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Lebenslauf und Würdigung des Wirkens von Pfarrer und Superintendent i. R. Ernst Volk

Ehrenvorsitzender des Lutherischen Konventes im Rheinland

* 13. November 1927 + 16. Oktober 2015

Von Pfarrer Thomas Berke, Mülheim an der Mosel

Vorgetragen im Trauergottesdienst für Ernst Volk am 23. Oktober 2015 in der Ev. Kirche Mülheim an der Mosel

Ernst Volk wurde am 13. November 1927 in Biskirchen an der Lahn geboren. Dort wurde er getauft, dort wuchs er auf, dort besuchte er zunächst die Schule, um dann das Gymnasium im nassauischen Weilburg an der Lahn zu besuchen. 1942 wurde er in der reformiert geprägten Kirchengemeinde Biskirchen, die zur rheinischen Enklave Braunfels/Wetzlar gehört, konfirmiert. 1944/45 geriet er als 17jähriger jugendlicher Soldat in schreckliche und traumatisierende Geschehnisse und erlebte die Unentrinnbarkeit von Lebenssituationen. Im Unterschied zu vielen Kameraden überlebte er das Inferno der sinnlosen Schlachten eines verlorenen Krieges. Durch diese Erfahrungen konnte er glaubwürdig allen Verklärungen von Krieg und Soldatentum entgegentreten. Zugleich widersprach er aber auch allen pauschalen Diffamierungen, denen die Soldaten nach dem 2.Weltkrieg in der Kirche ausgesetzt waren. Nach kurzer Gefangenschaft konnte er ausgehungert nach Biskirchen zurückkehren. Seine Familie besaß das Erfahrungswissen, so erzählte er immer wieder, wie man ausgehungerte und entkräftete Kriegsheimkehrer allmählich, Schritt für Schritt aufpäppelte.

Nach 1945 besuchte er dann weiterhin das Gymnasium in Weilburg und legte dort 1946 das Abitur ab. Dort lernte er auch seine spätere Frau Gertraude, geb. Hirse, kennen, die aus Schlesien geflohen war und in Weilburg den Besuch des Gymnasiums fortsetzte.

Die Kriegserlebnisse bestärkten Ernst Volk in dem Wunsch, Theologie zu studieren und als Pfarrer der Gemeinde Gottes Wort zu verkündigen. Er schrieb sich an der Ev.-Theol. Fakultät der nahe gelegenen Universität Marburg ein. Seine spätere Frau Gertraude studierte dort ebenfalls Biologie.

Nach dem 1. Theologischen Examen wurde er 1952 Vikar in Oberhausen und in Wetzlar-Niedergirmes, anschließend Hilfsprediger (heute Pfarrer zur Anstellung) in Hückelhoven bei Aachen.

Im Predigerseminar geschah eine für sein zukünftiges Leben bedeutsame Wende: Er trat vom reformierten zum lutherischen Bekenntnis über. Diese Wende war bereits durch die Begegnung mit lutherischer Theologie an der Universität Marburg angelegt. In der Tiefe seiner Seele keimte in ihm die Überzeugung, dass das symbolische Verständnis des Abendmahls der Reformierten unbiblisch ist und dem Bekenntnis Martin Luthers zur wirklichen, lebendigen Gegenwart Jesu Christi unter Brot und Wein Recht gegeben werden muss. Diese Einsicht wurde verstärkt durch die Begegnung mit politisierenden reformierten Theologen im Predigerseminar. Er erkannte, dass allein Luthers Unterscheidung von Gesetz und Evangelium den Irrweg der Politisierung in der Kirche aufzudecken vermag. Er ließ sich auf die lutherischen Bekenntnisschriften ordinieren und beschäftigte sich sein ganzes Leben lang mit den Schriften und der Theologie Martin Luthers, so dass er zu einem ausgewiesenen und profilierten Luther-Kenner wurde.

Am 28.12.1954 heiratete er seine Frau Gertraude. Die kirchliche Trauung fand unter abenteuerlichen Umständen in Rothenburg an der Neiße in der DDR statt. Dort war sein Schwiegervater als Pfarrer und Leiter einer großen diakonischen Anstalt tätig.

