, auf der anderen Seite der Rückgang der Kirchenfinanzen.

Die jetzige EKD-Synode äußert sich zur Menschenwürde, wendet sich gegen die Abtreibung lebensfähiger Kinder bei einer Behinderung oder Erkrankung, äußert sich zur aktiven Sterbehilfe und zum Missbrauch der Gebeine Verstorbener durch deutsche Soldaten in Afghanistan. Dann geht es gegen die Ausweitung der Ladenöfnungszeiten auf den Sonntag, für das Bleiberecht der bloß geduldeten Ausländer. „Armut ist ein Skandal“, so der EKD-Ratsvorsitzende zum Schwerpunktthema der gegenwärtigen EKD-Synode „Gerechtigkeit erhöht ein Volk – Armut und Reichtum“. Ein Katalog der Forderungen der EKD-Leitung an die politischen Gremien unseres Staates, wie sie eigentlich üblich sind und kaum etwas Neues bringen. Ein Kongress einer politischen Partei könnte ähnliche Forderungen erheben. Dabei sind die eigentlichen Probleme, dem sich die beiden Großkirchen in Deutschland stellen sollten, die Verdunstung des Glaubens und die Erosion der Kirchlichkeit. Kommt das in Würzburg auch vor? Wie wird es behandelt?

Bundespräsident Köhler zu den EKD-Synodalen

Sehr fein hatte Bundespräsident Horst Köhler bei seinem Besuch die EKD-Synode auf den kirchlichen (!) Auftrag einer EKD-Synode hingewiesen. Zwar sollten die christlichen Kirchen ihre Verantwortung für die Gesellschaft kritisch und öffentlich wahrnehmen, sie müssten aber dabei stets deutlich machen, wodurch sich ihre Perspektive von der politischen unterscheide. Köhler, der bekannte, dass seine geistige und geistliche Heimat die evangelische Kirche ist, wünschte sich von dieser Kirche, sie solle klar zwischen den letzten und den vorletzten Fragen unterscheiden. Die Politik widme sich den vorletzten Fragen, die Stimme der Kirche sollte zu den letzten Fragen – etwa nach dem Sinn des Lebens – nicht leiser sein als in ihren Äußerungen zur Politik.

Ich habe den Eindruck, dass das eines der großen Probleme unserer evangelischen Kirche ist: Ihre Leitungsgremien machen mobil, wenn es um Forderungen und Vorwürfe an die politischen Instanzen geht, sind aber plötzlich sehr zurückhaltend und geradezu schwach, wenn es um das innerkirchliche Geschehen geht. Ist die Blickrichtung der religiösen Klasse, die sich in diesen Gremien organisiert hat, mehr die politische Ebene als die eigene Kirche, für die sie doch verantwortlich sein wollen? Vielleicht ist ausgerechnet der gegenwärtige EKD-Ratsvorsitzende ein typisches Beispiel: Er wurde Berliner Bischof, als er ein SPD-Bundestagsmandat ausschlug – jetzt mutmaßt man in Berlin, dass er der nächste Bundespräsident sein könnte … Also die Kirchenposition nur ein Stufe auf der Leiter der politischen Klasse mit den kirchlichen Gremien als Übungsfeld, unterstützt durch das Medieninteresse? Die alte Vermischung von Religion und Politik, wie sie jahrhundertelang mit „Thron und Altar“ den deutschen Protestantismus bestimmt hat, wird auch wieder in der Würzburger Synode sichtbar. Katrin Göring-Eckardt von den „Grünen“, zurzeit Bundestagsvizepräsidentin, spielt eine führende Rolle auf der Synode und hielt das Einführungsreferat zur Behandlung des Hauptthemas „Armut und Reichtum“. Wenn sie zum Beispiel ein gerechteres Steuersystem in Deutschland fordert, wird dann deutlich, was die evangelische Kirche durch dieses Leitungsteam fordert und was die Forderung einer politischen Partei ist? Mir geht es nicht um ihre persönliche Parteizugehörigkeit! Meine Forderung bezieht sich auf alle Parteien der Bundesrepublik. Wer aktiv in der Politik tätig ist, gehört nicht in kirchliche Leitungsgremien von den Presbyterien über Kreissynoden und Landessynoden bis hin zur EKD-Synode! Nach dem Ausscheiden aus der Politik als Funktionsträger kann sie/er sich wieder in seiner Kirche aktiv betätigen.

Beim Synodenthema nicht zu viel aus der Bibel!

Kurz noch eine Anmerkung zum diesjährigen Synodenthema. Aus den Sprüchen Salomos, den Sprichwörtern, ist entnommen worden: „Gerechtigkeit erhöht ein Volk“ (14, 34) – dann folgt für die Synode: „Armut und Reichtum“. Typisch ist für mich, dass man die zweite Vershälfte des Bibeltextes ausgelassen hat: „aber die Sünde ist der Leute Verderben.“ Arm und reich auch auf dem Hintergrund der Sünde? Damit kann ein evangelisches Leitungsgremium in Deutschland vielleicht kaum noch etwas anfangen. Es geht eben um Politik – oder? Und da macht sich ein biblischer Vorspann gut. Der EKD-Synode müsste es doch vor allem um die Christinnen und Christen in den Kirchengemeinden gehen. Bischof Wolfgang Huber sprach in seiner Grundsatz-Rede vor der Synode einen Punkt an, der in diesem Zusammenhang wichtig und aussagekräftig sein könnte. Er bekräftigte die Bereitschaft der evangelischen Kirche, an einer Erneuerung des Wertebewusstseins der Gesellschaft mitzuarbeiten – dann wieder eine seiner beliebten steilen Formulierungen. Bischof Huber warnte vor dem Missverständnis, die Kirchen als eine „Bundesagentur für Werte“ zu betrachten. Was geschieht denn in den Kirchengemeinden, an der Basis dessen, was sich da in Würzburg wieder zelebriert? Könnte man in diesem Leitungsgremium nicht einmal ganz konkret auf das zugehen, was es heißt, in einer evangelischen Kirchengemeinde das christliche Wertebewusstsein zu erneuern? Weshalb ist das auch überhaupt notwendig? Vielleicht auch deshalb, weil die evangelische Kirche in weiten Teilen zu einer reinen Amtshandlungs-Agentur verkommen ist – bei der die Inhalte des Evangeliums und des christlichen Glaubens evangelischer Prägung nur eine geringe Rolle spielen? Mit der Bibel als Spruchlieferant?

Haben Arme eine Heimat in der Kirche?

Auch zum Synodalthema: „Armut und Reichtum“ könnten und müssten doch auch die Kirchengemeinden angesprochen werden. Im Synodenpapier heißt es, dass die Kirche eine Gemeinschaft werden will, „in der Arme Heimat haben und an den Entscheidungen in ihren Gemeinden beteiligt sind.“ Jede Gemeinde solle ein Projekt starten, das hilft, Armut zu überwinden. Bundespräsident Köhler hatte sicher recht, als er die Kirche aufforderte, nicht nur in politischen Forderungen ( - das vorletzte!) stark zu sein. Matthias Drobinski, Beobachter der EKD-Synode für die Süddeutsche Zeitung schreibt heute – 9. November 2006 – über diesen Punkt: „Arme sollen eine Heimat in der Kirche haben – Protestanten diskutieren über Reichtum und über Zukunft – aber nur ein bisschen.“ Wenn steile Formulierungen und Forderungen vorbei sind, dann schwächeln unsere Synoden!

Nochmals die Forderung des Bundespräsidenten, die Stimme der Kirche sollte zu den letzten Fragen nicht leiser sein als in ihren Äußerungen zur Politik. Wie steht es denn wirklich mit den „letzten Fragen“, mit dem christlichen Glauben – nicht in einer aufgeweichten Form der Bürger-Religion (civil religion) oder als Vermittlungsagentur sozialer Forderungen, die sich auf einem „kirchlichen“ Hintergrund immer gut darstellen lassen?

Die Reichen sprechen über die Armen

Und wenn man schon „Armut und Reichtum“ zum Thema machen will: Wie steht es mit den sehr reichen Protz-Gemeinden in den Großstädten und den sehr ärmlichen Kirchengemeinden auf dem „platten“ Land, in denen eine Pfarrerin oder ein Pfarrer nicht einmal mehr das volle Gehalt bekommen kann? Welchen Ausgleich gibt es da in der evangelischen Kirche in Deutschland? Wie steht es überhaupt mit den persönlichen Einkommensverhältnissen derer, die wortgewaltig über die Armut in unserer Gesellschaft sprechen? – vielleicht aber doch lieber dazu schweigen sollten. Sprechen da nicht Reiche und sehr Reiche über die arme Unterschicht? Aber es wird sich kaum etwas ändern, weil man eine Änderung der bestehenden kirchlichen Organisation nicht will und für überflüssig hält.

Ich betrachte Jesus von Nazareth als einen, der das damalige Judentum wieder vereinfacht auf seine Ursprünge zurückführen wollte (Motto: simplify our religion). In seiner Tradition sehe ich auch Martin Luther mit dem, was wir heute „Reformation“ nennen. Schon gegenüber der damaligen Papstkirche mit dem riesigen Religionsapparat und dem mittelalterlichen Theologie-Überbau als Legitimation kirchlicher Verhältnisse ging es im 16. Jahrhundert um ein „simplify the church“. Gegenüber der damaligen Papstkirche klingt das, was im Augsburger Bekenntnis über die Kirche gesagt wird, wie ein gewaltiger Protest – in der Richtung „simplify the church“. Confessio Augustana aus dem Jahre 1530 im Artikel 7 „Von der Kirche“: „Es wird auch gelehrt, dass allezeit eine heilige, christliche Kirche sein und bleiben muss, die die Versammlung aller Gläubigen ist, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gerecht werden.“ Auf diese Konzentration kam es den Reformatoren an. Dass Gemeinde auch mehr bedeutete und beinhaltete, widerspricht dem nicht. Aber was ist heute aus dieser Kirche geworden?

Oberhaus und Unterschicht in der Kirche

Das damalige Vorhaben kann man heute sicher auch bei denen, die sich „Lutheraner“ nennen, als misslungen bezeichnen. Die evangelische Kirche ist geteilt in ein kirchliches Oberhaus – tagt zurzeit in Würzburg – und einer Unterschicht, wie es SISAM-BEN in einer Karikatur dargestellt hat (Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Künstlers. Z.Zt. Luthers gab es schon eine ähnliche Darstellung über die katholische Kirche!):

Die evangelische Kirche in Deutschland müsste sich dringend daran erinnern lassen, dass die Reformatoren des 16. Jahrhunderts, allen voran Martin Luther, die Kirche auf die Gemeinde-Ebene zurückführen wollten. Heute treibt die evangelische Kirche in Deutschland immer mehr auf eine Großkirche, auf einen „protestantischen“ Abklatsch der katholischen Kirche, zu – das Werk der religiösen Klasse, die letztlich das Werk der Fürsten des 16. Jahrhunderts weiter betreibt. Die Gemeinde-Reformation wurde durch eine Fürsten-Reformation abgewürgt. In der Diskussion über das Reformationsvorhaben der EKD, angestoßen durch das Impulspapier „Kirche der Freiheit, wurde auch immer wieder geäußert, dass die örtliche Gemeinde zu schlecht wegkommt. Durch die Kirchensteuer, die örtlich erhoben wird, finanziert sich doch auch der Kirchen-Oberbau, auch die EKD-Synode in Würzburg.



Die Synodalen sollten sich daran erinnern lassen!


Pfr. i.R. Wilhelm Drühe, Mettmann, 11.11. 06

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Päpstlicher Zugang zu Martin Luther
Zum Reformationsfest 2006
Wilhelm Drühe


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Angebote - ein Wort ruiniert kirchliches Denken und kirchliche Praxis
Reiner Vogels

Das "Impulspapier" der EKD vom Sommer 2006 versteht sich als ein Papier, das eine Zukunftsvision und eine Zukunftsstrategie für unsere Kirche entwirft. Ein zentraler Begriff in diesem "Impulspapier" ist das Wort "Angebote". Laut Impulspapier besteht die Aufgabe der Kirche darin, "Angebote" machen.

Hier sollen nicht im einzelnen die verschiedenen Vorschläge des "Impulspapiers" zu kirchlichen "Angeboten" untersucht werden, sondern nur das Wort "Angebote" selbst. Daß ein solches Wort gewählt wird, ist unabhängig davon, welches "Angebot" denn gemeint ist, an und für sich schon der Analyse wert. Denn Wörter sind nicht unwichtig, sondern sie üben große Macht aus. Wörter formen Denken und Handeln, und falsche Wörter formen dann eben falsches Denken und falsches Handeln.

