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Zur Debatte um die Kuppelinschrift im Berliner Stadtschloss

Eine Mahnung an die Mächtigen in Staat und Kirche



In den letzten Wochen und Monaten gab es Diskussionen zum Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, der Residenz der preußischen Könige im Zentrum von Berlin an der Prachtstraße „Unter den Linden“ gegenüber dem Berliner Dom (der später gebaut wurde) am Ufer der Spree gelegen und von dem berühmten Architekten Schinkel erbaut. Es ging dabei u.a. auch um die Inschrift, die innen umlaufend in der Kuppel angebracht ist.

„Es ist kein ander Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, dass im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind“.

Diese Inschrift wurde auf Wunsch des preußischen Königs Friedrich-Wilhelm IV. um 1850 angebracht und ist eine Kombination der beiden Schriftworte aus Apostelgeschichte 4, 12 (siehe unten Anm. 1) und Philipper 2, 8-11 (siehe unten Anm. 2).

Die Diskussion darüber, ob man diese Inschrift in goldenen Lettern wieder dort anbringen soll, hat mir gezeigt, wie schwer ds die Kirche heute hat, mit ihrer Sicht durchzudringen.

Auf der einen Seite standen der Berliner Kultursenator Klaus Lederer von der „Linkspartei“. Er kritisierte, dass die Kuppelinschrift einen Herrschaftsanspruch des preußischen Königs als Weltmacht begründen sollte. Dies könne man heute so nicht stehen lassen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der preußische König die Herrschaft von Jesus Christus, vor der sich aller Menschen Knie beugen sollen, und die Herrschaft des preußischen Königs in eins gesetzt hat und dies in biblisch-theologischer Sicht problematisch ist.

Auf der anderen Seite der Denkmalschutz, der keine Kompromisse bei der originalgetreuen Wiederherstellung des Berliner Stadtschlosses eingehen wollte. Letztlich hat sich der Denkmalschutz durchgesetzt und die Inschrift wurde wieder angebracht.

Für die Kirche kann die Diskussion nicht befriedigend sein. Denn keiner hat danach gefragt, worin der ursprüngliche Sinn dieser beiden Schriftworte besteht. Aber es lohnt sich danach zu fragen. Denn sie haben nichts mit der problematischen Intention des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. zu tun. Es sind sich heute alle einig, dass es eine problematische Intention war.

Das Wort aus Apostelgeschichte 4, 12 wird von Petrus in einer Situation der Bedrängung der urchristlichen Gemeinde durch die Obrigkeit in Israel gesprochen. Es geht darum, dass die öffentliche Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus unter Strafe verboten wurde. Als sich Petrus und die Apostel vor dem hohen Rat für die Predigt des Evangeliums verantworten müssen, bekennen Sie: „Und in keinem andern ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir selig werden.“

Es geht hier also um die Begrenzung des Machtanspruches von staatlichen und religiösen Instanzen in Fragen des Heils.

Der Apostel Paulus bekennt im 2. Kapitel des Briefes an die Philipper seinen Glauben mit den Worten eines urchristlichen Hymnus, der den Weg von Jesus Christus zum Kreuz als Weg der Erniedrigung besingt. Vor diesem Jesus Christus, der sich erniedrigt hat und ohnmächtig am Kreuz gestorben ist, sollen sich all derer Knie beugen, die im Himmel und auf der Erde und unter der Erde sind. Sein Name ist höher als alle anderen Namen.

Dieses Wort ist in der Liturgie der evangelischen Kirche dem Karfreitag zugeordnet. Es weist uns auf den Gott, der im Stall zu Bethlehem als hilfloses Kind zur Welt kommt, sich im Gehorsam gegenüber Gott seinem Vater selbst erniedrigt und den Weg des Leidens bis ans Kreuz geht. Eine Situation der Ohnmacht. Vor diesem Jesus Christus, in dem sich Gott in aller Hilflosigkeit und Ohnmacht zeigt, sollen sich die Knie aller Menschen beugen, wo immer sie auch sind. Denn in ihm zeigt sich, wie Gott ist. Er ist ein Gott der Liebe, der sich für uns Menschen hingibt.