Anfang 1956 wurde er vom Presbyterium der Kirchengemeinde Mülheim (Mosel) zum Pfarrer gewählt. Es gab ihm immerhin dabei den Vorzug vor dem Sohn des berühmten Kirchbau-Architekten Bartning, der sich ebenfalls beworben hatte. Den Ausschlag gab seine hervorragende Probepredigt. Sein Mitbewerber Bartning hingegen hatte sein Beffchen vergessen und musste mit einem improvisierten Stück Leinentaschentuch den Probegottesdienst bestreiten. Es waren vor allem der unvergessene Kirchmeister Jakob Selzer, die beiden in der bekennenden Kirche bewährten Presbyter Ernst Haag und Ernst Bauer sowie der zum Widerstand des 20. Juli gegen Hitler gehörende Presbyter von Kleist, die Ernst Volk als Pfarrer in Mülheim haben wollten.

So zog er mit seiner hochschwangeren Ehefrau Gertraude nach Mülheim in das Pfarrhaus Hauptstr. 10, um hier im Mai 1956 im Alter von nur 28 Jahren als Pfarrer eingeführt zu werden. Kurz darauf wurden die beiden Zwillinge Michael und Friederike geboren und vom stolzen Vater in der Mülheimer Kirche getauft.

In den ersten Jahren versah er seinen Dienst mit dem Fahrrad und mit der Moselbahn zwischen Andel und Neumagen. Die unvergessene Organistin Paula Bottler, die 60 Jahre lang in unserer Gemeinde den Orgeldienst versah, fuhr anfangs mit dem Fahrrad zu den Gottesdiensten mit, bis sich Ernst Volk um 1960 herum ein eigenes Auto anschaffen konnte. 1959 wurde seine Tochter Bettina als drittes Kind geboren.

1960 wurde Ernst Volk von der Kreissynode als Skriba in den Kreissynodalvorstand gewählt. Er war damals 32 Jahre alt. Als der langjährige Trierer Superintendent Cyrus 1964 in den Ruhestand trat, bewarb sich Ernst Volk zusammen mit dem Trierer Pfarrer Rolf Levin um das Amt des Superintendenten. Obwohl Ernst Volk erst 36 Jahre alt war, konnte er die Mehrheit der Kreissynode von seiner Persönlichkeit überzeugen. Präses Joachim Beckmann führte ihn am 18. Oktober 1964 in der Basilika zu Trier in das Amt des Superintendenten des Kirchenkreises ein. Als Superintendent wurde er dreimal mit großer Mehrheit wiedergewählt, sodass er dieses Amt 28 Jahre lang bis zu seinem Ruhestand 1992 ausübte. Lange Zeit war er der dienstälteste Superintendent der rheinischen Kirche mit dem Recht, die Landessynode mit einer Andacht zu eröffnen.

Der unterlegene Pfarrer Levin wurde später sein bester Freund und Mitstreiter als Assessor im Kreissynodalvorstand. Ernst Volk bezeichnete die Zeit mit Rolf Levin als die fruchtbarste in seiner Superintendentenzeit. Weitere Weggefährten im Kreissynodalvorstand, mit denen er sehr verbunden war, waren die Pfarrer Dr. Hartmut Hilgenfeld aus Thalfang als Assessor und Pfarrer Hellmuth Schareina aus Kleinich als Skriba sowie die Synodalältesten von Schubert und Jutta Hollstein.

Was war ihm im Superintendentenamt wichtig? Die Antwort lautet ganz einfach: Für ihn hatte die Versorgung der Gemeinden mit Pfarrern und ausreichenden Finanzmitteln oberste Priorität. Darum vermied er den Ausbau von Diensten auf Kirchenkreisebene. Er war davon überzeugt: Kirche baut sich von unten auf durch Gottesdienst, Seelsorge und Unterweisung. Der Glaube kommt aus der Predigt des Evangeliums von Jesus Christus und nicht aus den guten Werken der Kirche. Als Superintendent unterstützte er die Gemeinden mit seiner ganzen Kraft. Die Pfarrer des Kirchenkreises konnten bei Problemen auf seine Unterstützung bauen. Er half gerade auch denen, die ihm kritisch gegenüberstanden, und bewies damit Größe.