"Angebot" ist als Beschreibung für das, was Kirche zu tun hat, ein klassisches Beispiel für ein falsches Wort mit verhängnisvollen Konsequenzen. Wer mir ein Angebot macht (z.B. 10 Brötchen für 1,50 €), macht mich zu Herrn des Geschehens und zum Richter über das Angebot. Ich selbst kann entscheiden, ob ich es annehme oder nicht. Mir droht keine Gefahr, wenn ich es ausschlage, und wenn ich gar keine Brötchen mag, entgeht mir auch nichts.

Wer den kirchlichen Auftrag insgesamt oder zu wesentlichen Teilen als "Angebote" versteht, macht das Evangelium zu etwas Beliebigen. Er unterwirft es dem Geschmack und den subjektiven Vorlieben des "Kunden", der bekanntlich König ist. Er macht den Menschen am Ende zum Herrn und Richter über das Wort Gottes. Er ruiniert also das theologische Denken.

Daß er auch das Handeln runiert, läßt sich daran beobachten, daß Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter schon seit langem mit hängender Zunge versuchen, durch immer neue Veranstaltungs"angebote", durch Organisation immer neuer Happenings und Events und dergleichen, die Aufmerksamkeit der Menschen zu erregen. Was hat es gebracht außer der geschmäcklerischen Konsumentenhaltung vieler unserer Zeitgenossen? Was hat es gebracht außer der Tatsache, daß die Menschen in ihrem natürlichen menschlichen Hochmut bestärkt worden sind, in dem Hochmut nämlich, daß sie Richter seien über das Wort Gottes und es keineswegs nötig hätten, sich unter das Wort zu stellen? Nicht einmal voller sind Kirchen und Gemeindehäuser dadurch nicht geworden.

Jesus hat keine "Angebote" gemacht. Er hat gesagt: "Folge mir nach!" und: "Nötige sie, hereinzukommen!" (Lk. 14, 23). Wir sollen die Menschen daher zum Gottesdienst rufen, sie mahnen zum Gehorsam gegen die Gebote, sie auffordern, dem Nächsten zu dienen ... Lediglich "Angebote" zu unterbreiten, reicht nicht aus.

Reiner Vogels, Pfr. i. ATD, 30.10.06

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Luther-Interview: Papst-Vorlesung in Regensburg - ein Trauerspiel
Wilhelm Drühe


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Ein einziger Fels

Entschuldigt hat sich der Papst für seine Regensburger Rede, in der der Papst die Äußerung eines oströmischen Kaisers aus dem 14. Jahrhundert über das Verhältnis Mohammeds zur Gewalt zitiert hatte. Wenig Standfestigkeit hat er gezeigt, als er vor der organisierten Empörung des radikalen Islam zurückgewichen ist. In Zukunft wird man den Äußerungen und öffentlichen Erklärungen dieses Papstes nicht mehr allzu viel Aufmerksamkeit schenken müssen. Man muß ja damit rechnen, daß er, wenn er unter Druck gerät, erneut ins Wanken gerät und den Rückzug antritt.

Was bleibt angesichts dieses unrühmlichen Rückzugs Benedikts XVI von der römisch-katholischen Behauptung, daß der Bischof von Rom der Nachfolger des Petrus sei, auf den Christus seine Kirche habe bauen wollen? Schon eine sorgfältige Analyse von Matthäus 16, 18 zeigt, daß die römische Auslegung des Christuswortes von Grund auf falsch ist. Nicht der Mensch Petrus, sondern das Bekenntnis zu Jesus Christus, das Petrus kurz zuvor abgelegt hatte, ist der Fels, auf dem die Kirche Jesu Christi steht. Der Kirche, die an diesem Christusbekenntnis festhält, hat der Herr verheißen, daß sie nicht einmal von den Pforten der Hölle überwältigt werden könne. Ein so große Verheißung hat Christus ganz gewiß nicht einem schwachen Menschen wie Petrus oder einer menschlichen Kirchenleitung wie dem Bischof von Rom geben wollen. Das Bekenntnis zu Jesus Christus, dem Sohn Gottes, ist der einzige Fels, auf dem die Kirche steht und stehen kann.

Menschen dagegen sind schwach und können im entscheidenden Moment versagen. Das gilt eben auch für den Papst, wie sich gezeigt hat. Das gilt aber auch für einen jeden von uns. Zu Hochmut und Triumphalismus haben wir daher kein Recht. Aber all den evangelischen Christen, die angesichts der großen Massenwirkung und der weltweiten Medienpräsenz, die das Papsttum heutzutage zu entfalten vermag, ein bißchen neidisch geworden sind und im stillen gesagt haben, daß die Evangelischen auch so etwas wie einen Papst brauchten, sollte die Entschuldigung des Papstes ein Lehrstück sein: Auf menschliche Autoritäten und menschliche Führungspersönlichkeiten zu setzen, hilft der Kirche am Ende nichts. Sie können versagen, und wenn sie versagen, richten sie großen Schaden an. Allein Christus erhält unsere Kirche. Allein das Bekenntnis zu ihm ist der Fels, der zum Fundament werden kann. Und er allein sorgt dafür, daß seine Kirche nicht einmal von den Pforten der Hölle überwältigt werden kann.

Pfr. i. ATD Reiner Vogels, Swisttal, 17. 09.06

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Papst in Bayern: Müssen Evangelische neidisch sein?
Ein Kommentar von Wilhelm Drühe


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EKD-Verschiebungen: Vom Augsburger Bekenntnis zur evangelischen Kirchen-Ideologie?
Ein Kommentar von Wilhelm Drühe

Verschiebungen gibt es bei der Bahn. Sie hat dafür Verschiebebahnhöfe, auf denen Waggons getrennt und Züge zusammengestellt werden. Dazu hat man auf dem Stellwerk bestimmte Pläne für die neuen Züge – danach müssen sich die Lokführer und Rangierer richten … Welche Pläne hat die EKD, wenn sie von Verschiebungen spricht?

„Gegenwärtig sind mindestens drei gewichtige Verschiebungen in der evangelischen Kirche wahrnehmbar“, lese ich in „Kirche der Freiheit“, im Impulspapier des Rates der EKD auf Seite 37. Das steht im Kapitel „Ausgangspunkte der nötigen Veränderungen“ im Abschnitt „Evangelisches Profil im Umgang mit der Zukunft“ (Seite 32 – 39). Die erste Verschiebung betrifft die Gemeinde am Ort, die eine hohe Bedeutung habe, weil die evangelische Kirche aus Menschen besteht, die sich um Verkündigung und Sakrament sammeln – ganz Augsburger Bekenntnis. Aber: die Form der Parochialgemeinde bedürfe der Ergänzung. Jetzt folgt eine interessante Gegenüberstellung: Auf der einen Seite die auf den engeren Gemeindehorizont bezogene Betreuungskultur, auf der anderen eine sich nach außen wendende Beteiligungskultur. Weshalb eigentlich?

Das EKD-Impulspapier behauptet, dass eine Steigerung der missionarischen und kulturellen Qualität kirchlicher Arbeit sich wiederum befruchtend auch auf das Leben in Parochialgemeinden auswirkt. Ich muss natürlich vorsichtig sein, weil ich das ganze EKD-Papier noch nicht gelesen habe. Vielleicht gibt es noch eine weitere Begründung dieser These. Aber das hier Angegebene scheint mir einfach eine Ideologie zu sein – also eine These, um etwas durchzusetzen, ohne dass eine Begründung gegeben wird. Was bedeutet es denn, dass die Betreuungskultur der Parochialgemeinde der nach außen gerichteten Beteiligungskultur mit gesteigerten missionarischen und kulturellen Qualität kirchlicher Arbeit gegenübergestellt wird? Sind das vielleicht die schon erwähnten „Erfolgsmodelle“ (good-practice), die im Abschnitt „Gib den Chancen eine Chance“ unter „Die innerkirchliche Lage macht Mut“ aufgezählt werden: City-Kirchen mit Wiedereintrittsstellen, Profilgemeinden in unterschiedlichen Milieus und mit Unterschiedlichen Frömmigkeitsstilen, Tourismuskirchen … und einiges mehr auf den wichtigen „Erfolgsfeldern“. Wird hier ein neues, alternatives Kirchenmodell eingeführt?

Die Parochialgemeinde soll die schwerwiegendsten Verschiebungen und Veränderungen erfahren. Weshalb eigentlich? Vor der Einführung von Verschiebungen (Seite 37) wird erwähnt, dass neue Herausforderungen verstärkt zu diesen Verschiebungen und veränderten Gewichtungen führen. Diese Verschiebungen seien nicht zufällig, sondern „um der Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit willen“ notwendig. Man muss an die Vorgaben des EKD-Impulspapieres zu den Ausgangspunkten der nötigen Veränderungen (Seite 32) erinnern, wobei es um das evangelische Profil im Umgang mit der Zukunft geht:
  1. Für eine sinnvolle Orientierung muss sich eine Vergewisserung über die Grundlagen eines evangelischen Kirchenverständnisses mit einer realistischen Analyse gegebener Rahmenbedingungen verbinden.
  2. Bleibender Maßstab ist die Aneignung des Evangeliums, die nicht erschwert oder gar verstellt, sondern möglichst vielen Menschen ermöglicht wird. Von dieser Ausrichtung scheint man in der EKD überzeugt zu sein, denn ein Oberkirchenrat aus Hannover meinte in dem EKD-Diskussionsforum sogar, dass ganz Papier atme „Christologie“ – was immer darunter zu verstehen ist.

Wie sind dann aber die Auswirkungen in der Zukunft, wenn sich so die Betreuungskultur und die Beteiligungskultur der kirchlichen Arbeit nebeneinander entwickeln? Gibt es dann so etwas wie Gemeinden 1. und 2. Klasse, die einen mit Beteiligung, die anderen mit Betreuung? Ich habe noch im Gedächtnis die Reduzierung der Pfarrstellen von 21 000 auf 16 000 (?), trotzdem die Erhöhung der Gottesdienstbesucher von vier Prozent auf zehn Prozent (?). Für mich passt das alles nicht recht zusammen. Hier zeigen sich für mich die Auswirkungen einer neuen Kirchen-Ideologie, die als „evangelisch“ ausgegeben wird, aber längst die Bekenntnisvorgabe der Augsburger Konfession über die Kirche aufgegeben hat. Kirchliche Arbeit soll in die funktionalen Bereiche verlagert werden. Was bedeutet das? Welche Auswirkungen hat das auf die bisherige Gemeindearbeit? Natürlich haben die Parochialgemeinden nicht immer und überall die Herausforderungen unserer Zeit angenommen. Dürfen sie aber jetzt so als Institutionen einer kirchlichen Betreuungskultur angesehen werden, die unbedingt durch Einrichtungen einer kirchlichen Beteiligungskultur ergänzt werden müssen? Die angestrebten Verschiebungen gehen an dieser Stelle eindeutig zu Lasten der bisherigen Parochialgemeinde.

Verschiebungen bei den Kirchenkreisen, den Landeskirchen und der EKD gehen alle in Richtung einer Verstärkung

Unsere evangelischen Kirchenordnungen sprechen von der fortwährenden Geltung der reformatorischen Bekenntnisse, wozu auch das Augsburger Bekenntnis gehört. Was über die Verschiebungen bei den Kirchenkreisen, Landeskirchen und der EKD im EKD-Impulspapier geschrieben worden ist, führt letztlich eine Entwicklung weiter, die mit der Einführung herrschaftlicher Einrichtungen im 16. Jahrhundert begann (Konsistorium und Superintendent, wodurch die Fürsten ihre Landeskirchen verwalteten). An den Kirchensteurer-Einnahmen einer evangelischen Kirchengemeinde kann man ablesen, wie weit diese Entwicklung im Laufe der Jahrhunderte ausgeufert ist: je ein Drittel bleiben in der Gemeinde, ein Drittel geht über die Umlage an die Landeskirche und den Kirchenkreis, ein Drittel dient der Versorgung mit Pfarrerinnen und Pfarrern (?). So Informationen aus meiner Gemeinde Mettmann.

