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Sieben Wochen ohne „7-Wochen-Ohne“

Anmerkungen zur Fastenaktion „7 Wochen ohne falsche Gewissheiten“



„Selber denken! 7 Wochen ohne falsche Gewissheiten“ So heißt das Motto der diesjährigen „Fastenaktion“ (was für ein cooles Wort!) unserer Kirche.

Man könnte meinen, dass „Aktion“ (lat. actio Handel / Tätigkeit) und „Fasten“ (bewusster Verzicht auf etwas) sich gegenseitig ausschließen, doch hier wird wohl eher an den Marketingbegriff gedacht. „Aktion“ im Sinne eines Sonderangebotes. „Geschäftsführer“ Arndt Brummer (zugleich Chefredakteur von Chrismon) wirbt auch entsprechend, sich mit „Entdeckergeist, Ketzermut und viel Freude an eigenen Denk-Abenteuern“ der „Fastenaktion“ anzuschließen. Zuvor schreibt er noch mit seinen üblich launigen Worten, über die falschen Gewissheiten folgendes: „Bahnfahren ist ökologisch sauberer als Autoverkehr, Kinder verbringen zu viel Zeit am Bildschirm und von Süßigkeiten bekommt man Pickel – das klingt alles richtig und ist schnell mehrheitsfähig.“

Folglich wirbt er dafür, die Passionszeit damit zu verbringen, sich über diese Themen furchtbar kritische Gedanken zu machen. Mal abgesehen davon, dass das Stammtischniveau und die Irrelevanz dieser Beispiele kaum zu überbieten ist, möchte ich auf diesem Wege einmal höflich anfragen, ob wir Evangelische nichts anderes zu fasten haben, angesichts der Gegebenheiten unseres Diesseits.

Und ich möchte auf diesem Wege fragen, ob fasten nicht eigentlich auch etwas anderes ist. „Fasten und leiblich sich bereiten ist zwar eine feine äußerliche Zucht, aber der ist recht würdig und wohl geschickt, wer den Glauben hat an diese Worte: für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden“ (Kl.Kat.V.4) Der Katechismus lehrt es also als „feine äußerliche Zucht“, jedoch nur in Unterordnung zum Glauben; zuerst der Glaube und dann ggf. das Fasten aber niemals umgekehrt. Fasten ohne Glauben ist sinnlos!

Eigentlich und wörtlich verstanden basierte die Reformation genau auf dem Motto der „Fastenaktion“. Luther hinterfragte die „falsche Gewissheit“ des Ablasshandels und in seinem Schriftstudium dachte er selbst ohne Tabus und Denkverbote. Doch man kann wohl nicht sagen, dass der Reformator „Entdeckergeist, Ketzermut und viel Freude an eigenen Denk-Abenteuern“ gehabt hätte, wie Arndt Brummer frohlockt. Im Gegenteil, Luther hatte Angst! Angst vor Sünde, Tod und Teufel, vor einem strafenden Gott, einer übermächtigen und korrupten Kirche und seelischen Nöten.

Luther und viele seiner Zeitgenossen merkten, dass manche der vermeintlichen Gewissheiten Mogelpackungen waren, erdacht von spitzfinden Geschäftsleuten. Und sie merkten es daran, dass diese „Gewissheiten“ weder trösten konnten, noch zum Glauben reizten, noch dem Nächsten dienten, noch sonst irgendetwas mit Gott in Jesus Christus zu tun hatten.

„Selber denken“ ist protestantisches Prinzip und kann auch Freude machen. Aber Vorsicht! Wer anfängt mit Gesetz und Evangelium im Gepäck, Denkverbote zu überschreiten, „Gewissheiten“ zu hinterfragen und über das Binsenweisheitsgeplänkel hinauszugehen, der wird merken, dass die Mehrheit wenig versteht und wenig Verständnis hat und dass die eigentliche Not wesentlich größer ist, als die meisten Menschen überhaupt ahnen können. Es geht nicht um Bahnfahren, Kinder und Süßigkeiten, sondern um Sinnlosigkeit, Gottvergessenheit, Egoismus, Verlogenheit und viel weltlichen Zauber, der in einer wirklichen Krise ganz und gar nicht trägt (aber sich gut vermarkten lässt, häufig übrigens als „Aktion“).

Man sollte die „Fastenaktion“ umkehren und daraus 7 Wochen (und hoffentlich ein Leben lang) mit „richtigen“ Gewissheiten machen. Unser Glaube verheißt einen persönlichen Gott, der sich jedem von uns in Jesus Christus zuwendet. Es ist ein tägliches Geschäft und durchaus im Trubel des Alltags ein hartes Brot sich ihm umgekehrt auch zuzuwenden. Denn an dieser „richtigen Gewissheit“ fehlt es doch sehr oft am Krankenbett, in der Arbeitslosigkeit, in Angst und Not, Gewalt und Gefahr.

Zu dieser „richtigen Gewissheit“ gehört übrigens auch die Erkenntnis, dass wir von Adam an dazu neigen, eher Gott den Herrn in Frage zu stellen, als uns selbst (Stichwort: Sünde). Angesichts dessen wäre es vielleicht doch besser fasten und beten wieder mehr zusammenzubringen und dabei ein Herrenwort zu beherzigen: „Wenn du aber fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht, damit du dich nicht vor den Leuten zeigst mit deinem Fasten, sondern vor deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.“ (Matthäus 6,17+18)

Wer sich über „7 Wochen ohne falsche Gewissheiten“ informieren möchte, darf das gerne hier tun http://tinyurl.com/brco9qe . Aus dieser Quelle stammen auch die Zitate von Arndt Brummer.

Pfr. Dirk Bangert, Ratingen, 25.02.2014



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