Ganz typisch für Ernst Volk war seine Gesprächsbereitschaft im Vertrauen darauf, dass die Evangelische Kirche eine Kirche des Wortes ist. Anfang der 70er Jahre sagte sich ein Prediger-Seminar-Kurs mit Jürgen Fliege und anderen, die nachher in der Kirche Karriere machten, zu Besuch in Mülheim an. Es ging um die finanzielle Unterstützung von gewaltbereiten Anti-Apartheids-Gruppen im südlichen Afrika durch die Landeskirche. Ernst Volk hatte sich öffentlich dagegen ausgesprochen. Jeder andere hätte eine Terminausrede gefunden, um eine kontroverse Begegnung zu vermeiden. Nicht so Ernst Volk. Seine Frau backte Kuchen und kochte Kaffee, und auf diese Weise stellte er sich im Gemeindesaal einer Horde aggressiver Vikare, ertrug wüste Beschimpfungen und schlug sich tapfer mit guten Argumenten, die sich im Nachhinein als richtig erwiesen haben. Die Kirche darf Gewalt nicht unterstützen.

Auf der anderen Seite soll nicht verschwiegen werden, dass Diplomatie nicht seine Stärke war. Für die Diplomatie war stets seine Frau zuständig, mit der er sich hervorragend ergänzte. Ernst Volk hingegen sagte jedem geradeheraus seine Meinung. Er konnte auch in Sitzungen und Gremien zornig werden und poltern, wenn es ihm zu bunt wurde. Er war deswegen bei manchen gefürchtet. Wenn das Gewitter verzogen war, bewies er mit seiner Versöhnungsbereitschaft und mit seiner Bereitschaft, eigene Fehler einzugestehen, immer wieder Größe.

Gefürchtet wurde Ernst Volk auch als Prüfer beim 2. Theologischen Examen im Landeskirchenamt in Düsseldorf. Es eilte ihm der ruf voraus, als Lutheraner vor allem Luther-Kenntnis zu prüfen. Diese Frucht war jedoch völlig unbegründet. Er kannte sich auch hervorragend bei Calvin aus. Ihm kam es aber völlig zurecht darauf an, dass die angehenden Pfarrer Grundkenntnisse in reformatorischer Theologie vorweisen konnten.

Um 1970 herum versuchte die Kirchengemeinde Trier, Ernst Volk an die Basilika zu holen, weil ihrer Ansicht nach der Superintendent nach Trier gehöre. Dies lehnte er augenzwinkernd mit der Bemerkung ab, er brauche den Duft von Misthaufen unter seinem Arbeitszimmer. Ob es solche noch in größerer Anzahl Anfang der 70er Jahre in Mülheim gegeben hat, muss allerdings bezweifelt werden. Eher war es so, dass er und seine Familie sich in Mülheim einfach wohl fühlten. Denn bei allen dienstlichen Pflichten war ihm seine Familie überaus wichtig.

Immer wieder ergriff er zusammen mit seinem Freund, dem Kölner Superintendenten Dr. Karl Kenntner auf der Landessynode das Wort, um die Kirche vor Irrwegen zu bewahren.

Es ging ihm stets um das Wort, nicht um den Applaus. Denn er war davon überzeugt, dass sich das Wort durchsetzen wird. In den meisten Fragen sollte er Recht behalten. Drei Beispiele seien genannt: • Sein größter Erfolg war es, dass er 1968-70 zusammen mit anderen die Abschaffung der Kindertaufe in der rheinischen Kirche verhindern konnte. • Sein Nein zum Verzicht auf die Judenmission und zu einer Lehre der zwei Wege zum Heil wurde im Votum der Bonner Evangelisch-Theologischen Fakultät 1981 theologisch bestätigt. • 1990 war er der einzige rheinische Superintendent, der dem damaligen Präses Peter Beier öffentlich widersprach, als dieser angesichts des Zusammenbruchs von DDR und Sowjet-Kommunismus vom „unaufgebbaren Humanum des Sozialismus“ fabulierte. • Er trat aus biblischen Gründen gegen den Einsatz von Traubensaft beim Abendmahl und gegen die Frauenordination ein. Er konnte dabei erreichen, dass Traubensaft nur eingesetzt werden kann, wenn das Presbyterium es beschließt. In der Frage der Frauenordination blieb er selbst unter Lutheranern in der Minderheit.