Jetzt legen diese Kirchenleitungs-Institutionen noch einmal kräftig zu: Dem Kirchenkreis seien zusätzliche Gestaltungsaufgaben für eine kirchliche Region zugewachsen (Seite 38), Kirchturmpolitik einzelner Gemeinden oder Arbeitszweige, die ein problematisches Erbe aus finanziell besseren Zeiten darstellen, müssten überwunden werden. Bei den Landeskirchen sei der Bedarf an gemeinsamen Profil- und Prioritätsentscheidungen erheblich gewachsen. Damit kommt auch die EKD zu ihren Verschiebungen: Angeführt werden Argumente, die – nach meiner Ansicht – einer bestimmten Kirchen-Ideologie entspringen – so hätte man es gerne, also kirchliches Wunschdenken! Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche werde durch ein gemeinsames Profil und vergleichbare Qualität in den Angeboten der evangelischen Kirche inhaltlich gefüllt und gefördert. Also am besten sofort eine evangelische Einheitskirche mit einem gemeinsamen Kirchenbewusstsein!

Die EKD-Mitgliedschaftsuntersuchungen belegten seit 1972 kontinuierlich, dass mehr als die Hälfte der Kirchenmitglieder sich weder einer bestimmten Gemeinde noch einem bestimmten kirchlichen Angebot zuordnen. „Sie suchen vielmehr geistliche Zugehörigkeit in der evangelischen Kirche als solcher; sie wollen nicht zuerst Gemeindeglieder oder Landeskirchenkinder sein, sondern evangelische Christen“, so das EKD-Impulspapier. Ich bezweifele, dass die Kirchengemeinden und die Landeskirchen diese Entwicklung zu einer evangelischen Einheitskirche mitmachen. Ich vermute, dass die Bindung an die eigene Kirchengemeinde immer noch sehr groß und bestimmend ist. Interessant ist auch, dass für die EKD in diesem Zusammenhang die verschiedenen evangelischen Konfessionen in den Landeskirchen und in deren Zusammenschlüssen (Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD), Union Evangelischer Kirchen (UEK) und die Reformierten Kirchen mit dem Reformierter Bund und dem Bund Evangelisch-Reformierter Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland) und keine Rolle spielen.

Ich persönlich meine auch, dass zahlreiche kirchliche Strukturen von der Gemeindebasis bis zu landeskirchlichen Zusammenschlüssen, Kirchenkreise eingeschlossen, sich dem widersetzen, was die „Aneignung des Evangeliums“ (Seite 33) erschwert oder gar verstellt. Wenn schon Reformen und Veränderungen, dann ausgehend von der Feststellung der Defizite, nicht von der genannten Zielvorstellung einer evangelischen Einheitskirche, wie sie offensichtlich von der EKD vertreten wird.

Ich habe den Eindruck im Vorhaben der EKD geht es letztlich um die Rettung und Ausgestaltung des kirchlichen Oberbaus wegen der finanziellen Entwicklung der Kirchensteuern und wegen des Rückgangs der Mitgliederzahlen. Dafür wird letztlich die Gemeinde, bestimmt durch den reformatorischen Ansatz des 16. Jahrhunderts (Augsburger Bekenntnis), geopfert. Der Kirchen-Apparat ist bedroht, nicht die evangelische Kirche in ihren Gemeinden. Die EKD hat mit ihrem Impulspapier einen falschen Weg vorgeschlagen!

Pfr. i.R. Wilhelm Drühe, Mettmann, 01. 09. 06



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Leitender Angestellter oder ordinierter Amtsträger?

Zum "Leuchtfeuer" 6" des "Impulspapiers" der EKD vom Juli 2006
Reiner Vogels

Als der Apostel Paulus darum kämpfen mußte, daß in Korinth eine ordentliche Kollekte für die Gemeinde in Jerusalem zusammenkam (2. Kor. 8), sandte er zweierlei Beauftragte nach Korinth, die sich um die Kollekte kümmern sollten: Titus als seinen persönlichen Mitarbeiter (und Bevollmächtigten) und andere als "Abgesandte der Gemeinden" (2. Kor. 8, 23). Von Anfang an hat es also in der christlichen Gemeinde eine doppelte Gemeindeleitung gegeben. Auf der einen Seite stand das apostolische Amt, auf der anderen standen die Vertreter der Gemeinden. Dies war ein gutes und ausgewogenes Gleichgewicht.

Die Evangelische Kirche hat seit der Reformationszeit das urchristliche Gleichgewicht bewahrt: Auf der einen Seite steht das mit gewisser Unabhängigkeit und auf Schrift und Bekenntnis ordinierte Amt, auf der anderen Seite stehen die Kirchenvorstände/Presbyterien und deren Delegationsebenen. Dieses Gleichgewicht hat große Vorteile. Es führt zur gegenseitigen Ergänzung und gegenseitigen Kontrolle, es verhindert Alleinherrschaften und fördert den Dialog, weil beide Seiten darauf angewiesen sind, miteinander in der Gemeinde zu leben und dem Ziel verpflichtet sind, den Aufbau der Gemeinde zu fördern.

Irrweg zur einen Seite: Das römisch-katholische Modell

Die Römisch-Katholische Kirche hat dieses Gleichgewicht zugunsten des apostolischen Amtes zerstört, indem sie die Gemeinden praktisch entmachtet hat und alle Macht bei den Bischöfen und dem mit absolutistischen Vollmachten ausgestatteten Papstamt konzentriert hat.

Irrweg zur anderen Seite: Das Impulspapier der EKD

Heute besteht in der Evangelischen Kirche die Tendenz, das Gleichgewicht in Richtung auf die Gemeinde hin aufzulösen. Die Ev. Kirche geht also genau den entgegengesetzten Weg wie die römisch-katholische. Auch das Impulspapier geht in diese Richtung. Es will aus dem mit Unabhängigkeit und an Schrift und Bekenntnis gebundenen Amtsträger einen leitenden, letztlich weisungsgebundenen, jederzeit flexibel versetzbaren Angestellten machen.

Es sollte uns nicht wundern, daß das Impulspapier in diese Richtung geht. Wer die Kirche nach dem Modell von großen Industrieunternehmen gestalten will, muß am Ende auch die in diesen Unternehmen üblichen und dort auch berechtigten Kommandostrukturen bzw. die entsprechenden Formen der Mitarbeiterführung einführen.

So gesehen ist Leuchtfeuer 6 kein Leuchtfeuer, sondern ein Störfeuer, und am Ende könnte es über die neutestamentlich-biblisch und reformatorisch strukturierte evangelische Form der Gemeindeleitung heißen: "Killed by friendly fire".

Anwälte des Auftrags, den der Herr seiner Kirche gegeben hat

Nicht nur aus Gründen des Gleichgewichts ist das ordinierte Amt wichtig, sondern vor allem aus inhaltlichen: Es muß in der Kirche eine Gruppe von Menschen geben, die nicht den wechselnden Mehrheiten und Stimmungen in den Gremien der Gemeindeleitung unterworfen sind, sondern dem Auftrag der Kirche. Diese Menschen müssen innerkirchliche Anwälte des Auftrags sein, den der Herr seiner Kirche gegeben hat. Ihre Verpflichtung besteht darin, daß sie den frei sich selbst bestimmenden Meinungsbildungsprozeß in einer demokratisch strukturierten Gemeindeleitung immer wieder zurücklenken auf das, was Jesus Christus der Kirche aufgetragen und vorgegeben hat.

Aus diesem Grunde dürfen diese Menschen in zentralen inhaltlichen Fragen der christlichen Botschaft nicht den Mehrheiten unterworfen sein. Ihr Amt duldet es auch nicht, daß sie in inhaltlichen Fragen gegenüber der Kirchenleitung weisungsgebunden sind. Ihre selbstverständliche Loyalitätspflicht gegenüber der Kirche gebietet es zwar, die Willensäußerungen der Kirchenleitung sorgfältig und gewissenhaft zu bedenken, sie dürfen aber nicht verpflichtet sein, ihnen einfach nur Folge zu leisten. Sie benötigen daher in ihrer Amtsführung eine gewisse Unhabhängigkeit, vergleichbar dem Amt des Richters an staatlichen Gerichten. Wie das in der Kirche praktisch aussehen könnte, hat z. B. der Apostel Paulus in den Konflikten mit den Gemeinden in Korinth und Galatien vorgemacht.

Das Volk Gottes Kirche kann nicht wie ein modernes Industrieunternehmen geführt werden. Regieren soll allein das Wort, und dafür sollen sich die ordinierten Amtsträger einsetzen.


Pfr. i.ATD R. Vogels, Swisttal-Odendorf, 13. 08. 06

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Wenn die Kirche nur noch ein Unternehmen ist, dann …
Ein Kommentar von Wilhelm Drühe

Veränderung in der Sprache

Als ich vor mehr als mehr als 50 Jahren in den kirchlichen Dienst eintrat, war die gegenseitige Anrede bei uns „Bruder“, die älteren sprachen auch von dem „Confrater“ oder von dem „Herrn Confrater“. Damit sollte ausgedrückt werden, dass wir in einer besonderen Gemeinschaft tätig waren und ein besonderes geistliches Verhältnis zueinander hatten. Wenn von der Gemeinde die Rede war, dann sprachen wir von „Gliedern“, nicht von Mitgliedern. Ich weiß nicht mehr, wann es war – vielleicht in den 70er Jahren? -, aber dann kam die Anrede „Kollege“ auf. Aus der Kirche wurde mehr und mehr so etwas Akademisches, Ärzte reden sich ja auch mit „Kollege“ an. Das passte auch besser zu den Frauen, die vermehrt in der Kirche tätig waren. Besonders Ältere hatten Probleme mit der Anrede „Schwester“, vielleicht auch weil sie die Pfarrerinnen oder Pastorinnen innerlich ablehnten. Ich habe Superintendenten erlebt, die etwa im Pfarrkonvent sagten: „Liebe Brüder, liebe Frau Müller!“ „Kollegin“ kam da einem schon leichter über die Lippen. Inzwischen haben sich die Anreden gänzlich gewandelt, nur noch eine kleine Minderheit hält an dem früheren Verständnis von Kirche und dem Leben und Arbeiten in ihr fest, spricht von „Brüdern“ und „Schwestern“ und „Gliedern“ in der Gemeinde. Bei einem Superintendenten habe ich übrigens erlebt, dass das „Herr“ und „Frau“ für ihn fast wie Ausdruck seiner Herrschaft über andere war. Er lehnte auch den Amtstitel „Superintendent“ ab, übte seine Überordnung wesentlich stärker aus als seine Vorgänger.

Jetzt geht es um „Frau“ und „Herr“, wer zur Gemeinde gehört ist ein „Mitglied“ der Kirche. Und die Betreuten durch unsere Diakonie sind „Kunden“. Die Sicht der Kirche hat sich gewandelt. Ist es kälter geworden, ist der Glaubensartikel mit dem Heiligen Geist und der Kirche zurückgetreten, ist aus unserer Kirche ein Unternehmen geworden? Ist die Verbindung zwischen den Mitarbeitern in der Kirche nur noch die gemeinsame Stelle, die das Gehalt zahlt?

Jetzt kommen die Unternehmensberater in die Kirche!

Groß ging durch die Medien die Meldung, dass die Unternehmungsberatung McKinsey dem evangelischen Dekanat München eine radikale Strukturreform vorschlug, nachdem man die dortige Kirche untersucht hatte. Andere folgten. 1997 erschien ein Buch, dessen Titel für die neue Richtung des Umgangs mit der Kirche und in der Kirche spricht: „Vom Klingelbeutel zum Profitcenter? Strategien für das Unternehmen Kirche.“ Hatte man anfangs noch Unternehmen Kirche in Anführungszeichen gesetzt, ist jetzt der neue Trend voll durchgeschlagen.

Dr. Martin Schuck, Schriftleiter des Pfälzischen Pfarrerblatts, macht im letzten Editorial (Heft 7/8 Juli/August 2006) auf die Zusammensetzung der EKD-Perspektiv­kommission aufmerksam. Unter den fünf Theologen ist nur einer, dessen Gemeindepfarramt weniger als zehn Jahre zurückliegt – also eine genauere Kenntnis der Gemeinde-Basis hat, um die es in der Zukunft des evangelischen Kirche als Gemeindekirche vor allem gehen wird. Unter den sieben anderen Mitgliedern der EKD-Perspektiv­­kommission sind zwei Unternehmensberater von McKinsey Deutschland und einer Hamburger Consulting-Firma. Dazu kommt die Direktorin des Instituts für Demoskopie in Allensbach. Aus dem wirtschaftlichen Bereich kommt aus einer leitenden Position in einer großen Bank ein Mitglied des Rates der EKD. Martin Schuck: „Man setzte bei der Berufung der Kommission also gezielt auf wirtschaftlichen Sachverstand, und demzufolge ist ‚Kirche der Freiheit’ weniger theologischer als betriebswirtschaftlicher Rationalität verpflichtet.“ In dem Editorial werden zwei grundsätzliche Veränderungen schon angekündigt: Geht es in Zukunft in der evangelischen Kirche in Deutschland noch um Pfarrer in den Gemeinden oder um „Ekklesio-Techno­kraten“, gibt es noch Synoden im herkömmlichen Sinne oder um Planungsstäbe? „Für die Perspektiven des Pfarrberufs und die synodale Struktur der evangelischen Kirchen wird dies von größter Bedeutung sein“, meint der Schriftleiter.

