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Kirchlicher Auftrag und staatliches Handeln in Zeiten der Pandemie

1. Der Auftrag der christlichen Kirchen ist durch Jesus Christus als den Herrn der Kirche begründet: Das Evangelium zu verkündigen und Menschen zum Vertrauen auf Gott und zu einem Leben aus diesem Glauben einzuladen.

2. Dieser Auftrag gilt zu allen Zeiten, auch in Zeiten von Not und Angst, in Kriegs- und Verfolgungszeiten und in einer Pandemie.

3. Die Verkündigung des Evangeliums geschieht im Wesentlichen im Gottesdienst der versammelten christlichen Gemeinde. Hier werden Menschen gestärkt, gemahnt und getröstet und es wird durch die Austeilung der Sakramente von Taufe und Abendmahl die Gegenwart des lebendigen Gottes zugesprochen.

4. Für schwierige Entscheidungssituationen der Verantwortlichen in den Kirchenleitungen in Zeiten, in denen Angst vor Ansteckungen mit einer gefährlichen Krankheit herrscht, muss man Verständnis haben.

5. Aber Gottesdienste über einen längeren Zeitraum ersatzlos zu streichen und die Kirchen zu schließen, ist grundsätzlich falsch und eine Verleugnung des kirchlichen Auftrags.

6. Videoübertragungen von Predigten und Andachten, die Christen zuhause am Computer anschauen können, sind für die Gesamtheit der christlichen Gemeinde kein Ersatz für den Gottesdienst. Christen, die diese Kommunikationsform nicht nutzen können oder wollen, werden dadurch von der Teilnahme an einem Gottesdienst ausgeschlossen. Dies ist – erst recht für einen längeren Zeitraum - nicht vertretbar und nicht verantwortbar.

7. Online-Gottesdienste im Internet oder Übertragungen im Fernsehen sollten ein ergänzendes Hilfsmittel bleiben und können nicht zur ausschließlichen Art und Weise werden, dem Auftrag der Kirchen nachzukommen.

8. Zu jedem Zeitpunkt der Pandemie gab es Möglichkeiten, verständliche Ängste der Menschen vor einer Ansteckung zu berücksichtigen und dennoch unter Einhaltung notwendiger Hygienemaßnahmen Gottesdienste für eine versammelte Gemeinde durchzuführen.

9. Es ist nicht Auftrag der christlichen Kirchen, alle Beschlüsse von Regierungen unkritisch zu unterstützen.

10. Es ist nicht Auftrag der christlichen Kirchen, die gegenwärtige Impfkampagne der Regierungen als eine Pflicht christlicher Nächstenliebe herauszustellen. Sich impfen zu lassen oder nicht muss eine Gewissensentscheidung bleiben.

11. Christen sind wie alle Staatsbürger dazu aufgerufen, sich zu informieren und sich ein eigenes begründetes Urteil zu bilden. Das Ausüben von Druck und Zwang auf Menschen mit manipulierten Meldungen, halben Wahrheiten, dem Ausblenden von Informationen und dem Schüren von unbegründeten Ängsten darf in den Kirchen keinen Platz haben.

12. Wir erwarten deshalb von allen Verantwortlichen in den Kirchenleitungen, dass rechtzeitig vor der zu erwartenden Zunahme von Infektionskrankheiten im Winterhalbjahr die erarbeiteten Konzepte umgesetzt werden, um die Verkündigung des Wortes Gottes und die Austeilung der Sakramente in den Gottesdiensten der versammelten Gemeinde sicherzustellen. Dem ehemaligen Präses der rheinischen Kirche, Manfred Rekowski, ist zuzustimmen, wenn er feststellt, dass es bei Anwendung der Schutzkonzepte keinen Grund gibt, Präsenzgottesdienste abzusagen.

13. Das „Amen“ in der Kirche muss genauso sicher sein wie das „Amen“ auf einem Bildschirm.
Pfarrer i.R. Wolfgang Sickinger, Mülheim an der Ruhr



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