Zurück zur Kirchengemeinde Mülheim. Dort hat er zahlreiche Spuren hinterlassen Wie im Rheinland bis vor wenigen Jahren üblich, blieb der Superintendent auch zugleich Gemeindepfarrer. Da er auf die ihm zustehende Unterstützung im pastoralen Dienst weitgehend verzichtete, baute er in Mülheim ein Superintendentur-Büro auf, das ihn zugleich in der Gemeindearbeit unterstützte. Die damaligen Superintendentur-Angestellten Birgit Ossowski, Jutta Ihlenfeldt und Christel Eisel sind auch heute noch in der Superintendentur bzw. in den Pfarrbüros Mülheim und Veldenz tätig. Zudem unterstützte ihn seine Frau nach Kräften in der Gemeindearbeit (Kindergottesdienst, Jungschar, Jugendkreis, Frauenhilfe, Mittwochskreis, Seniorenkreis, Kranken- und Geburtstagsbesuche). Sein Schwerpunkt lag – was auch seinen Gaben entsprach – auf den Gottesdiensten, den Amtshandlungen und dem kirchlichen Unterricht. Die Predigt von Gottes Wort in der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium war ihm ein Herzensanliegen. Ein Gemeindeaufbau ohne Gottes Wort war für ihn nicht denkbar. Zugleich war es ihm wichtig, die Kirchen als Gottesdienststätten in einem guten Zustand zu erhalten: • 1956 führte er die von seinem Vorgänger Dr. Lotz mit der katholischen Seite ausgehandelte Teilung und Sanierung der Brauneberger Simultankirche einschließlich der Abstützung des sich immer stärker neigenden Kirchturms zu Ende. Er wurde dabei von Baurat Vogel und dem Morbacher Künstler Klaus Rothe unterstützt. • 1964 konnten zusammen mit der katholischen Pfarrgemeinde zwei Bronzeglocken für die Brauneberger Simultankirche angeschafft werden. • Ein Besuch des rheinischen Präses Beckmann im Mülheimer Pfarrhaus führte zum Einbau einer Zentralheizung. Kein rheinischer Superintendent sollte in einem Haus mit Öl- oder Kohleöfchen wohnen müssen. Allerdings war während des Einbaus das Pfarrhaus kaum bewohnbar. • Von Mitte der 60er Jahre bis 1972 wurde die Andeler Kirche unter seiner Anleitung saniert und innen und außen völlig neu gestaltet. Der von ihm beauftragte Morbacher Künstler Klaus Rothe hatte dabei eine ausgesprochen glückliche Hand bei der neuen Innengestaltung der Andeler Kirche. • Ende der 60er Jahre wurde zusammen mit der katholischen Pfarrgemeinde die Brauneberger Simultankirche außen neu verputzt und gestrichen sowie die Dacheindeckung einschließlich Zwiebel erneuert. Dabei wurde auch ein neuer Turmhahn von dem Brauneberger Schlosser Jakob Nier gefertigt (der alte war im 2. Weltkrieg zerschossen worden). • 1969 und 1972 erhielten die Brauneberger und die Andeler Kirche Kleinorgeln anstelle des Harmoniums. • Im Jahr 1970 baute er – unterstützt von der Ortsgemeinde Mülheim – den Ev. Kindergarten Mülheim zu einer modernen Betreuungseinrichtung aus. • Zwischen 1970 und 1975 versah er die Vakanzverwaltung in der Kirchengemeinde Veldenz und nutzte die Zeit, um auch dort die Kirchen zu sanieren. Auch hier zog er Klaus Rothe für die künstlerische Ausgestaltung insbesondere der Burgener Kirche hinzu. • 1979 wurde unter seiner Anleitung die Mülheimer Kirche innen und außen instand gesetzt. Dabei wurde auch die jetzige Kirchenheizung eingebaut. • Für die 1500-Jahr-Feier von Brauneberg 1988 ließ er zusammen mit der katholischen Pfarrgemeinde den Außenanstrich an der Brauneberger Simultankirche erneuern. • 1992 – in seinem letzten Amtsjahr – setzte er das Gemeinde- und Pfarrhaus in Mülheim mit einer Erneuerung des Daches und des Außenanstriches instand.