Weshalb diese Entwicklung in der evangelischen Kirche in Deutschland?

War nicht über Jahrhunderte hin - seit der Reformation im 16. Jahrhundert – die Evangelische Kirche in Deutschland eine Pastorenkirche? Ich weiß, dass man vorsichtig und nachdenklich sein muss, wenn man pensionierter Pfarrer ist. Es waren die Pastoren, die armen und ärmlichen Landpfarrer und die mächtigen, stolzen Stadtpfarrer, die es zum Teil bis zum Oberpfarrer brachten, die Gemeinde versammelten. Sicher lebte die evangelische Kirche in Deutschland auch von den bedeutenden Professoren, von Bischöfen, Prälaten und Präsides – aber all das sicher nur auf der Basis der Kirchengemeinden!

Und die wird jetzt ab- und zurückgebaut. Da soll es in Zukunft City-, Jugend- und Kulturkirchen geben. Die sollen nach der EKD-Perspektivkommission die Zahl der Gottesdienstbesucher erheblich steigern (von vier auf zehn Prozent), während die Kirchengemeinden und deren Pfarrstellen erheblich reduziert werden (die Zahl der Pfarrer sinkt von 21 000 auf 16 000). Dann die kirchlichen Finanzen. Sicher gibt es Zuschüsse vom Staat – aber die wesentliche Finanzierung kommt durch die Kirchensteuer und die wird in den Gemeinden, für die Gemeinden und durch die Gemeinden erhoben. Es ist schon etwas her, da habe ich mich für einen Artikel bei dem Finanzmann unserer Gemeinde über die Aufteilung der Kirchensteuer erkundigt: ein Drittel blieb in der Gemeinde, ein Drittel ging an Landeskirche und Kirchenkreis, ein Drittel ging in die Pfarrbesoldung – so wurden damals sechs Millionen DM aufgeteilt. Übrigens zahlen weniger als die Hälfte überhaupt Kirchensteuer – wegen der Kopplung an das staatliche Steuerwesen mit Lohn- und Einkommensteuer! Ob nicht längst ein eigenes Beitragswesen in unseren Kirchen hätte eingeführt werden müssen? Auch wenn dieses teurer gewesen wäre?

Nach meinem Eindruck ist fast alles, was die EKD-Perspektivkommission erarbeiten will, eine Folge der finanziellen Entwicklungen innerhalb der EKD und ihrer Landeskirchen und der Versuch, auf Kosten der Kirchengemeinden den kirchlichen Groß-Apparat zu retten – Symbol dafür: der deutsche Protestantismus habe seine besonderen Zentren – die Dresdner Frauenkirche, die Wittenberger Schlosskirche, den Berliner Dom und den Hamburger Michel. Die Stadt- und Dorfkirchen können dann aufgegeben werden. Das ist sicher auch überspitzt formuliert. Darf man aber nicht so auf die Gefahren für die evangelische Kirche in Deutschland hinweisen, um die ich mir Sorgen mache?
Pfr. i.R. Wilhelm Drühe, Mettmann, 050. 08. 06

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Aufbruch wohin?

Zum "Impulspapier" der EKD vom Juli 2006

Reiner Vogels

Es ist zum Jammern!
Da setzt sich eine mit hervorragenden Fachleuten und Inhabern kirchenleitender Ämter besetze "Perspektivkommission" der EKD hin, um Perspektiven für die Neuausrichtung der Evangelischen Kirche zu entwerfen, und am Ende kommt nichts wirklich Hilfreiches und Weiterführendes heraus. Dabei wollen die Verfasser des "Impulspapiers" "Kirche der Freiheit" wirklich das Beste. Sie sehen, dass sich die Evangelische Kirche in einer fundamentalen Krise befindet, und sie wollen helfen. Sie wollen unsere Kirche zu einem Neuanfang führen, eine allgemeine Aufbruchstimmung erzeugen und alle Christen in der Kirche motivieren, mitzumachen und mitzubauen an der Kirche der Zukunft. Leider jedoch macht das Papier weithin den Eindruck, dass seine Verfasser überhaupt noch nicht begriffen haben, worin denn die Krise unserer Kirche im Kern besteht. Folgerichtig haben sie außer ein paar leerformelhaften theologischen Floskeln und den aus der Unternehmensberatung sattsam bekannten technokratischen Rezepten, von denen das eine oder andere durchaus bedenkenswert sein mag, nichts zur Problembewältigung in unserer Kirche zu bieten.

Eine Beobachtung am Text ist in diesem Zusammenhang verräterisch: Auf den Seiten 44-100 des Papiers werden 12 "Leuchtfeuer" vorgestellt, die unserer Kirche den Weg in eine bessere Zukunft weisen sollen. Viel Arbeit und viel Kreativität stecken in den einzelnen Kapiteln, manches Detail mag auch beachtlich sein, frappierend jedoch ist, dass auf all diesen über 50 Seiten nicht ein einziges Mal davon die Rede ist, dass das eigentliche und entscheidende Leuchtfeuer unserer Kirche Jesus Christus ist. Ja, die Worte "Jesus" oder "Christus" kommen in der Beschreibung der Leuchtfeuer überhaupt nur viermal vor (S. 55, S. 64, S. 83 und S. 100). An diesen Stellen erscheinen sie jedoch nur deshalb, weil sie Bestandteil von biblischen Zitaten sind. Lediglich auf S. 83 ist in allgemeiner Form von der "Christusorientierung" des kirchlichen Dienstes die Rede. Diese Formulierung bleibt aber vollkommen leer, weil in gar keiner Weise ausgeführt wird, was denn darunter zu verstehen sei.

Nun wissen natürlich auch die Verfasser des "Impulspapiers", dass man für die Kirche keine Perspektiven aufzeigen kann, ohne in irgendeiner Weise theologische Grundlagen zu beschreiben. Aus diesem Grunde haben sie an den Beginn der Beschreibung jedes der zwölf "Leuchtfeuer" den Satz gestellt: "Auf Gott vertrauen und das Leben gestalten." Dieser Satz ist nun aber, was die "Christusausrichtung" des kirchlichen Dienstes und die christliche Botschaft überhaupt betrifft, substanzlos und nichtssagend. Der Satz könnte als Tagungsmotto über jedem interreligiösen Kongress stehen. Christliches läßt er nicht erkennen.

Leider zeigt das "Impulspapier" auch an anderer Stelle nicht mehr geistliche Weisung. Zwar wird auf S. 32 nach einer "theologischen Vergewisserung über die Grundlagen eines evangelischen Kirchenverständnisses" gefragt und es wird in diesem Zusammenhang auf den christlichen Glauben verwiesen, aber weiter als bis zu einer allgemeinen Aussage über das getröstete Herz der Christen, die sich auf Gottes Gnade verlassen dürfen, kommen die Autoren des Impulspapiers auch an dieser Stelle nicht. Offensichtlich ist für sie das Entscheidende im Christentum der existentielle Ertrag des christlichen Glaubens, nämlich das getröstete Herz. Eine solche geistliche Grundlage evangelischen Kirchenverständnisses jedoch ist unzureichend. Wenn jemand auf andere Weise ein getröstetes Herz zu finden meint, etwa in buddhistischen Meditationsübungen, in der Unterwerfung unter Allah oder auch nur im fröhlich-skeptischen Heidentum eines sinnenfrohen Atheismus, hat diese "geistliche Grundlage" der Kirche dem nichts entgegenzusetzen.

Das theologische Defizit des "Impulspapiers" hängt damit zusammen, daß der Denkansatz rein innerweltlich, psychologisch und anthropologisch ist. Christlicher Glaube wird hier beschrieben als psychologisch-innerweltliches Lebensmodell des inneren Friedens. Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift offenbart wird, ist aber nicht einfach nur ein psychologischer Lehrer des getrösteten Herzens. Er ist Heiland und Erlöser, er ist Richter über die Sünde und er ist Gottes Lamm, das die Sünde hinweggetragen hat aus der Welt. Eine wirklich tragfähige "theologische Vergewisserung" über die "Grundlagen eines evangelischen Kirchenverständnisses" darf an dieser Thematik nicht vorübergehen. Sie darf das Thema der Sünde und der Schuld nicht ausklammern, wie es das "Impulspapier" tut. Das Urteil ist daher leider unumgänglich: Weil das Impulspapier am Kern der christlichen Lehre vorübergeht, kann es bei den 12 Leuchtfeuern für die Zukunft der Kirche keine wirklich hilfreichen Richtungsangaben machen.

Es ist zum Jammern!

Die Mitglieder der Perpektivkommission sollten unserer Kirche den Weg in die Zukunft weisen. In ihrem Impulspapier jedoch haben sie unter Beweis gestellt, dass sie das nicht können, weil sie selbst nicht wissen, worauf es für die Zukunft unserer Kirche ankommt. Die Perspektivkommission der EKD ist leider - und das ist wirklich zum Jammern - eine Versammlung blinder Blindenführer.


Wenn wirklich nach Leuchtfeuern für die Neuausrichtung für unsere Kirche gesucht werden soll, muß am Anfang eine schonungslose Analyse der Krise unserer Kirche stehen. Eine solche Analyse wird zu dem Ergebnis kommen, daß der Kern der Krise unserer Kirche geistlicher Natur ist. Es ist die falsche Theologie, die in unserer Kirche an vielen Stellen gelehrt wird, die zum Niedergang der Kirche geführt hat. Jahrhundertelange historisch-kritische Zersetzung der Heiligen Schrift, mindestens ebenso lange Zerstörungsarbeit am christlichen Dogma an den theologischen Fakultäten, der offizielle kirchliche Verzicht auf den Wahrheitsanspruch des Evangeliums, wie er sich im Missionsverzicht gegenüber Juden und Moslems ausdrückt, systematische Infragestellung der christlichen Lehre von Ehe und Familie, die in der gotteslästerlichen Homosegnung ihren traurigen Höhepunkt erreicht hat, eine liberale Theologie, die alles in Frage stellt, was jahrtausendelang in der Kirche geglaubt worden ist, all das, was Bischof Huber in einem hellsichtigen Wort als "Selbstsäkularisierung" der Kirche bezeichnet hat, ist als Ursache der Krise zu diagnostizieren. Eine Bewältigung der Krise kann daher erst gelingen, wenn diese Ursache in den Blick genommen wird und wenn die kirchlich Verantwortlichen im wahrsten Sinne des Wortes Buße tun, nämlich umkehren zu Jesus Christus und zur gesunden Lehre des Evangeliums.

Ohne eine solche Buße und geistliche Neuausrichtung unserer Kirche wird das Impulspapier scheitern, und Krise und Niedergang unserer Kirche werden weitergehen. Eine künstlich erzeugte Aufbruchstimmung wird nichts bewirken, wenn unklar bleibt, wohin denn wir Christen aufbrechen sollen.


