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„Ich bin der HERR, dein Gott.
Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“

Ist das 1. Gebot intolerant?

Zur Kontroverse um Pastor Latzel und zu den Angriffen der „Rheinischen Post“ und des „Trierischen Volksfreunds“ auf den Glauben an den einen Gott

In der Rheinischen Post und im Trierischen Volksfreund konnte man vor einigen Wochen einen gleichlautenden, ganzseitigen Artikel lesen, indem behauptet wurde, dass das 1. Gebot intolerant und Ursache für religiös begründete Gewalt sei. Zeitgleich schlägt eine Predigt von des Bremer Pastors Olaf Latzel bundesweit Wellen, in der die Geltung des 1. Gebotes für Christen in einer multireligiösen Umwelt eingefordert wurde. Eine breite Front von innerkirchlichen und außerkirchlichen Kritikern werfen Latzel vor, mit einem rigorosen Pochen auf dem 1. Gebot der Intoleranz Vorschub zu leisten.

Offenbart sich also im 1. Gebot ein intoleranter Gott, der keine anderen Götter neben sich duldet?

Wer sind die Götter neben dem einen Gott?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst die Frage stellen, wer diese anderen Götter eigentlich sind, die der eine Gott nicht neben sich duldet. Einen Hinweis darauf gibt Martin Luther in seiner Erklärung des 1. Gebotes, wie sie sich im Kleinen Katechismus findet: „Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen.“ „…über alle Dinge …“ bedeutet: Die anderen Götter sind lediglich „Dinge“, aus der erschaffenen, vergänglichen Welt.

Toleranz und Wahrheit am Beispiel der Stoffgiraffe

Was bedeutet das nun für die Frage der Toleranz? Die Antwort lautet: Eine Toleranz, die die Abgötter gelten ließe, wäre Lüge. Mit den anderen Göttern und dem einen Gott verhält es sich genauso wie mit der Stoffgiraffe und der „richtigen“, lebendigen Giraffe. Ist es intolerant zu sagen: „Stoffgiraffen sind keine richtigen Giraffen?“

Allein die lebendige Giraffe ist wirklich eine Giraffe. Es ist keineswegs eine Diskriminierung oder intolerant, diese Wahrheit auszusprechen. Genauso sind die anderen Götter von Menschen gemachte Abgötter. Allein der eine Gott, der die Welt und das Leben erschaffen hat, ist wirklich Gott. Es ist weder intolerant noch diskriminierend, diese Wahrheit auszusprechen.

Abgötter im Gewand des Atheismus als Ursache für Gewalt

Unsere zunehmende atheistische Gesellschaft produziert permanent Abgötter. Sie sind nicht selten Ursache für Gewalt und Intoleranz. Wo Geld und Gut zum Abgott werden, da sind schnell auch Hass, Gewalt und Feindschaft da. Die Kriege werden um Geld und Gut geführt, die zum Abgott wurden. Oder auch beim Fußball: Wo eine Fußballmannschaft zum Abgott wird, werden Fans schnell fanatisch und gewalttätig! Oft begegnet uns diese Abgötterei im Gewand eines vermeintlichen Atheismus. Dies erklärt, warum der Atheismus, wo er seit der Französischen Revolution zur Macht gelangt ist, zur Gewalttätigkeit neigt. Hunderte Millionen unschuldiger Menschen sind den Atheisten Stalin, Hitler, Mao Tse Tung, Pol Pot und Kim Il Sung zum Opfer gefallen, weil sie sich selbst bzw. eine Ideologie vergötzt haben.

Auch Monotheismus kann Götzendienst sein

Aber auch der eine Gott kann zum Abgott gemacht werden, wenn Menschen in seinem Namen zu Hass und Gewalt aufgerufen. Eine monotheistische Religion kann genauso wie eine polytheistische Religion menschengemachte Götter anbeten. Ein Beispiel ist die monotheistische Anbetung der Sonne in der spätrömischen Zeit. Die intoleranten Verirrungen in der Geschichte der Christenheit beruhen doch ebenfalls darauf, dass ein menschengemachter Götze an die Stelle des einen Gottes getreten ist, der sich in Jesus Christus offenbart. Dieser eine Gott hat oft nur einen einzigen, menschengemachten Konkurrenten.

Der intolerante Gott als Grundlage für die Toleranz

Ich möchte noch einen Schritt weiter gehen. Ich behaupte: Dieser eine Gott, der in ganz intoleranter Weise keine anderen Götzen neben sich duldet, ist die Grundlage der Toleranz. Wie kann das sein?

Das 1. Gebot ist zwar intolerant gegenüber den Abgöttern, aber es steht im Zusammenhang des Gottes, der den Sünder liebt, den Verlorenen nachgeht, der sein Leben auch für die hingibt, die nichts von ihm wissen wollen. Er tut das in Jesus Christus, in keinem anderen. Darum gehört zum 1. Gebot untrennbar das „Christus allein“, das „solus Christus“, dazu. Kein Mensch kann aus eigener Kraft zu Gott kommen. Alle Menschen sind darauf angewiesen, dass Gott herunter kommt und uns das ewige Leben bringt. An dieser Stelle besteht die Grunddifferenz zur Gottesoffenbarung im Koran. Allah fordert die Hingabe des Menschen an ihn. Der eine Gott, der sich in Jesus Christus offenbart, gibt sich selbst an die Menschen hin als Ausdruck seiner grenzenlosen Liebe. Kann das derselbe Gott sein?

Zweitens findet sich die Antwort in den Zehn Geboten. Sie sind eben auch eine Schutzordnung, die sich aus dem scheinbar so intoleranten 1. Gebot ergibt und für alle Menschen gilt. Also auch für die, die anderen Göttern hinterherlaufen. Auch sie stehen unter dem Schutz dieses einen Gottes. Das 3. Gebot z. B. gilt ausdrücklich auch für den Fremdling, der in alttestamentlicher Zeit nicht nur nicht zum Volk Gottes gehörte, sondern auch einen anderen Glauben hatte.

Dieser eine Gott ist zugleich die Liebe (1. Joh. 4,16). Er liebt zwar nicht die anderen Götter, Denn sie existieren ja gar nicht Man kann schlecht etwas lieben, was nicht existiert!

Weil jedoch dieser eine Gott die Liebe ist, darf sein Name gemäß 2. Gebot nicht für Hass und Gewalt missbraucht werden. Wo immer dies geschehen ist – ganz gleich ob in der Geschichte der Christenheit oder jetzt überall dort, wo der Islamismus am Werk ist - wird Gottes heiliger Name missbraucht.

Intolerant gegenüber den Abgöttern und tolerant gegenüber den Menschen

Halten wir fest: Der eine Gott ist intolerant gegenüber den Abgötter, aber tolerant gegenüber den Menschen. Toleranz geht von Gott aus und ist auf die Menschen ausgerichtet, nicht auf die von den Menschen gemachten anderen Götter.

Martin Luther hat in diesem Sinn von der „tolerantia Dei“, also von der „Toleranz Gottes“ gesprochen (WA 39/I, 82, 31). Gott erträgt uns Menschen (auch die, die sich von ihm abgewendet haben!) und leitet auf diese Weise uns Menschen an, die anderen Menschen zu ertragen (auch die, die einen anderen Glauben haben!). Denn die Liebe „freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.“ (1. Kor 13, 6-7)

Pfarrer Thomas Berke, Pfarrer in Mülheim an der Mosel und Veldenz



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