Legendär waren die Evangelischen Wochen, die er bis Ende der 70er Jahre mit hochkarätigen Referenten und Predigern jedes Jahr durchführte. Dies gilt auch für die 300-Jahr-Feier der Mülheimer Kirche mit einem Festgottesdienst, in der damalige Oberkirchenrat und spätere Präses Gerhard Brandt predigte, einem großen Gemeindefest auf Schloss Veldenz sowie einer evangelischen Woche mit hochkarätigen Referenten.

1981 gab er zu seinem 25jährigen Dienstjubiläum als Gemeindepfarrer die Schrift „Gemaltes Evangelium“ heraus, in der er seine Nachforschungen zu den Mülheimer Tafelbildern mit tiefgründigen Auslegungen verband.

Sein Engagement für die Partnergemeinde Trebenow in Vorpommern darf an dieser Stelle nicht vergessen werden. Er organisierte regelmäßige Begegnungen in Ost-Berlin und fuhr in die Partnergemeinde, wann immer es möglich war. Dies entsprang seiner tiefen Überzeugung, dass die Teilung Deutschlands vor dem Herrn der Geschichte keinen Bestand hat und dass keine von Menschen und Mächten gesetzten Grenzen Christen davon abhalten dürfen, miteinander in Verbindung zu bleiben. Bereits vor dem Fall der Mauer organisierte er eine Vielzahl von Baumaterialien, um dem Verfall von Kirchen, Pfarr- und Gemeindehäusern Einhalt zu gebieten. Dabei kam ihm der Kontakt zu Bischof Hermann Kunst in Bonn zugute. Nach dem Fall der Mauer organisierte er Arbeitseinsätze von Gemeindegliedern aus Hottenbach, Stipshausen, Thalfang und Mülheim in der Partnergemeinde Trebenow, die die Verbindung zwischen den Gemeinden weiter stärkten. Da Vieles noch vor der Währungsunion umgesetzt wurde, konnten sechsstellige D-Mark-Beträge gespart werden. Aus diesem Engagement erwuchs die Freundschaft zu Pfarrer Wolfgang Schneider und seiner Frau, die weit über den Ruhestand hinaus bis heute gedauert hat. An dieser Stelle möchte ich die Grüße von Pfarrer i.R. Schneider und seiner Frau und der Partnergemeinde Trebenow-Hetzdorf übermitteln.

Ein Höhepunkt seines Wirkens als Pfarrer und Superintendent waren die EKD-Synode, die 1985 in Trier stattfand und die Ökumenischen Gottesdienste am 3. Oktober 1990, dem Tag der Wiedervereinigung. Er predigte zusammen mit Bischof Hermann-Josef Spital im überfüllten Trierer Dom und anschließend hier in der ebenso überfüllten Mülheimer Kirche. Für ihn war die Wiedervereinigung ein Zeichen der Gnade Gottes für das deutsche Volk.

Ein wichtiges Zeugnis der kirchlichen Zeitgeschichte sind seine Superintendentenberichte, die in den Protokollen der Kreissynode Trier jedes Jahr veröffentlicht wurden.

