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Kritische Anfragen an die Verwaltungsstrukturreform

Beschluß des Konvents am 3.3.2013 in Brühl

Die Landessynode hat im Januar 2013 nach einem zweijährigen Diskussionsprozess ein Verwaltungsstrukturgesetz beschlossen. Das Gesetz verfolgt folgende Ziele:
- Kirchenkreisgebiet und Verwaltungsbereich stimmen überein.
- Die Verwaltung ist nicht mehr Aufgabe der Gemeinde, sondern des Kirchenkreises.
- Die Verwaltung von Kirchenkreis, Gemeinden, Verbänden und ihrer Dienste und Einrichtungen erfolgt über eine gemeinsame Verwaltung.
- Träger der Verwaltung ist der Kirchenkreis, der Kreissynodalvorstand trägt die Verantwortung für sie.
- Jedes Verwaltungsamt besitzt eine Mindestgröße. Sie beträgt 15 Vollbeschäftigungseinheiten.
- Jedes Verwaltungsamt hat einen Mindeststandard. Es muss die Aufgabenbereiche Personalwesen, Finanzwesen, Bau- und Liegenschaften, IT-Angelegenheiten, Leitung sowie Organisation und Controlling aufweisen, deren Mindestausstattung von der Kirchenleitung per Rechtsverordnung festgelegt wird. Hinzu kommt die Verwaltung der Friedhöfe und Kindertagesstätten soweit vorhanden. Diese Aufgabenbereiche dürfen nicht mehr von Kirchengemeinden wahrgenommen werden.
- Die Verwaltung unterstützt „kreiskirchliche Prozesse “.
- Sie entlastet Presbyterien und Kreissynodalvorstand, indem sie eigenständig handeln darf.

Dem Verwaltungsstrukturgesetz steht an vielen Punkten die Kirchenordnung entgegen, in der bislang Verwaltung Aufgabe der Gemeinde ist. Nun aber ist Verwaltung eine Aufgabe des Kirchenkreises. Darum musste die Kirchenordnung vor Verabschiedung des Verwaltungsstrukturgesetzes an zahlreichen Punkten geändert werden.

Daraus ergeben sich eine Reihe schwerwiegender Anfragen: -Die Änderungen der Kirchenordnung bedeuten eine Verschiebung der Gewichte von der Gemeinde hin zum Kirchenkreis und seiner Verwaltung. Kann man danach noch von einer presbyterial-synodalen Ordnung sprechen oder handelt es sich jetzt nicht um eine synodal-konsistoriale Ordnung?

-Leitungsverantwortung der Presbyterien: Die Gemeinden eines Kirchenkreises haben unterschiedliche theologische Profile , aus denen unterschiedliche Prioritäten bei der Verwendung der finanziellen Mittel folgen. Den Zielen des Kirchenkreises wird jedoch Vorrang eingeräumt, wenn die Verwaltung „kreiskirchliche Prozesse unterstützen“ soll. Bekommt nicht der Kirchenkreis ein unevangelisches Machtmittel zur Gleichschaltung der Gemeinden in die Hand?

-Hinter diesen Fragen verbirgt sich die theologische Frage nach der ekklesiologischen Qualität des Kirchenkreises im Verhältnis zur Gemeinde. Ist die Ev. Kirche im Rheinland weiterhin eine Kirche, die sich von der Gemeinde her aufbaut, oder soll die Gemeinde eine Filiale des Kirchenkreises werden? Hat die Gemeinde Vorrang oder der Kirchenkreis? Ist nicht die von Präses Schneider in seinem Präsesbericht 2012 vertretene Konzeption, dass „landes- und kreiskirchliche Entscheidungen repräsentative Selbstleitung der Gemeinden“ seien, eine Vernebelung der Eigeninteressen von Kirchenkreis und Landeskirche zum Zwecke der Machtausübung über die Gemeinden?

-Im Diskussionsprozess wurde von vielen Beteiligten ein Proponendum zur Verwaltungsstrukturreform gefordert. Dies wurde mit dem Argument abgelehnt, es handele sich nicht um eine grundsätzliche Frage mit Bekenntnisrang, sondern lediglich um eine organisatorische Änderung. Dass die Verwaltungsstrukturreform der Kirchenordnung an vielen Punkten widerspricht, wurde energisch bestritten. Umso mehr überrascht es, dass die Landessynode im Januar 2013 ohne Vorankündigung substantielle Änderungen an der Kirchenordnung vorgenommen hat, um die Verwaltungsstrukturreform verabschieden zu können. Dies zeigt, dass ein Proponendum sehr wohl nötig gewesen wäre.

-Wer kann die Verwaltung kompetent kontrollieren, wenn sie in beträchtlichem Umfang (einschließlich Siegelrecht) eigenständig handeln darf? Wird dadurch die Verwaltung nicht zu einer eigenen Größe, die so in der presbyterial-synodalen Ordnung nicht vorgesehen ist?

-Mindeststandards und Mindestpersonalausstattung führen zu einer Kostensteigerung, die in Zukunft nicht mehr hinterfragt werden kann. Kann sich eine schrumpfende Kirche eine Ausweitung der Verwaltung leisten?

-Trotz sinkender Gemeindegliederzahlen und entgegen allen Prognosen sind die Kirchensteuereinnahmen in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Dennoch wurden Pfarrstellen abgebaut, Jungtheolog(inn)en nicht angestellt, Inhaber von Sonderdienststellen ohne soziale Absicherung entlassen, Wartestandspfarrer(innen) zwangspensioniert und Kirchen geschlossen. Ist dies geschehen, um die Ausweitung der Verwaltung zu finanzieren?

-Reduziert sich nicht der Verwaltungsaufwand, wenn es weniger Gebäude und Mitarbeiter(innen) in den Gemeinden gibt? Müsste nicht vielmehr die Zahl der Mitarbeiter(innen)stellen, der Einrichtungen und Gebäude in ein Verhältnis zu der Personalausstattung der Verwaltung gebracht werden? In der jetzigen Form kann die Verwaltung in ihrem vergrößerten Umfang bleiben, selbst wenn das Verwaltete weniger wird! Es ist ein schwerwiegender Mangel, dass eine Verwaltung geschaffen wird, die das Schrumpfen managen soll, die aber selbst durch die Mindestausstattung Bestandsschutz genießt.

-Konkurrenz belebt das Geschäft. Das Verwaltungsstrukturgesetz schließt Konkurrenz durch die Monopolstellung der Verwaltung auf dem Gebiet des Kirchenkreises und durch die Definition von Pflichtaufgaben aus. Warum wird nicht ein kostensparendes „outsourcing“ durch Steuerberater, Gehaltsabrechnungstellen und Hausverwaltungsfirmen gefördert? Warum darf nicht nüchtern nachgerechnet werden, ob eine kirchliche Verwaltungsstelle oder ein außerkirchlicher Dienstleister kostengünstiger sind?


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