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Gott nahe zu sein, ist mein Glück, Psalm 73, 28

Zur Jahreslosung 2014

Reiner Vogels



Psalm 73, 28, also die Jahreslosung 2014, ist mein Konfirmationsspruch. Allerdings steht er auf meiner Konfirmationsurkunde in der Übersetzung Martin Luthers: "Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte". Mir gefällt die Lutherübersetzung besser. An ihre sprachliche Kraft kommt die moderne Übersetzung aus der evangelisch-katholischen Einheitsübersetzung nicht heran.

Beide Übersetzungen unterscheiden sich in zwei wichtigen Wörtern: Wo Luther von "Freude" sprach, ist heute von "Glück" die Rede. Und wo die moderne Formulierung davon spricht, "Gott nahe zu sein", übersetzte Luther: "dass ich mich zu Gott halte."

Fangen wir an mit dem Gott-nahe-Sein. Wörtlich müsste man eigentlich übersetzen: "Mich Gott zu nahen." Luther muss gespürt haben, dass das theologisch problematisch ist. Kann denn ein Mensch von sich sagen, dass er sich Gott naht? Wohl kaum. Vermutlich deshalb hat Luther etwas abgeschwächt übersetzt: "dass ich mich zu Gott halte". Das kann ein Mensch zumindest versuchen.

Die Schwierigkeit löst sich nun aber auf, wenn man den gesamten Psalm liest. Dort ist nämlich davon die Rede, dass der Beter zwar zunächst verunsichert und betrübt war über das vermeintliche Glück der Gottlosen, dass er dann jedoch den Tempel aufgesucht hat und von seiner Verunsicherung befreit worden ist. Im Tempel nämlich wusste sich der Fromme des Alten Testaments Gott nahe. Gott hatte verheißen, dass an dieser heiligen Stätte sein Name wohnen werde. Wer sich Gott nahen wollte, musste also den Tempel aufsuchen.

Luther jedoch kannte natürlich das Wort, das Christus im Gespräch mit der samaritanischen Frau (Johannes 4) gesagt hat: "Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet." Das bedeutet: Gottes Nähe ist nicht an einen bestimmten Ort, und sei es der Tempel in Jerusalem, gebunden. Und wer ihn anbeten will, muss ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. Von daher ist Luthers abschwächende Übersetzung unseres Psalmworts verständlich. Wir können anders als in der Zeit des Jerusalemer Tempels nicht Gott nahe sein, aber wir können uns zu Gott halten.

Mit der Frage nun aber, ob es "Glück" oder "Freude" heißen muss, verhält es sich so: Im Hebräischen steht weder "Glück" noch "Freude", sondern "gut". Daher sind beide Übersetzungen, die Luthers und die moderne, nicht ganz wörtlich. Sie treffen aber dennoch sinngemäß das Gemeinte. "Glück" und "Freude" hängen schließlich zusammen, und beide sind "gut" für mich.

Was aber, und damit kommen wir zum eigentlichen geistlichen Kern der Jahreslosung, was ist Glück, was ist Grund zur Freude, was ist gut für mich? Diese Frage ist ganz wichtig, denn jeder Mensch will schließlich glücklich sein und sich freuen.

Wir haben schon gesehen, dass der Beter des Psalms zunächst verunsichert und angefochten war, weil er das "Glück" der Gottlosen gesehen hat, während es ihm selbst, dem Frommen und Gottesfürchtigen, bei weitem nicht so gut ging. "Denn für sie gibt es keine Qualen", so hat er eingangs geklagt, "gesund und feist ist ihr Leib." (V. 4) Und weiter: "Siehe, das sind die Gottlosen; die sind glücklich in der Welt und werden reich." (V. 12) Und über sich selbst hat er geklagt: "Ich bin doch täglich geplagt, und meine Züchtigung ist alle Morgen da." (V. 14)

Die Wende, die ihn aus seiner Anfechtung und Klage befreite kam dann erst, nachdem er den Tempel aufgesucht hat. Dort hat er erfahren, dass das Glück der Gottlosen nur ein scheinbares und vergängliches Glück ist. Dort hat er gelernt, das Gott ihn bei seiner rechten Hand hält. Voller Glück und voll inneren Friedens hat er dann gejubelt: "du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an." (V. 24)

Was ist also Glück? Ist es Gesundheit und Reichtum, Ansehen bei den Mitmenschen, Macht und Ehre? Die Jahreslosung verneint das. Wahres Glück kann nur von Gott geschenkt werden. Wahres Glück ist die Gewissheit, dass Gott mich hält und auch im Tode nicht verloren gehen lässt. Wahres Glück ist die Zuversicht, dass Gott mich am Ende mit Ehren annimmt. Glück ist Erlösungsgewissheit. Alles andere ist ungewiss und vergänglich. Gott aber ist ewig und schenkt mir Zuversicht und Hoffnung.

Der Lutherische Konvent im Rheinland wünscht allen Besuchern dieser Website in diesem Sinne ein gutes und gesegnetes neues Jahr.
Reiner Vogels



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