Am 1. Dezember 1992 trat er nach Vollendung des 65. Lebensjahres als Pfarrer und Superintendent in den Ruhestand. Ende November wurde er vom Kreissynodalvorstand in der Basilika in einem großen, festlichen Gottesdienst verabschiedet, am 29. November dann in der überfüllten Mülheimer Kirche. Zur anschließenden Feier in der Grafschafter Festhalle erschien auch überraschend Bischof Hermann-Josef Spital, der in bewegenden Worten Ernst Volk für seinen jahrzehntelangen Dienst dankte. Zu seiner Verabschiedung erschien zudem eine Festschrift mit dem Titel „Verlorenes wiederfinden“ mit Beiträgen von Weggefährten aus Kirche und Theologie aus ganz Deutschland. Seinen neuen Wohnsitz nahm er zusammen mit seiner Frau im Haus seiner Schwiegereltern in Bischofsdhron bei Morbach.

Ein Jahr später erlitt er einen Schlaganfall, von dem er sich weitgehend erholen konnte. In den 90er Jahren schrieb er zahlreiche Bücher und Aufsätze. In den 90er Jahren veröffentlichte er seine gut lesbaren Bücher über die Reformatoren Philipp Melanchthon und Johannes Bugenhagen.

1975 war er zum Vorsitzenden des Lutherischen Konventes im Rheinland gewählt worden. Dieses Amt übte er noch bis 1995 aus. Danach war er bis zu seinem Tod Ehrenvorsitzender. In diesem Zusammenhang wurde er auch Herausgeber der Lutherischen Nachrichten, der von Pfarrer Eugen Rose gegründeten Zeitschrift des Lutherischen Konventes, die auch als Konventsorgan dient. In den Lutherischen Nachrichten veröffentlichte er eine Vielzahl von Aufsätzen und Voten zu theologischen und kirchenpolitischen Fragen und Rezensionen zur theologischen Literatur. Zudem veröffentliche er seine Beiträge im Homiletisch-liturgischen Korrespondenzblatt, dessen Mitherausgeber er viele Jahre war, in den idea-Dokumentationen, in den Rundbriefen der Bekenntnisbewegung „Kein anderes Evangelium“, der Ev. Notgemeinschaft, der Ev. Sammlung im Rheinland, der Ev. Sammlung Berlin und des Gemeindehilfsbundes, in den rheinischen Kirchenzeitungen „Der Weg“ und „Glaube und Heimat“, in der Zeitschrift „Kerygma und Dogma“, in Zeitschriften der Selbständigen Ev.-Luth. Kirche sowie in der Zeitschrift „CA“ der Gesellschaft für innere und äußere Mission im Sinne der lutherischen Kirche. Er verfasste auch eine große Zahl an Andachten für den „Feste-Burg-Kalender“ und Predigtmediationen für die Reihe „Zur Predigt des Sonntags“, die von der Ev. Sammlung Berlin und der Ev. Sammlung im Rheinland herausgegeben wurde, sowie im Homiletisch-liturgischen Korrespondenzblatt. Darüber hinaus verschickte die Mülheimer Superintendentur seine Voten zu aktuellen Fragen an zahlreiche Superintendent, Kirchenleitungsmitglieder, Synodale, Pfarrer und interessierte Gemeindeglieder in ganz Deutschland. Die meisten seiner Beiträge, Voten, Aufsätze, Rezensionen, Meditationen und Bücher sind im Mülheimer Pfarrarchiv erhalten.

Weniger bekannt ist, dass er innerhalb der lutherischen Kirche gegen katholisierende Tendenzen eintrat, die vor allem durch Einflüsse hochkirchlicher Lutheraner an Boden gewannen. Er war dazu bestimmt, weil seine Hinwendung zum lutherischen Bekenntnis nicht der Liturgie, sondern der Theologie entsprang. Damit unterschied er sich von anderen Lutheranern, die nicht wegen der Theologie Martin Luthers, sondern wegen der Liturgie Lutheraner wurden. Dies hatte zur Folge, dass es zwischen Ernst Volk und sogenannten „hochkirchlichen“ Lutheranern manche Reibungspunkte gab.