Es ist zum Jammern!
Pfr. i.ATD R. Vogels, Swisttal-Odendorf, 21.07. 06

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Der Heilige Geist und die 348 Mitgliedskirchen im Ökumenischen Rat der Kirchen

Ein Kommentar von Wilhelm Drühe

Seit Anfang des 5. Jahrhunderts ist das „Apostolische Glaubensbekenntnis“ in seiner jetzigen Form schriftlich belegt. Als Taufbekenntnis verbindet es die Kirchen. Dabei gibt es eine weltweite Kirchengemeinschaft, wenn die Kirchen auch sonst getrennt sind: die römisch-katholische Kirche, die evangelischen Kirchen, die altkatholische Kirche, die anglikanische Kirche und viele andere. Dreimal wird gesagt: „Ich glaube an…“, nämlich an Gott, an Jesus Christus und an den Heiligen Geist. Unmittelbar an den Anfang des dritten Artikels „Ich glaube an den Heiligen Geist“, wird angefügt: „eine heilige, christliche Kirche.“ Die katholische Kirche nimmt hier eine Einschränkung auf die eigene Kirche vor: „eine heilige, katholische Kirche.“ Im Katechismus der Katholischen Kirche, dem offiziellen Dokument aus dem Jahre 1993, wird eine interessante Erklärung gegeben. „Der Glaube, dass die Kirche ‚heilig’ und ‚katholisch’ … ist, lässt sich vom Glauben an Gott den Vater, den Sohn und dem Heiligen Geist nicht trennen. Im Apostolischen Glaubensbekenntnis bekennen wir eine heilige Kirche (‚Credo … Ecclesiam’), sagen aber nicht, dass wir an die Kirche glauben, damit wir nicht Gott und seine Werke miteinander verwechseln, sondern alle Gaben, die er in seine Kirche gelegt hat, klar der Güte Gottes zuschreiben.“

Martin Luther

In Luthers Kleinem Katechismus geht es im dritten Artikel um die Heiligung. In den Ausführlichen Erklärungen des Katechismus – aus dem Gedankengut Luthers zusammengestellt (Hänssler Verlag 1998) und für den Unterricht mit Frage und Antwort versehen (von Hans Just) - lautet die Frage 90: „Was ist die Heiligung? Das Werk des Heiligen Geistes, da er uns zu Christo bringt und im Glauben an ihn gerecht, heilig und selig macht.“ Erst in der Frage 113 kommt die Erklärung ausdrücklich auf die Kirche, die im Glaubensbekenntnis genannt wird, zu sprechen. „Wo heiligt der Heilige Geist? In der christlichen Kirche als seiner Werkstätte; denn: Ich glaube an eine heilige christliche Kirche, die Gemeinde der Heiligen.“ Im Unterschied zu dem katholischen Katechismus wird also an (!) eine heilige christliche Kirche geglaubt. Dieses Glaubensbekenntnis erklärt in Frage 114 und 115: „Ich glaube, dass der Heilige Geist die ganze Christenheit auf Erden beruft, sammelt, erleuchtet, heiliget und bei Jesu Christo erhält im rechten, einigen Glauben.“ „Was ist die Kirche? Sie ist das Haus des lebendigen Gottes und die Versammlung der zum Heil in Christo Berufenen, die durch Wort und Sakrament im wahren Glauben zur Seligkeit erbaut werden.“ Wort und Sakrament – das ist genau das, was auch in den Bekenntnisschriften immer wieder als das Kennzeichen und das Bestimmende der Kirche genannt wird, auch wiederholt in der Frage 117 nach der Heiligkeit der Kirche: „Weil sie durch Wort und Sakrament geheiligt und Gott dem Herrn heilig in ihr gedient wird“, deshalb wird sie heilig genannt.

Werkstätten des Heiligen Geistes

Kirchen – Werkstätten des Heiligen Geistes? Dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) gehören gegenwärtig 348 Mitgliedskirchen an, protestantische, anglikanische, orthodoxe und orientalische. Die katholische Kirche ist durch Beobachter vertreten. Unter den Kirchen bestehen erhebliche Vorbehalte gegenüber anderen Kirchen. Die katholische Kirche erkennt nur orthodoxe Kirchen als vollwertige Kirchen an – auch wenn sie sich nicht Rom unterordnen und den Papst als Oberhaupt anerkennen. Alle anderen sind nur kirchliche Gemeinschaften wegen ihrer kirchlichen Defizite im Sinne Roms (Weihesakrament, das mit der apostolischen Sukzession nur vom Papst vermittelt werden kann). Meine Frage ist: Kann man heute noch an die Kirche glauben, dass sie eine Werkstatt des Heiligen Geistes ist? Sind es vielleicht nur noch – wie Martin Luther es am Beginn der seiner kirchlichen Reformarbeit bestimmt hat – die einzelnen, selbständigen Gemeinden, die ausschließlich von der Verkündigung des Wortes Gottes und den Sakramenten bestimmt werden? Zu Pfingsten und nach Pfingsten muss man nachdenken über die Werkstätten dieses Heiligen Geistes, der kaum die Vielfalt des Ökumenischen Rates gegründet haben kann. Haben 348 verschiedene und getrennte Kirchen den Heiligen Geist nicht längst abgeschafft?

Pfr. i.R. W. Drühe, Mettmann, 09.06. 06

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Was ist vom Film „Das Sakrileg“ zu halten ?

Thomas Berke

Seit Mitte Mai läuft der mit Millionenaufwand produzierte Film „Das Sakrileg“ in den Kinos. Es handelt sich dabei um die Verfilmung des Bestsellers „Der Da-Vinci-Code“. In diesem Film wird die Behauptung aufgestellt, dass Kaiser Konstantin am Anfang des 4. Jahrhunderts mit politischen Machtmitteln die Verehrung Jesu als Gottes Sohn in der Kirche durchsetzen und alle alten Bibelhandschriften vernichten ließ, die Jesus nur als Mensch angesehen haben. Damit wird in diesem Film eine der zentralen Fragen unseres christlichen Glaubens berührt.

So spannend und unterhaltsam dieser Film auch anzusehen ist, widerspricht diese Behauptung jedoch allen historischen und theologischen Forschungen zum Neuen Testament und zur Geschichte der ältesten Christenheit.

Das Neue Testament liegt in weitest gehend übereinstimmenden Handschriften des 1. bis 3. Jahrhunderts vollständig vor. Sie sind für die wissenschaftliche Forschung jederzeit zugänglich in den bedeutenden Bibliotheken Europas aufbewahrt. In der textkritische Ausgabe des Neuen Testamentes, die jeder Pfarrer besitzt, ist jede noch so kleine Abweichung vom Standardtext notiert, die jemals in irgendeiner alten Handschrift gefunden wurde. Insgesamt erweist sich der Bibeltext, wie er in der Luther-Bibel als Übersetzung vorliegt, als äußerst zuverlässig belegt. Er enthält zahlreiche Aussagen darüber, dass Jesus Gottes Sohn und der verheißene Christus ist (z. B. Johannes 1, 1-14; Johannes 3, 16; Johannes 20, 28; Matthäus 17, 1-9; Philipper 2, 5-11).

In der Apostelgeschichte, in den Briefen des Paulus und in der Johannes-Offenbarung können wir bereits nachlesen, dass die älteste Christenheit für das Bekenntnis zu Jesus Christus als Gottes Sohn und Herr Verfolgung und Märtyrertod in Kauf genommen hat. Bei einem Verzicht auf dieses Bekenntnis wäre ihr das erspart geblieben.

Im Gegensatz zu dem, was der Film behauptet, waren es bis ins 20. Jahrhundert hinein immer wieder die Mächtigen, die die Christenheit am Bekenntnis zu Jesus als Herrn und Gott hindern wollten. Die Gründe hierfür sind schnell genannt: Es geht in Kreuz und Auferstehung Jesu Christi um den Sieg der Liebe Gottes über Gewalt, Tod und die Macht der Mächtigen. Zudem werden durch die Botschaft vom Kreuz alle politischen Ideen ihrer Heilsbedeutung beraubt. Von den römischen Kaisern bis zu Hitler, Stalin und Khomeini wurde der totale Machtanspruch eines Herrschers messianisch begründet, also durch die Auffassung, eine bestimmte bevollmächtigte Person könnte mit unbegrenzter Machtfülle eine Gesellschaft „heilen“ und das „1000jährige Reich“ herbeiführen.

Wer an Jesus als den Christus und Gottes Sohn glaubt, fällt darauf nicht herein. Denn zu diesem Glauben gehört, dass Gott für uns in Jesus Christus Heil und Gerechtigkeit hergestellt hat, weil kein Mensch dies vermag. Von daher wird auch das in der Johannes-Offenbarung vorausgesagte „1000jährige Reich“ allein von Jesus Christus am Ende der Zeiten aufgerichtet ohne jedes Zutun von Menschen.

Im Grunde deckt sich die im Film „Das Sakrileg“ vertretene Auffassung von Jesus als rein menschlicher Lehrer und Prophet mit dem Jesus-Bild des Koran. Liegt hier nicht das politische Interesse dieses Films in der jetzigen Weltsituation?

Pfarrer Thomas Berke, 06.06. 06, Mülheim (Mosel)

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Vorrang für die Gemeinde

Primäre und sekundäre Ebenen in unserer Kirche

Reiner Vogels

Zur Zeit findet in unserer rheinischen Kirche eine lebhafte Diskussion über die Prioritäten statt. Angesichs schrumpfender Finanzmittel und sinkender Gemeindegliederzahlen sind finanzielle Einsparungen unumgänglich. Es muß daher gefragt werden, welcher Bereich der Kirche Priorität haben soll und welcher nicht. Der Lutherische Konvent hat dazu eine ausführliche Stellungnahme beschlossen, die Sie auf dieser Seite finden können. In der Diskussion über diese Stellungnahme ist von einigen unsere Unterscheidung zwischen der primären Ebene der Kirche, nämlich der Ortsgemeinde, und den sekundären Ebenen kritisch angefragt worden. Es ist die Meinung vertreten worden, die anderen Ebenen und Bereiche kirchlicher Arbeit wie z.B. der Religionsunterricht seien nicht weniger fundamental als die Ebene der Ortsgemeinde. Ich möchte daher versuchen, auf diese Anfragen zu antworten.

Am schnellsten ist die Frage nach dem Religionsunterricht ausgeräumt: Der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen wird nicht aus Kirchensteuermitteln finanziert, sondern vom Staat. Daher kann die Frage nach dem Religionsunterricht in der Prioritätendiskussion, in der es ja um die Verwendung eigenen kirchlichen Geldes geht, unberücksichtigt bleiben.

Warum aber ist die Ortsgemeinde die kirchliche Basis, während alle anderen kirchlichen Ebenen sekundär sind?

Zur Antwort ist an erster Stelle auf die Bekenntnisgrundlage unserer Kirche zu verweisen: Die Kirche entsteht durch Verkündigung des Wortes Gottes und durch die Verwaltung der Sakramente. Es kommt also nicht nur auf die Verkündigung, sondern auch auf die Sakramente an. Daraus folgt, daß es auf die Gemeinschaft der Menschen ankommt, die sich unter der Kanzel und um den Altar herum versammeln. Diese Gemeinschaft ist die Keimzelle und Basis der Kirche. Alles kirchliche Leben und alle kirchlichen Aktivitäten gehen von dieser Gemeinschaft aus. Sie empfangen von dort ihre Kraft und ihr Leben. Das gilt auch für die Diakonie. Ich erinnere an die älteste ausführliche Beschreibung eines christlichen Gottesdienstes, die wir haben. Sie findet sich in der Apologie des Justin des Märtyrers aus der Mitte des 2. Jahrhunderts nach Christus. Dort wird ausführlich beschrieben, daß die Gemeindeglieder während des Gottesdienstes ihre Gaben zum Altar tragen und daß diese Gaben vom Vorsteher der Gemeinde verwaltet und in der Woche an Notleidende verteilt werden. So hat Diakonie von Anfang an ausgesehen. Auch die Diakonie kann ihre Kraft letztlich nur aus dem Gottesdienst empfangen. Daher ist und bleibt der gemeindliche Gottesdienst die Basis der Kirche. Ihm muß bei allen Prioritätendiskussionen Vorrang eingeräumt werden.

An zweiter Stelle kommt ein gesellschaftspolitisches oder machtpolitisches Argument hinzu: Wenn sonntags landauf landab die Glocken zu hören sind und sich Menschen aus ihren Wohnungen aufmachen, um sich um Kanzel und Altar herum zu versammeln, so ist das ein eminent öffentlicher und politischer Vorgang. So etwas bleibt in der Gesellschaft nicht unbemerkt. Und gerade in Zeiten, in denen die Gesellschaft sich gegen das Christentum stellt, wird dieser öffentliche Vorgang noch an Bedeutung gewinnen. Selbst in der DDR hat die atheistische Staatsführung es nicht gewagt, den Sonntagsgottesdienst anzutasten. Religionsunterricht konnte man abschaffen, ebenso Militärseelsorge und öffentliche Präsenz der Kirchen in Rundfunk und Fernsehen, an den Gottesdienst hat man sich nicht herangewagt. Und das dürfte auch in Zukunft der Fall sein, wenn sich unsere Gesellschaft weiter vom Christentum entfernt. Selbst wenn die Gegner des Evangeliums die politische Macht übernehmen, wenn sie, wie es z.B. z.Zt. im Land Berlin geschieht, versuchen, die Kirchen gesellschaftlich zu marginalisieren, den Gottesdienst werden sie uns so schnell nicht nehmen können. Hier werden sie den offenen Konflikt nicht wagen.

Und deshalb ist es unser aller Aufgabe, den Gottesdienst zu stärken. Als Christen und normale Gemeindeglieder sollen wir den Gottesdienst stärken, indem wir Sonntag für Sonntag unsere Gottesdienste besuchen. Und wenn wir kirchliche Entscheidungs- und Verantwortungsträger sind, sollen wir den Gottesdienst stärken, indem wir dem Gottesdienst und den Gemeinden, die für die Durchführung der Gottesdienste Verantwortung tragen, bei der Prioritätendiskussion Vorrang einräumen.