Dies ist auch der Sinn des Evangeliums von den drei Weisen aus dem Morgenland. Sie kommen von weit her, sind stolze, gelehrte Männer und beugen dennoch ihre Knie vor dem Kind in der Krippe. Damit erkennen sie an, dass Wissenschaft und Philosophie eine Grenze haben. Sie haben ihr Recht in den vorletzten Dingen. Sie können jedoch nicht über Gott verfügen und die letzten Dingen, das Woher und das Wohin des Menschen, mit den Mitteln von Wissenschaft und Vernunft nicht ergründen. Hierbei sind wir ganz und gar auf Gott und sein Wort angewiesen.

Im frühen Mittelalter gab es bekanntlich eine Verfälschung des Evangeliums von den drei Weisen aus dem Morgenland. Aus ihnen wurden drei Könige mit den Namen Caspar, Melchior und Balthasar. Aber diese Verfälschung hat durchaus einen Sinn. Denn sie zeigt, dass nicht allein Wissenschaft und Philosophie, sondern auch die Mächtigen dieser Welt, die die Staatsgewalt ausüben, ihre Knie vor Jesus Christus beugen sollen. Sie tun es wohlgemerkt vor Jesus Christus, nicht vor der Kirche, nicht vor dem König. Denn auch die Kirche und ihre Leitung müssen ihre Knie vor Jesus Christus, dem Kind in der Krippe beugen. Eine wichtige Erkenntnis der Reformation.

Der Auftraggeber der Tafelbilder in der Ev. Kirche zu Mülheim an der Mosel, Freiherr von Strauch aus Lauterecken am Glan, war Teil der kurpfälzischen Obrigkeit. Aber er war zugleich ein frommer Mann, der die Gefahr bei der Machtausübung der Mächtigen in staatlichen Ämtern genau erkannt hat: Sie können ihre Macht missbrauchen und sich über Gott und sein Wort stellen. Darum hat er das Bild „König David kniet vor dem Propheten Nathan“ in Auftrag gegeben. Früher hang es an den Querbänken, den Herrenbänken, in denen die Angehörigen der Obrigkeit saßen. Es ist eine Mahnung an die Staatsmacht, wie David ihre Schuld und ihre Grenzen anzuerkennen, die sich aus Gottes Wort ergibt, und nicht wie König Herodes (auch das wird auf einem Tafelbild in der Ev. Kirche zu Mülheim an der Mosel gezeigt) die Machtmittel missbraucht, um Kritiker zum Schweigen zu bringen. Die Obrigkeit steht unter Gottes Wort und nicht darüber. Aber sie steht nicht unter der Kirche und ihrer Leitung. Denn auch die Kirche ist ihrem Herrn Jesus Christus verantwortlich.

Fazit: Das Wort, das der preußische König Friedrich Wilhelm IV. in goldenen Lettern an der Innenseite der Kuppel des Berliner Stadtschlosses anbringen ließ, ist Gottes Wort, das für uns genauso wie für die, die vor uns waren, und für die, die nach uns kommen werden, Gültigkeit besitzt. Es ist weder ein museales Relikt aus vergangenen Zeiten und auch keine Machtdemonstration eines protestantischen Königtums. Vielmehr leitet es zur Demut gegenüber dem Gott der Liebe an, der ohne Macht, Pracht, Geld und Gut als hilfloses Kind in der Krippe in diese Welt gekommen ist und erniedrigt und ohnmächtig am Kreuz gestorben ist. Vor diesem Gott der Liebe sollen wir unsere Knie beugen. Allein in ihm finden wir das Heil, das keine Macht der Welt herstellen kann. Denn allein durch ihn erlangen wir das ewige Leben, allein durch ihn werden wir am Ende erlöst, wenn die Medizin und alle menschlichen Möglichkeiten an ihre Grenze gekommen sind

Anmerkungen: 1) Apostelgeschichte 4, 12 lautet: Und in keinem andern ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir selig werden.

2) Philipper 2, 8-11 lautet: Er (Jesus) erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.
Pfarrer Thomas Berke, Mülheim an der Mosel und Veldenz



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