So stritt er gegen eine Ausrichtung der lutherischen Liturgie am katholischen Messbuch, gegen Marien- und Heiligenverehrung, die Einführung katholischer Messgewänder und das eucharistische Hochgebet. Immer wieder forderte er, dass Luthers Grenzziehungen gegenüber der katholischen Messe, der Marien- und Heiligenverehrung beachtet werden. So trat er auch dafür ein, dass im Sinne von Luthers Programmschrift „Deutsche Messe“ die Einsetzungsworte beim Abendmahl zur Gemeinde hin über Brot und Wein gesprochen werden, um den Verkündigungscharakter liturgisch herauszustellen. Als der Theologische Konvent Augsburgischen Bekenntnisses an seiner katholisierenden Haltung festhielt, trat er aus ihm aus. Ihm gelang es jedoch, durch seine Luther-Kenntnis zahlreiche lutherische Pfarrer vor Abwegen zu bewahren. Dies galt auch für den Lutherischen Konvent, der wegen dieser Frage mehrfach vor einer Zerreißprobe stand. In seiner programmatischen Schrift „Lutherisch – was ist das?“ von 1989 unternahm er den Versuch, das Lutherische aus liturgischen Engführungen mit katholisierenden Neigungen zu den Ursprüngen reformatorisch-biblischer Theologie zurückzuführen. Lutherisch war für ihn die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium in Verbindung mit der Rechtfertigung allein durch den Glauben an Jesus Christus und die Gegenwart Jesu Christi unter Brot und Wein im Abendmahl. Mit anderen Worten: Lutherisch war für ihn die in der Reformation wieder entdeckte biblische Einsicht, dass das ewige Leben frei von jeglicher Mitwirkung des Menschen um Jesu Christi willen dem Menschen geschenkt wird. In den letzten Dingen ist der Mensch weder Täter noch Kooperator, sondern ausschließlich Empfänger, der auf das vertraut, was Jesus Christus durch seinen unschuldigen Tod am Kreuz für ihn getan hat.

Allerdings zeigte sich immer wieder, dass so manches Reformierte in seinem Blut vorhanden war. Dies zeigte sich in seiner Liebe zur Unionsliturgie in ihrer ursprünglichen Fassung mit den Melodien Bortnianskis und in seiner Abneigung gegenüber der vom Pfarrer gesungenen Liturgie und gegenüber den in der lutherischen Kirche selbstverständlichen Wendungen zum Altar. Die Liturgie solle schlicht und ordentlich sein, ohne viele Schnörkel und ohne viel Menschengeschwätz auf die Predigt hinführen und der Predigt dienen, so lautetete seine Überzeugung, die sicher auch die meisten reformierten Pfarrer unterschreiben würden. Natürlich spielte dabei auch seine innere Verbundenheit mit Preußen eine Rolle. Schließlich war er in Biskirchen in einer preußischen Enklave aufgewachsen. Weil die Union in ihrer preußischen Fassung den reformierten und lutherischen Bekenntnisstand beibehielt, war sie für ihn als Lutheraner auch ein gutes Zuhause. Er wirkte aus diesem Grunde auch im Leitungskreis der „Lutherischen Arbeitsgemeinschaft“ mit, in der lutherische Theologen aus unierten und lutherischen Landeskirchen zusammengeführt wurden.

Mitte der 90er Jahre schaltete er sich ein letztes Mal in zwei große Debatten in der Evangelischen Kirche ein. Er bezog Stellung gegen die Bestrebungen zur Segnung homosexueller Paare und unterstützte die Gegner mit seinem Kenntnissen aus der reformatorischen Theologie. Dadurch half er mit, dass die Segnung homosexueller Paare nicht der Trauung gleichgestellt wurde und eine Ausnahme bleibt, die nur mit Einverständnis von Pfarrer und Presbyterium durchgeführt werden darf.