Pfr. i.ATD. Reiner Vogels, Swisttal-Odendorf, 26. 05.06

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Balleluja lasst uns singen…

Auftrieb für die Kirchen durch die Fußball-Weltmeisterschaft?

Ein Kommentar von Wilhelm Drühe

Da können Kirchenlieder jetzt umgedichtet werden – so „Balleluja lasst uns singen, Fußball lebt, Fußball lebt“ oder „Balleluja! Aus der Kampf, der Sieg errungen“ oder „Balleluja! Offen steht das Tor zum Leben. Balleluja!“ Kardinal Lehmann und Bischof Huber werden am 9. Juni 2006 um 11 Uhr in einem ökumenischen Gottesdienst in München die WM eröffnen. Also nicht mehr nur das scheue Kreuzzeichen der Spieler aus katholischen Ländern zum Spielbeginn oder nach dem Torschuss. Jetzt ist die christliche Religion richtig mitten drin.

„Der erste christliche Fußball: exklusiv zur WM 2006“ verkündet der St. Benno Verlag aus Leipzig und macht Reklame für einen Turnierfußball, wasserfest, für alle Wetterverhältnisse und Platza… Auf diesem Fußball für € 14.90 sind interessante Zitate christlicher Fußballer zu lesen. Der Verlag, der sonst mehr auf Papstbücher setzt, meint, dieser christliche Fußball sei ein Geschenk für alle fußballbegeisterten Christen. Diese christlichen Sportler wie Luzio, Gerald Assamoah, Zé Roberto und Lukas Podolski ständen zu ihrem Glauben an Gott als Quelle des Erfolgs. Das Kreuz auf dem Fußball und die Aufschrift „Ich glaub’ dran!“ An wen oder was wird denn da geglaubt? 2 000 evangelische Kirchengemeinden sollen sich in besonderer Weise der Fußball-WM nähern, wenn auch nicht alle die Großbildleinwand vor den Altar stellen, wie dies in einer Hamburger Kirche geschieht. Der Pastor: „Wir holen den Fußball in die Kirche, auch wenn das nicht allen Leuten gefällt.“

Dabei hatte Karl Barth, der Ober-Theologe und geistiger Vater vieler Theologen, noch den Fußball zu den „herrenlos gewordenen Erdgeistern“ gezählt und davor gewarnt, streng wie seine Theologie war. Aber das alles ist schon längst gebröckelt, seitdem Hermann Zimmermann in seiner Reportage 1954, Deutschland wurde Fußball-Weltmeister, nach einer Glanzleistung des Torhüters Turek ausrief: „Toni, du bist ein Fußballgott!“ Der römische Kaiser Konstantin der Große besiegte 321 in der Schlacht am Tiber seinen Rivalen Maxentius dadurch, dass er seinen Soldaten – damals noch weitgehend Heiden – das Christus-Monogramm auf die Schilde und Standarten pinseln ließ. Eine Erscheinung am Himmel mit „In diesem Zeichen siege!“ soll ihm den Erfolg versprechenden Tipp gegeben haben.

Das wäre ja auch noch etwas für die WM: Auf den Trikots zusätzlich zur gewerblichen Reklame oder stattdessen „Ich glaube’ daran“ mit dem Kreuz – der Leipziger Verlag könnte damit noch Geld machen… Matthias Drobinski meinte in der Süddeutschen Zeitung „Der Fußball ist Europas erfolgreichste Zivilreligion.“ Dem kann ich nur zustimmen. Es zeigt sich einmal mehr, auf welch problematischem Weg unsere Volkskirchen sind, ohne jede kritische Begleitung durch eine Theologie, die diesen Namen verdient. Zu Weihnachten, inzwischen zum Hochfest der Zivilreligion geworden, weil das Kirchenvolk „Ochs und Esel“ in schönen Krippenspielen mehr als die Verkündigung der Erlösung durch die Geburt des göttlichen Erlösers haben will, und jetzt religiös verklärte Fußball-Tore, bei denen die Quelle des Erfolgs der Glaube an Gott ist – der dadurch doch zum Fußball-Gott wird? Damit kein Missverständnis entsteht: Ich liebe Fußball, sehe möglichst viel WM-Spiele – aber nicht in einer Kirche oder in einem Gemeindehaus. Fußball ist für mich keine religiöse Ersatzhandlung.
Pfr. i.R. Wilhelm Drühe, Mettmann, 16. 05. 2006

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Predigen im Medienzeitalter – aber wie?

Ein Kommentar von Wilhelm Drühe

Nun predige ich fast fünfzig Jahre, habe es gelernt während meines Studiums auf der Universität und im Predigerseminar. Und ich habe gerne gepredigt. Jetzt predige ich einmal im Monat in dem Gemeindezentrum am Düsseldorfer Stadtrand, das zu meinem früheren Gemeindebezirk als Soldatenpfarrer gehörte. Seit einigen Jahren arbeite ich auch mit in der Lutherischen Predigtwerkstatt – meine Hauptaufgabe war und ist das Predigen auf einem langen Weg als Landpastor in Holstein, als Pfarrer in Düsseldorf und später in einer kreiskirchlichen Pfarrstelle mit vielen Predigtvertretungen in den Gemeinden unseres Kirchenkreises. Zahlreiche Morgenandachten und kirchliche Sendungen (WDR und DLF) haben diese Tätigkeit ergänzt – und ich habe mich dadurch auch der offiziellen Beurteilung durch andere gestellt, was ja sonst bei der Gemeindepredigt nicht unbedingt der Fall ist.

Aber muss ich das Predigen jetzt neu lernen?

Von einer Akademie-Tagung in Bonn sind nun ganz andere Anforderungen an das gegenwärtigen Predigen zu hören. Meine Predigt sollte so unterhaltsam sein wie die Fernsehshow „Wetten daß?“, sollte mit Schlagzeilen neugierig machten wie die „tagesthemen“ und so spannend sein wie ein „Tatort“-Krimi. Diese Meinung vertrat der evangelische Beauftragte für das DeutschlandRadio und die Deutsche Welle, Pfarrer Klaus Möllering (Berlin). Und weiter: Von der „Sendung mit der Maus“ könnten Prediger lernen, auf einfache Art Wissen zu vermitteln. „Was ist eine gute Predigt?“ war das Thema der Tagung, die interessanterweise in Zusammenarbeit mit dem Verlag für die Deutsche Wirtschaft (Bonn) durchgeführt wurde. Dieser Verlag vergibt seit 1999 jährlich einen ökumenischen „Predigtpreis“. Auf der Tagung gab es aber auch andere Meinungen, so von Joachim Frank, stellvertretender Chefredakteur des Kölner Stadtanzeigers und katholischer Theologe. Er warnte Pfarrer davor, sich mit Fernseh- oder Radiomoderatoren zu vergleichen. „Gegen die mediale Kompetenz von Thomas Gottschalk kommen Prediger nicht an. Sie sollten stattdessen auf eine sinnliche Liturgie setzen.“ Was ist das nun wieder? Nach Frank soll in den Predigten etwas Neues erzählt werden, sie sollen anstößig sein und sich in einem Satz zusammenfassen lassen.

Denken wir Prediger zu kurz und reden zu lang?

Da gibt es auch einen Verband der Redenschreiber deutscher Sprache. Deren Präsident, Thilo von Trotha, äußerte sich zu den Zielen einer Predigt – für mich die wichtigste und entscheidende Frage. Predigt habe die Aufgabe, Menschen zu Gott zu führen und sie bei ihm zu halten. Wir Prediger sollen gründlich nachdenken und dann in kurzen Sätzen und einfachen Worten predigen. „Viele Pfarrer machen es umgekehrt: Sie denken kurz und einfach und reden dann zu lang und zu kompliziert.“

Aussehen und Kleidung sind wichtig.

Pfarrerin Barbara Manterfeld-Wormit aus Berlin ist Sprecherin der ARD-Sendung „Wort zum Sonntag“ und erhielt den „Predigtpreis 2001“. Das war schon steil, was sie von meiner Predigt verlangt: Sie müsse Menschen aus den Kirchenbänken reißen. Dafür müsse der Prediger selbst an seine Predigt glauben und sie mit Leidenschaft verkündigen. Es käme daneben auch darauf an, was ein Prediger anzieht und wie er aussieht. „Das Auge isst mit – auch bei der Predigt.“

Wie gut ist eine Predigt?

Ich komme zum Schluss wieder mit meinem alten Lieblingsspruch von einem Professor der Universität Bonn. „Wer nicht genau weiß, wohin er will, braucht sich nicht zu wundern, wenn er ganz woanders ankommt.“ Sicher ist man mit 74 Jahren kaum noch bereit und auch fähig, grundlegende Veränderungen vorzunehmen – auch nicht beim Predigen als hauptsächliche Berufstätigkeit. Da treten nun die bedeutenden Medienfachleute unserer Kirche auf und erteilen kluge Ratschläge – mit dem Unterton, dass die meisten Prediger in Deutschland fast alles falsch machen, wenn sie sonntags auf der Kanzel stehen. Ich bezweifele einfach, nachdem was ich über diese Tagung gelesen habe – idea (Wetzlar) brachte den Bericht -, dass sie die fachliche Kompetenz haben und beurteilen können, was eine gute Predigt ist. Gut in der Medienwelt, aus der sie kommen, muss nicht gut sein für die Gemeinde, in der wir Prediger Gottes Botschaft weitersagen. Gibt es auch so etwas wie die Arroganz der Macht der kirchlichen Medienleute? Hoffentlich lassen sich nicht zu viele Prediger verunsichern…
Pfr. i.R. Wilhelm Drühe, Mettmann, 07. 05. 2006

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Christentum als Religion ist das Ende des Evangeliums

Wilhelm Drühe

In der Gegenwart werden als Religionen nebeneinander gestellt das Judentum, das Christentum und der Islam. Und um das zu unterstreichen, werden gemeinsame Gottesdienste gefeiert, weil man denselben Gott verehre – nur auf verschiedenen Wegen und mit unterschiedlichen Vorstellungen. In jeder der drei genannten Religionen neigt man natürlich dazu, die eigene Religion als die richtige anzusehen und auszugeben. Dürfen Christen sich daran beteiligen – oder geben sie damit nicht das Herzstück des christlichen Glaubens auf ?

Das nämlich ist die Erlösung durch den Sohn Gottes, Jesus Christus, und zwar durch seinen Tod am Kreuz. Paulus, der Organisator der ersten christlichen Gemeinden, schrieb in seinem 1. Brief an die Gemeinde in Korinth: „Weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, Gott durch ihre Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die daran glauben. Denn die Juden fordern Zeichen, und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit, denen aber die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ (1, 18ff).

Grundsätzlich anders

Gottes Wirken durch seinen Sohn ist etwas grundsätzlich Anderes als das, was in den Religionen der Welt geschieht. Sie vollziehen sich im Kult, in der Verehrung eines höheren Wesens, Gott genannt. Der Sohn Gottes aber tritt mit dem Anspruch auf, dass er der einzig legitime und mögliche Zugang zu Gott, dem Vater aller Menschen, ist: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. Wenn ihr mich erkannt habt, so werdet ihr auch meinen Vater erkennen“ (Johannes 14, 6). Schließlich ist da auch sein Auftrag an Jüngerinnen und Jünger in seiner Nachfolge in seinem Testament vor der Himmelfahrt: „Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Matthäus 28, 19f).

Dieser Auftrag gilt für alle Menschen in allen Religionen. Es kann nicht eine Religion unter anderen diesen Anspruch erheben. Das ist nur in einem religionslosen Christentum möglich, das die Religionen transzendiert. In der Begegnung zwischen Jesus und der Samariterin am Jakobs Brunnen in Sychar wird Jesus von der Frau gefragt, wo man Gott anbeten soll – auf dem heiligen Berg der Samariter, dem Garizim, oder in Jerusalem, dem heiligen Berg der Juden. Beide Berge hatten einen Tempel, ein Heiligtum mit dem Anspruch der eigenen Religion. Die Antwort Jesu: „Es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet… Es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben“ (Johannes 4, 21 ff) – also eine klare Absage an Religionen mit Tempel und Tempel-Gottesdiensten. Im Christentum müsste deshalb dringend Abschied genommen werden von der Vorstellung, dass alle Religionen sich an denselben Gott wenden.

