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Der „evangelische“ Jesus

Wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) den christlichen Glauben entkernt

Wer sich über den christlichen Glauben informieren will und dabei im Internet die EKD anklickt, findet das „Glaubens-ABC“ mit kurzen Artikeln zu zentralen Stichworten (www.ekd.de/Glauben/Glaubens-ABC). Auch zum Stichwort „Jesus“ werden dem Suchenden einige Erkenntnisse aus der Sicht der EKD vermittelt.

Zunächst wird mit Hilfe außerchristlicher Quellen festgehalten, dass Jesus zweifellos gelebt hat. Darüber hinaus werden die biografischen Angaben aber nach der Darstellung der EKD lückenhaft. Für die evangelische Zentrale mit Sitz in Hannover steht erstaunlicherweise fest, dass Jesus „in seiner Heimatstadt Nazareth in Galiläa“ geboren wurde. Die in den Evangelien bei Matthäus und Lukas berichtete Geburt Jesu in Bethlehem müsse als „theologische Ortsangabe“ verstanden werden, es handele sich um eine „Glaubensaussage“ – das bedeutet mit anderen Worten: Sie ist nach der sehr selbstgewissen Meinung der EKD historisch falsch.

Hier schließt sich aber die Frage an: Woher wissen das die verantwortlichen Damen und Herren der EKD so genau, wo Jesus geboren worden ist? Haben sie seine amtlich beglaubigte Geburtsurkunde gefunden? Sicher nicht! Stattdessen gibt man eine Auffassung innerhalb der historisch-kritischen Theologie wieder (Jesus sei in Nazareth geboren worden), die erstens innerhalb der Theologie umstritten und nicht zu belegen ist und die zweitens den klaren Aussagen des Neuen Testamentes widerspricht. Das EKD-Glaubens-ABC behauptet diese fragwürdige Theorie einfach als Tatsache und stellt die Evangelisten Matthäus und Lukas als phantasievolle Märchenerzähler dar.

Es geht aber noch weiter mit den Erkenntnissen der EKD über die Herkunft Jesu, denn es heißt: „Die Eltern Jesu waren Maria und Josef“. Gemeint und für jeden Leser allein so zu verstehen ist: Josef habe Jesus mit Maria gezeugt, wie jeder andere Mensch von seinen leiblichen Eltern gezeugt wurde. Die zentrale biblische Aussage, dass Gott seinen „Sohn“ in die Welt sandte und durch das Wirken seines Heiligen Geistes dafür sorgte, dass Jesus auf wunderbare Weise von der „Jungfrau“ Maria geboren wurde, wird damit vom Tisch gewischt. Fast 2000 Jahre lang hat die Christenheit diesen Glauben bezeugt, aber die EKD des 21. Jahrhunderts behauptet, es besser zu wissen.

Dass das Wunder der Herkunft Jesu und seine Geburt von der Jungfrau Maria immer wieder Zweifel und Widerspruch hervorgerufen hat, ist bekannt und angesichts der Tragweite dieser Glaubensaussage zu erwarten. Dass auch heute in einer vernunft- und wissenschaftsgläubigen Zeit diese biblische Aussage in Frage gestellt wird, auch in der christlichen Kirche, ist keine Überraschung. Neu ist aber, dass die EKD auf ihrer Plattform im Internet, in der sie den Glauben darstellen will, auf jeglichen Versuch eines Verstehens der biblischen Aussage völlig verzichtet. Stattdessen vermittelt sie Behauptungen, denen jeder Glaubensleugner gerne zustimmt, als christliche Basisinformation.

Ohne den Hauch eines Selbstzweifels sägt man in der EKD an dem Glaubens-Ast, auf dem man – noch – sitzt. Deshalb erstaunt es nicht, dass in dem EKD-Artikel über Jesus zwar sein Tod am Kreuz erwähnt wird, aber kein Wort von seiner Auferweckung von den Toten zu lesen ist. Die EKD weiß zur Person Jesu nur noch, dass der „Prediger Jesus“ Menschen fasziniert hat. Mehr nicht.

Wer sich weiter durch die Internet-Seiten klickt, findet auch den Artikel „Auferstehung“ mit Aussagen, die dem Neuen Testament folgen und die die zentrale Bedeutung der Botschaft von der Auferstehung Jesu herausstellen. Aber warum wird in dem Beitrag über „Jesus“ keine Verbindung dazu hergestellt? Man will offenbar nur das über Jesus darstellen, was man nach den Erkenntnissen der historischen Wissenschaft als wahrscheinlich ansieht. Dies mit einem „Glaubens-ABC“ gleichzusetzen, bedeutet ein klägliches Scheitern. An die Stelle der „guten Nachricht“ des Neuen Testamentes über Jesus Christus setzt die EKD hohle und umstrittene Behauptungen aus dem Irrgarten der evangelischen Theologie. Was soll damit erreicht werden?

Warum sollen suchende Menschen in einer evangelischen Kirche bleiben oder in sie eintreten, die ihre zentralen Glaubensinhalte dermaßen zerschreddert? Mit dem Jesus, den die EKD darstellt, kann man genauso gut als Jude leben oder als Muslim oder auch als Atheist. Evangelischer Christ braucht man für dieses Jesusbild nicht zu werden. Warum die EKD sich auf Jesus beruft oder gar begründet, bleibt nach ihrer eigenen Darstellung völlig rätselhaft.

Manchmal wundern sich Zeitgenossen, warum in den Medien evangelische Bischöfe oder Repräsentanten so wenig vorkommen. Meistens sitzen katholische Christen in Talkshows oder werden in Interviews befragt. Die Begründung liefert die EKD selbst mit solchen Artikeln: Sie weiß über zentrale Inhalte des christlichen Glaubens nichts mehr zu sagen.

Wer sich über die Grundlagen des Glaubens informieren will, sollte lieber in der Bibel lesen. Wer nach evangelisch-theologischen Erläuterungen und Verständnishilfen sucht, sollte besser an anderen Stellen anklopfen als bei der EKD.

Pfarrer Wolfgang Sickinger Mülheim an der Ruhr, im März 2015



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