Seine profunden Kenntnisse der Theologie Martin Luthers brachte er in der 2. Hälfte der 90er Jahre in die Debatte um die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ ein. Der Lutherische Weltbund und die Römisch-Katholische Kirche hatten ein Dokument ausgehandelt, in dem mit den Mittel einer zweideutigen Sprache der Kirchendiplomatie die Grunddifferenz zwischen reformatorischer und römisch-katholischer Rechtfertigungslehre verwischt werden sollte. Er schrieb dazu mehrere theologische Aufsätze, die zwar die Unterzeichnung dieses Dokumentes nicht verhindern konnten, jedoch zusammen mit dem Protest von 150/250 evangelischen Theologieprofessoren dazu beitrugen, dass der „Gemeinsamen Erklärung“ eine Akzeptanz in der Breite der Evangelischen Kirche versagt blieb.

Bis 1999 hat er viele Gottesdienste im Hunsrück und an der Mosel gehalten und gepredigt. Nachdem er einen Schwächeanfall in einem Gottesdienst erlitten hatte, entschied er sich, nur noch literarisch tätig zu sein. Im Jahre 2002 erschien zu seinem 75. Geburtstag ein Sammelband mit seinen wichtigsten Aufsätzen aus mehr als drei Jahrzehnten mit dem Titel „Richtendes und rettendes Wort“. Zusammen mit seiner Frau gab er nach längerem Zögern einen Sammelband mit seinen wichtigsten Predigten aus vier Jahrzehnten mit dem Titel „So kommt der Glaube aus der Predigt. Evangelische Predigt im Trierer Land“ heraus.

Am 28.12.2004 konnte er das Fest der Goldenen Hochzeit zusammen mit seiner Frau begehen. Er hatte seiner Frau Gertraude viel zu verdanken, weil sie seinen Dienst mit allen ihren Kräften und Gaben unterstützte. Bis 2006 versammelte er in seinem Haus eine stattliche Anzahl von aktiven und emeritierten Pfarrern und engagierten Frauen und Männern aus dem Kirchenkreis zur gemeinsamen Lektüre von Schriften Martin Luthers. Die Luther-Akademie wird seitdem von seinem Freund, Weggefährten und Schüler Pfarrer Winfrid Krause aus Thalfang bis zum heutigen Tag in seinem Sinne weitergeführt.

2007 besuchte er zum letztes Mal in Mülheim den Gottesdienst. Anlass war die Goldene Konfirmation seiner ersten Mülheimer Konfirmanden. Seitdem wurde er zunehmend pflegebedürftig.

2010 brachte er unter Auferbietung seiner ihm zur Verfügung stehenden Kraft sein letztes Buch über den Reformator Johannes Brenz heraus. Fast alle Bücher von Ernst Volk sind im Pfarrbüro der Ev. Kirchengemeinde Mülheim erhältlich. Ein fast fertiges Buchmanuskript über Luthers Lieder hat er als Datei dem Mülheimer Pfarrbüro überlassen.

Sein Herz schlug für die reformatorische Theologie Martin Luthers, auch wenn er manche reformierte Prägungen beibehielt (zum Beispiel in seiner Auffassung, dass der Gottesdienst einfach und schlicht auf die Predigt konzentriert sein sollte). Seine profunde Kenntnis von Martin Luthers Theologie floss in seine Predigten, Vorträge, seine Aufsätze und Bücher, aber auch in seine Amtsauffassung als Pfarrer und Superintendent ein. Neben der Verkündigung von Gottes Wort in Predigt und Seelsorge sah er es als seine Berufung an, seine oft auf Abwegen wandelnde Evangelische Kirche zu den biblischen Einsichten der Reformation zurückzurufen. Dazu gehört auch das Festhalten an der Hl. Schrift als Grundlage für die Kirche. Die Kirche steht nicht über, sondern unter Gottes Wort.

Am 14. Mai 2012 starb seine Frau im Alter von 85 Jahren. Sie wurde unter großer Anteilnahme der Gemeinde hier in Mülheim zu Grabe getragen. Im Juli 2013 entschloss er sich, nach Berlin in die Nähe seiner Kinder in ein Pflegeheim zu gehen. Dort wurde er am 16. Oktober 2015 kurz vor Vollendung seines 88. Lebensjahres zu seinem Schöpfer und Erlöser heimgerufen. Er hinterlässt seine drei Kinder und drei Enkelkinder.

Pfr. Thomas Berke, Mülheim an der Mosel



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