Interessant finde ich einen Hinweis, den der Berliner Bischof Wolfgang Huber in seinem Buch „Kirche in der Zeitenwende“ (1998) gegeben hat, wie das Herzstück des christlichen Glaubens in den evangelischen Kirchen in Deutschland aufgegeben wird: „In vielen Gottesdiensten und Predigten bildet nicht so sehr die Menschwerdung Gottes in dem Menschen Jesus von Nazareth, sondern der ständig überfordernde Appell an die Nachfolgebereitschaft der Menschen das Schlüsselthema.“ Es geht also um die Disziplinierung in einer Religions-Gemeinschaft! Der Ruf in die Nachfolge war in der Jesus-Bewegung bezogen auf Jesus Christus, in der Kirchen-Religion ist er stärker ausgerichtet auf das Mitglieder-Verhalten (vgl. die Kirchengebote der katholischen Kirche und evangelische Gemeinde-Zucht früherer Zeiten – und heute?).

Der Sündenfall der Kirchengeschichte

Aus der Kirchen-Geschichte wissen wir, wann diese verhängnisvolle Entwicklung begann, wann die Jesus-Bewegung immer mehr zu einer Kirchen-Religion umgeformt wurde. Es waren die römischen Kaiser Theodosius der Große (379 – 395) und Gratianus (375 – 383), die durch ihr Religionsedikt am 28. Februar 380 etwas angerichtet haben, was die christlichen Großkirchen bis auf den heutigen Tag bestimmt und belastet: Das Christentum wurde durch staatliche Bestimmung zu einer Religion unter anderen Welt-Religionen gemacht. Der römische Staat instrumentalisierte den christlichen Glauben und die Kirche zu seinen staatlichen Zwecken. Dazu ein Beispiel: Vor der Konstantinischen Religionswende wurden Christen in Rom, die Militärdienst ausübten, von der Eucharistie ausgeschlossen, nach der Wende die Kriegsdienstverweigerer. Damals erfolgte der entscheidende und bis in die Gegenwart nachwirkende Wendepunkt in der Geschichte des Christentums, eingeleitet durch die römischen Kaiser Konstantin und Licinius seit 313, dem so genannten Edikt von Mailand. „Die schon seit den Anfängen der christlichen Religionsgeschichte zu beachtende Verschmelzung des Christentums mit der antiken Kultur und Religion erfuhr eine weitere Steigerung. Kulturgeschichtlich gesehen, erhob sich nun eine Gestaltung der Dinge, die man als christianisierte Antike bezeichnen kann“ (Karl Heussi).

Die Jesus-Bewegung, dokumentiert in den vier Evangelien, war im Judentum entstanden, ganz in der Tradition der Propheten des Alten Testaments, die scharfe Kritiker des Judentums als etablierte Religion waren – zum Teil aber auch diese jüdische Religion gefördert haben. Jetzt wurde im römischen Reich das, was mit Jesus von Nazareth begonnen hatte, über die Staatskirche zur Staatsreligion. Der zugrundegehende römische Staat benötigte eine Nachfolge-Religion. Im Streit mit seinem Rivalen Maxentius setzte Konstantin in der Schlacht an der Milvischen Brücke vor Rom zum ersten Male das Christus-Zeichen ein – und siegte (am 28. Oktober 312 erschien nach der Legende am Himmel „In diesem Zeichen siege“!).

Gescheiterte Reformen

Was die damals noch heidnischen Herrscher Roms eingeführt haben, davon hat sich das Christentum nie mehr erholt, obwohl es zahlreiche Reform-Versuche im Laufe der Kirchengeschichte gegeben hat. Sie scheiterten letztlich am Anspruch der römischen Papstkirche, Kirche im unmittelbaren Auftrag Gottes zu sein, damit eine religio perfecta wie eine societas perfecta zu sein. Sie entwickelte im Laufe ihrer Geschichte alle Merkmale, die zu einer Verehrung eines höheren Wesens, Gott genannt, gehören, einschließlich einer Hierarchie der Religions-Diener mit religiösen Riten und Gesetzen. Sie war und blieb das, was schon Cicero (106 – 43) als Wesen der Religion nach heidnischem Verständnis der Antike bestimmt hatte. Er ordnet „religio“ dem Verb „relegere“ zu (= sorgsam beachten, berücksichtigen) und bestimmt dementsprechend Religion als die sorgfältige Beachtung alles dessen, was zum Kult der Götter gehört (religio id est cultus deorum – die sorgfältige Beachtung dessen, was zur Verehrung der Götter gehört. Cicero in seiner Schrift: De natura deorum). Religion ist also primär das, was vom Menschen und seinen Religionsvorstellungen ausgeht. Zugespitzt: Religion ist Kult und damit Menschenwerk.

Einen entscheidenden Versuch, den christlichen Glauben aus diesem Religions-Verständnis herauszulösen, unternahm Martin Luther mit den anderen Reformatoren im 16. Jahrhundert – und ist in dieser Hinsicht gescheitert. Die Landesfürsten und Stadtregierungen trennten sich zwar von der römischen Kirche als beherrschende Institution, führten aber die so genannten evangelischen Bestrebungen, zielend auf eine Gemeindereform (Martin Luther im Jahre 1523 „Daß eine christliche Versammlung oder Gemeine Recht und Macht habe, alle Lehre zu urteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen. Grund und Ursach aus der Schrift.“) in landeskirchlichen Staatskirchen weiter. Aus der Gemeindereformation wurde eine Fürstenreformation, Fürsten übernahmen die kirchliche Macht, damit auch die religiöse Macht, die schließlich die Politik und das Soziale bestimmte. So wiederholte sich auf anderer Ebene das, was durch die oben erwähnten römischen Kaiser geschehen war: ein Bündnis von Thron und Altar. Die babylonische Gefangenschaft der Kirche – so die Schrift Martin Luthers aus dem Jahre 1520 – wurde unter veränderten Vorzeichen in den evangelischen Landeskirchen bis in die Gegenwart weitergeführt.

Am 5. März 1998 hielt der Berliner Bischof, Professor Dr. Wolfgang Huber, in der Evangelischen Akademie in Mülheim an der Ruhr einen Vortrag über die „Offene und öffentliche Kirche“. Darin sagte er, dass die äußeren Voraussetzungen für eine enge Verbindung zwischen Staat und Kirche in Deutschland im Jahr 1918 zwar entfallen seien. Aber die dadurch eingeleitete Veränderung sei von den Kirchen nur zögernd begriffen und verarbeitet worden. Nach wie vor erscheint die Kirche vielen als „Fortsetzung des Staates mit religiösen Mitteln“ (Chr. Schwöbel). Wolfgang Huber: „Die staatsanaloge Vorstellung von der Volkskirche fügt aber der Aufgabe, Kirche für das Volk zu sein, je länger desto deutlicher schweren Schaden zu.“ Das gilt auch für eine Kirchen-Religion! Der schwerste Schaden in dieser Entwicklung ist sicher in der Gegenwart die civil religion – die bürgerliche Religion - , die immer mehr heute die Volkskirche in ihrer Wirksamkeit bestimmt, wie der Lutherische Weltbund in zahlreichen Untersuchungen festgestellt hat. Nur eine Kirchen-Religion, die sich vom Evangelium der Jesus-Bewegung entfernt hat, konnte zur Agentur der civil religion werden, in der es mehr um die Bürger-Bedürfnisse als um Gottes Ansprüche geht.

Nicht Religion, sondern Heilsgemeinschaft

Was in der Heiligen Schrift von der Jesus-Bewegung dokumentiert ist, kann eine Kirchen-Religion nicht durch- und aushalten, weil sie von ganz anderen religiösen Interessen bestimmt ist. Der Schwerpunkt der Jesus-Bewegung war die persönliche Beziehung zu Jesus, dem Heiland. In der Kirchen-Religion geht es mehr um die Kirchen-Mitgliedschaft. Deshalb müssen zum Beispiel viele Aussagen Jesu umgedeutet oder ganz entfernt werden – meistens mit der Begründung: Nicht mehr zeitgemäß!

Grundsätzlich muss heute wieder gelten: Das Christentum ist keine Religion, die den Menschen Sinn vermittelt, die Welt erklärt und deutet, die Menschen zur Erfüllung religiöser Pflichten anhält. Von Gott, dem Vater, geschieht durch seinen Sohn Jesus Christus Erlösung und Heil – durch dessen Tod am Kreuz. Mit dem Kreuz ist keine Religion möglich, sondern nur eine Heilsgemeinschaft unter denen, die daran glauben.


Pfr. i.R. Wilhelm Drühe, Mettmann, 06. 03. 2006



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Die Wahrheit des Kreuzes

Gedanken zur Passionszeit
Reiner Vogels


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Kein Kampf der Kulturen

Reiner Vogels

Als Samuel Huntington 1993 vom "Clash of Civilizations" - vom "Kampf der Kulturen" geschrieben hat, war die Aufregung groß. Praktisch alle Politiker und Meinungspäpste des Westens haben vor einem solchen Kampf gewarnt und ein friedliches und tolerantes Miteinander von Islam und westlicher Welt beschworen. Sie haben sich damit insgesamt als Anhänger der islamfreundlichen Vernunftreligion Lessings und seines Nathan erwiesen.

In den christlichen Kirchen hat es eine gespaltene Reaktion gegeben: Während Kirchenleitungen und Bischöfe vor allem in der evangelischen Kirche wie so oft einfach nur die von Politik und Medien vorgegebenen Meinungen wiedergespiegelt haben, haben viele Christen an der Basis das Thema weitgehend ignoriert und statt dessen auf die geistliche und theologische Auseinandersetzung mit der Religion des Islam gesetzt. Sie haben gewußt, daß das Christentum keine Kultur ist, sondern das Evangelium von der Erlösung der verlorenen Menschheit, das in allen Kulturen verkündigt werden muß und das allen menschlichen Kulturen gegenübersteht.

Heute, angesichts des Karikaturenstreites und der gewalttätigen Moslemdemonstrationen und vor allem nach den beschwichtigenden und defensiven Reaktionen der publizistischen und politischen Meinungsführer in Deutschland, läßt sich feststellen, daß es in der Tat keinen Kampf der Kulturen geben wird. Dazu müßten ja beide Seiten zum Kampf bereit sein. Genau dies jedoch ist im Westen nicht zu erkennen. Zwar wird formal und leerformelhaft die Pressefreiheit beschworen, gleichzeitig aber wird immer nachdrücklicher auf die Verantwortung der Medien hingewiesen, was im Klartext heißt, daß man doch tunlichst alles vermeiden soll, was gläubige Moslems provozieren und ärgern könnte. Das Netz der Scharia legt sich Schritt für Schritt über Zeitungen und Fernsehkanäle des Westens, und die Zensurschere in den Köpfen der politischen Redakteure arbeitet schon heute sehr effektiv, lange bevor die Scharia offiziell geltendes Recht geworden ist. Luthers häufig kritisiertes Wort von der "Hure" Vernunft erhält durch die das Verhalten westlicher Vernunftgläubiger in Politik und Medien eine aktuelle Rechtfertigung: Die Vernunft hat keine eigene Substanz, kein eigenes Stehvermögen und keinen eigenen Halt. Die Vernunft wird sich früher oder später mit jedem zusammentun und das Lied dessen singen, der die Macht hat.

Nein, es wird in Europa keinen Kampf der Kulturen geben, weil die Vertreter der westlichen Kultur kampflos klein beigeben werden. Am Ende werden es die Vernunftgläubigen sogar noch als einen Beleg für die "Toleranz" des Islam preisen, daß unter der Herrschaft des Islam wie einst in Granada den Juden und den Christen ein Existenzrecht als "Schutzbefohlenen", also als Bürgern zweiter Klasse, zugestanden wird.

Wir Christen müssen daher erkennen, worum wirklich der Kampf geführt werden wird und geführt werden muß. Unser Kampf ist der geistliche Kampf um die Wahrheit des Kreuzes. Wir Christen haben nicht die Aufgabe, der westlichen Welt und ihren Werten, zu denen bekanntlich auch das "Recht" auf freie Abtreibung, auf Homoehe und öffentliche Pornographie und im Wirtschaftsleben das Recht des Stärkeren gehört, ideologisch zu untermauern, sondern wir haben die Aufgabe, allen Menschen, also auch Moslems und Juden, das Kreuz Jesu Christi als Rettung von ihren Sünden und als Tor zur Erlösung zur verkündigen. Ohne Christi Sühnetod wären alle Menschen verloren, wer aber gerettet und erlöst werden will, der muß die Gnade unseres Herrn annehmen. Nur Heuchler und Hochmütige glauben, auf das Kreuz Christi verzichten zu können. Denn nur Heuchler und Hochmütige können behaupten, sie brauchten keine Vergebung der Sünden.

Reiner Vogels, 16.02. 2006


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Religion des Friedens

Oder: Nicht mit menschlicher Gewalt, sondern durch das Wort (Augsburgische Konfession)
Reiner Vogels

Als Religion des Friedens hat der neue Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Dr. Ayyub Axel Köhler, im Blick auf den aktuellen Karikaturenstreit den Islam bezeichnet. Gut, daß es derartige Stimmen im Islam gibt. Zu fragen ist allerdings, ob der Islam tatsächlich das Gütezeichen "Religion des Friedens" verdient hat. Zweifel mögen manchem kommen, wenn er sieht, daß in unseren Tagen ungezählte gläubige Moslems unter Berufung auf den Islam gewalttätig gegen westliche Einrichtungen vorgehen.

Solche Zweifel allerdings treffen nicht den Kern der Sache. Wenn es Menschen gibt, die im Namen einer Religion gewalttätig agieren, so heißt das noch nicht, daß die Religion ihre Gewalttigkeit rechtfertigt. Möglicherweise berufen sich diese Menschen fälschlicherweise auf die Religion, obwohl diese eigentlich eine Religion des Friedens ist. So etwas ist bekanntlich auch in der Geschichte des Christentums vorgekommen. Zweifel daran, daß der Islam eine Religion des Friedens sei, können sich nun allerdings nicht nur auf die gewalttätigen Massendemonstrationen unserer Tage stützen, sondern auch auf die entscheidenden Bekenntnisgrundlagen der Religion des Islam.

Da ist an erster Stelle Mohammed selbst zu nennen, der allen gläubigen Moslems ein Vorbild ist. Mohammed hat bekanntlich zumindest in seiner Zeit in Medina sehr wohl mit der Waffe in der Hand und keineswegs nur mit friedlichen Mitteln für die Ausbreitung seiner Religion gekämpft. Und der Friede, den er den Mekkanern dann gebracht hat, war der "Friede" der militärischen Unterwerfung.

An zweiter Stelle ist dann aber auch die Tatsache in Erinnerung zu rufen, daß die Urkunden des Islam von der grundsätzlichen Einheit von Religion und Politik bzw. von Glaube und Staat ausgehen. Die gerade in der lutherischen Theologie betonte Trennung der beiden Reiche ist den heiligen Schriften des Islam fremd. Nun führt die Vermischung der beiden Reiche, das heißt die Verschmelzung von Staat und Religion, notwendigerweise dazu, daß die Gewaltmittel des Staates auch für Zwecke der Religion eingesetzt werden. Der Friede, den der Islam auf diese Weise erreicht, wird immer ein "Friede" unter der Herrschaft des Islam sein. Ob man dies wirklich als Friede bezeichnen kann und ob eine Religion, die das zum Ziel hat, das Güteurteil "Religion des Friedens" verdient hat, ist doch sehr fraglich.

Eine Religion des Friedens kann in Wahrheit nur eine solche Religion sein, die grundsätzlich auf die Gewaltmittel des Staates zur Ausbreitung ihres Glaubens verzichtet. Genau dies hat die christliche Religion getan. Für uns lutherische Christen ist in diesem Zusammenhang der Grundsatz aus der Augsburgischen Konfession, Art. 28, "sine vi humana, sed verbo" - "ohne menschliche Gewalt, sondern durch das Wort" entscheidend. Unser Glaube hat also die Friedenspflicht ausdrücklich in seinen Bekenntnissen niedergelegt. Deshalb kann er mit Fug und Recht tatsächlich als Religion des Friedens bezeichnet werden.

Es ist zu wünschen, daß der Zentralrat der Muslime in Deutschland seinen Friedenskurs in Sinne einer Unterscheidung von staatlicher Gewalt und friedlicher Glaubensausübung präzisiert. Wenn diese Unterscheidung wirklich eines Tages einmal vom Konsens der Muslime in der Welt angenommen würde, dann erst könnte man von Islam als einer Religion des Friedens sprechen. Bis dahin ist es wohl aber leider noch ein weiter Weg.

Reiner Vogels, 8.02. 2006


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Nackte auf Altären

Weshalb wundern wir uns über den Umgang der Muslime mit der Blasphemie?
Wilhelm Drühe

Wir sind aufgeklärt, wir schätzen die Pressefreiheit und die Freiheit der Kunst sehr hoch, wir haben ein anderes Verhältnis zu Blasphemie und Gotteslästerung – und überhaupt: die Muslime sind einfach noch nicht so weit entwickelt, wenn es um Religion geht. Außerdem sind sie aufgehetzt worden… Hängt die Toleranz ab von dem eigenen Verständnis eines Sachverhaltes – oder müsste man nicht auf den anderen Rücksicht nehmen, auch wenn er auf einem anderen Bewusstseins-Stand ist?

Heute habe ich in einem Artikel einer großen Tageszeitung (SZ 4. Februar 2006 – „Nackte auf den Altären“) , der sich mit dieser Frage beschäftigt, eine Liste von Veröffentlichungen in den Medien gefunden, die inzwischen von uns mehr oder weniger hingenommen werden… Das ist unser Entwicklungsstand, wenn es um christliche Religion und um die Achtung vor den religiösen Empfindungen anderer Menschen geht:
Wenn ich mich recht erinnere, gab es in evangelischen Kirchen hinter einer Leinwand Darstellungen von Geschlechtsverkehr in einer Theater-Vorstellung.

Was lassen wir Christen uns noch alles gefallen? Was ist uns verloren gegangen, wenn es um Glauben und Religion geht? Das Verhalten von Muslimen macht mich nachdenklich – weniger die politische, mehr die religiöse Seite.

Wilhelm Drühe, 4.02. 2006


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Was wäre, wenn… der Kölner Stadtsuperintendent im Kölner Dom den Sonntagsgottesdienste hielte?

Quergedachtes von Wilhelm Drühe

Am 14. Januar 1477 wurde Hermann von Wied aus dem alten Grafengeschlecht derer von Wied geboren. Mit 38 Jahren wurde er zum Erzbischof von Köln gewählt und war Kurfürst. In Deutschland begannen die Reformationswirren – Erzbischof Hermann schlug zu. Ab 1520 bekämpfte er die Reformation, 1529 ließ er Adolf Clarenbach und Peter Fliesteden, zwei Lehrer aus Köln, als Ketzer hinrichten. Die ersten Märtyrer der Reformation in Deutschland! Das Rheinland sollte nicht evangelisch werden…

Aber dann waren die Ausschweifungen in der Kirche ihm doch ein Gräuel. Er berief 1536 eine Synode ein. Es ging um den unchristlichen und verlotterten Lebenswandel der Geistlichen und die Verbesserung der Verkündigung. Der Erzbischof fing an, mit der Lehre Martin Luthers zu sympathisieren, zunächst insgeheim, dann holte er Martin Bucer (1536) und sogar Philipp Melanchthon (1543) nach Köln. Für die Grundlage einer Reformation im Erzbistum Köln verfassten beide die im Namen des Erzbischofs erschienene Schrift Einfältiges Bedenken. Vom Domkapitel und der Stadt Köln, die katholisch bleiben wollten, kam starker Widerstand. Papst Paul III. exkommunizierte auf Veranlassung von Kaiser Karl V. Hermann von Wied, der sich aber weigerte, die päpstliche Verfügung zu akzeptieren. 1547 wurde ein neuer Erzbischof für Köln vom Papst ernannt. Wegen eines drohenden Volksaufstandes zu Hermanns Gunsten (!) dankte er ab und zog sich auf die Burg Wied zurück, wo er die Reformation einführte. Er soll intellektuell eher schwach gewesen sein, aber fromm – ein willfähriger Statthalter einflussreicher Kreise.

Was wäre aus dem Rheinland geworden, wenn sich die Reformation durchgesetzt hätte? Unsere evangelischen Gottesdienste mit dem Stadtsuperintendenten im Kölner Dom? Was hätten wir mit dem Schrein der „Heiligen Drei Könige“ gemacht? Damals ging es nicht nur um den christlichen Glauben, um „Gesetz und Evangelium“, um das „was Christum treibet“. Und die Kirche Jesu Christi war zum Spielball der politischen Mächte geworden. Was wäre, wenn…

Wilhelm Drühe, 14.01. 2006


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Gutes neues Jahr!

Reiner Vogels

Unzählige Male wünschen in diesen Tagen Menschen einander ein gutes neues Jahr. Man denkt dabei an Gesundheit, Friede und Harmonie in der Familie, Erfolg im Beruf und dergleichen. All dies ist nicht falsch, und selbstverständlich wünsche auch ich Ihnen, unseren Lesern, und allen Menschen, denen in in diesen Tagen begegne, ein gutes neus Jahr.

Allerdings meine ich, daß wir Christen über das, was ein gutes neues Jahr ist, noch mehr zu sagen haben als andere Menschen. Gut kann das Jahr für uns und im übrigen für jeden Menschen auf dieser Erde doch nur sein, wenn wir im Frieden mit Gott leben. Gut wird das neue Jahr, wenn wir zunehmen an Weisheit, Nächstenliebe und Erkenntnis des Herrn. Gut wird das Jahr, wenn unser Glaube wächst und mit dem Glauben unsere Freude über die künftige Erlösung. Und genau in diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein gutes neues Jahr!

Manche lächeln über den Brauch, daß Menschen mit guten Vorsätzen ins neue Jahr gehen. Ich denke, dieser Spott ist unberechtigt. Warum soll sich nicht jemand vornehmen, im neuen Jahr z.B. das Rauchen aufzugeben oder das Trinken, selbst wenn es in vielen Fällen bei den guten Vorsätzen bleiben mag? Ich denke, auch wir Christen sollten mit guten Vorsätzen in das neue Jahr gehen. Ich denke, die folgenden guten Vorsätze stehen jedem von uns gut an:


Auch wenn uns dies alles nicht und schon gar nicht vollständig gelingen mag, ein Stück weit können wir im neuen Jahr vielleicht doch kommen. Und ganz gewiß werden wir dann unseren Teil dazu beitragen, daß das neue Jahr für uns und für die Menschen, die um uns sind, ein gutes wird.

Reiner Vogels, 01.01. 2006


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Gott global – auch im Jahre 2006

Wilhelm Drühe zur Jahreslosung 2006

Es war eine historische Situation, als dieser Satz gesprochen worden ist: „Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht.“ Gott gab Josua damit zu Zusage, dass er bei ihm, mit ihm sein wird, dass Josua sich auf ihn verlassen kann. Nach dem Tode des Mose sollte er das von Gott auserwählte Volk in das Land der Verheißung führen. Wir können uns vorstellen, dass die Eroberung des Landes Kanaan für Josua eine Herausforderung war. Aber er konnte sich auf diesen Gott verlassen. Gott hatte ihm diesen Auftrag erteilt. „Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht“ – von Gott gesprochen in einer einmaligen Situation der Welt- und Heilsgeschichte. In dem Land der Verheißung sollte Jahrhunderte später der Messias geboren werden, geboren in dem Volk, das Josua jetzt weiterführen sollte. Alles, was wir heute in dem Buch Gottes lesen, hat eine globale Dimension. So gilt dieser Satz nicht nur Josua, sondern allen Menschen – zunächst in diesem Volk, dann allen, die auf dieser Erde geboren werden. Der Satz ist auch zu uns gesprochen, zu einem jeden von uns – aber wir müssen ihn auch hören. Wie viele Menschen haben ihn in der Vergangenheit nie gehört, nie erfahren, dass es einen Gott gibt, der diese Zusage macht? Und wie ist es in der Gegenwart? Josua erneuerte damals den Bund mit Gott. Das war eine Antwort auf die Zusage Gottes.

Welche Rolle spielt der Bund heute für uns – der „alte“ und der „neue“, in den wir hineingestellt sind durch Jesus Christus, den Sohn Gottes, durch den Gott wieder und abschließend gesprochen hat – wie damals in der ersten Zeit zu Josua, später durch die Propheten als seine Boten (Hebräer 1,1)? Müssten wir das nicht den Menschen unserer Zeit sagen – das mit der Zusage Gottes und mit dem Bund, in dem wir stehen? Ist das nicht auch eine Konsequenz aus der Jahreslosung 2006? Wir machen es uns zu einfach, wenn wir das nur als Zuwendung Gottes an uns selbst verstehen. Dass das Jahr 2006 vielleicht doch mehr ein Jahr und ein Arbeitsabschnitt mit der Sendung, früher sprach man von Mission, wird – heute ein Fremdwort in der Kirche? Die Jahreslosung könnte für uns zu einem Programm werden.

Wilhelm Drühe, 01.01. 2006