[Startseite]








Walter Mostert, Jesus Christus ?Anfänger und Vollender der Kirche. Eine evangelische Lehre von der Kirche, Zürich 2006, ed. J. Bauke-Ruegg, P. Koller, Ch. Möller, H. Weinacht

Eine Buchbesprechung von Robert Stratmann, Februar 2009

Acht Jahre nach Erscheinen der Aufsatzsammlung Glaube und Hermeneutik mit bis dahin unveröffentlichten Arbeiten des am 4. März 1995 verstorbenen Zürcher Systematikers Walter Mostert, erschien vor drei Jahren ?rechtzeitig zu seinem 70. Geburtstag (10. Juni 2006) ?das Manuskript einer im Wintersemester 1993/94 gehaltenen Ekklesiologie-Vorlesung. Mit nicht nur akribischem, sondern auch eindeutig liebevollem Fleiß haben die Herausgeber das handschriftliche Manuskript durchgearbeitet und für die Veröffentlichung aufbereitet. Und es muss betont werden, dass Mosterts theologische Arbeit solche Beachtung auch verdient. Seine Stimme darf in der systematisch-theologischen Wissenschaft nicht ungehört verhallen. Die nun vorliegende Ekklesiologie ist der beste Beleg hierfür.

Die systematisch-theologische Grundlegung

Für die systematisch-theologische Grundlegung dieses Werkes geht Mostert bei seinem Lehrer Gerhard Ebeling in die Schule. Und so entfaltet er die Grundgedanken strikt aus relationalem Wirklichkeitsverständnis und dessen christologischer Orientierung: Religion ist Gottesverhältnis. Wird dieses in Kreuz und Auferstehung Jesu Christi hineingenommen, dann gelangt es zu existentieller Tiefe (insofern der, die Glaubende Gott Gott sein lassen und von ihm allein das Heil erhoffen kann) und zu kosmischer Weite (indem das Verhältnis des, der Glaubenden zum Mitmenschen, zur Welt, zu sich selbst ins Gottesverhältnis hineingezogen wird). So erscheint Jesus Christus in biblischem Sinn als reales, geschichtliches Für-Uns-Sein Gottes. Das ist seine historische Wirklichkeit. Und da der Glaube nach Schleiermachers Diktum das Existentialverhältnis zu Gott ist, legt sich von selbst das Verständnis Jesu als des Anfängers und Vollenders des Glaubens (Hebr. 12,2) nahe. Wenn nun Jesus Christus, sprich Gottes Erlösungswerk in Kreuz und Auferstehung Jesu Christi, der Grund der Kirche ist, dann ist Kirche in der Person Jesu Christi verwirklicht. Und von daher ist die Formulierung Anfänger und Vollender der Kirche zu verstehen.

Der Aufbau

Diese Grundgedanken hält Mostert hartnäckig durch in den Paragraphen Kirche als religiöse Gemeinschaft; Jesus Christus ?Anfänger und Vollender der Kirche; Die primären Erscheinungsformen der Kirche (notae ecclesiae); Zum Wort Kirche; Zur Unterscheidung sichtbarer und unsichtbarer Kirche; Credo ecclesiam ?congregatio (communio) sanctorum; Die Attribute der Kirche: una, sancta, catholica, apostolica; Jesus Christus, der einzelne, die Gemeinschaft ?Hinweise zur Erscheinung der Kirche.

Der Gang der Darstellung

Im II. Kapitel widmet sich Mostert den primären Institutionen der Kirche und umreißt so eine spezielle Ekklesiologie. Unter den Primärinstitutionen der Kirche versteht er Gottesdienst, Abendmahl, Predigt, Taufe und Gebet, denen er sakramentale Dignität zugesteht ?durchaus auch der Predigt und dem Gebet. Mostert kann diesen ungewöhnlichen Weg in Anknüpfung an Luther gehen, der in seiner Programmschrift Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche ja Jesus Christus als Sakrament und Abendmahl, Taufe und hier noch die Buße als sakramentale Zeichen darstellt (erst in den Katechismen 9 Jahre später verschmilzt die Buße dergestalt mit der Taufe, dass nur noch von 2 Sakramenten die Rede sein kann).

Mostert kann seine ungewöhnliche Sicht der sakramentalen Zeichen aus der Korrelation von Gott und Mensch herleiten: Gott teilt sich uns mit in der Predigt des Evangeliums von Jesus Christus, also im Zuspruch des Für-Uns-Seins Gottes, das wir im Abendmahl begehen. Wir antworten mit der Taufe als Eintritt in die Wirklichkeit des Seins Gottes und im Gebet als der menschlichen Antwort auf Gottes Anrede.

Das Zentrum der Darstellung

Zum Zusammenhang des Abendmahls mit der Predigt führt Mostert aus, dass die Kirche mit der Feier des Abendmahls das Gegründetsein der Existenz allein im Wort von der Versöhnung ?nichts anderes ist Glaube! ?nicht überbietet, sondern unüberbietbar lebt, denn cm Abendmahl wird das Ganze des Lebens in der Welt und vor Gott gesammelt, verdichtet in dem Empfang der Versöhnung durch den Sünder. In der Predigt nun wird dieser Kern des Evangeliums, der Empfang der Versöhnung durch den Sünder, ausdrücklich in den Gesamtzusammenhang des Lebens gestellt.?So ergibt sich hier also das für alles Reden von Gott konstitutive Gegenüber des Wortes von der Rechtfertigung allein durch den Glauben zur menschlichen Erfahrung. Mostert erkennt hier ?wie F. Gogarten und G. Ebeling ?Luthers Unterscheidung von Gesetz und Evangelium wieder.

Eine evangelische Lehre von der Kirche im ökumenischen Gespräch

Man kann es nur als ausgesprochen schade bezeichnen, wenn Mosterts Vorlesung das Schicksal sehr vieler Vorlesungen seiner meisten Kollegen ereilte und die Zeit während des Semesters zu knapp wurde, um sie zu Ende führen zu können. Die Paragraphen zur Taufe und zum Gebet fehlen leider. Dafür haben die Herausgeber dankenswerterweise zwei Taufpredigten aus den Jahren 1964 und 1988 angefügt, die wesentliches über Mosterts Taufverständnis verraten.

Konsequentes Vernehmen der biblischen Botschaft, erlernt in der Schule reformatorischer Theologie, bewährt im Gespräch mit der Philosophie Martin Heideggers: So ließe sich Mosterts systematisch-theologisches Denken umreißen, und so begegnet es dem Leser auch in dieser Ekklesiologie: echt evangelisch, sodass man sich des evangelischen Kirchenbegriffs freuen kann. Man ist gerne iirchliche Gemeinschaft?und weiß zugleich, dass man Kirche im Vollsinn des Wortes ist: nichts anderes nämlich als die Gemeinschaft der gerechtfertigten Sünder. Darum kann dieses Werk einen Beitrag zum ökumenischen Gespräch über das Wesen der Kirche evangelischerseits leisten.

Man kann es nur bedauern, dass es Mostert nicht vergönnt war, ein weiteres Semester über Ekklesiologie zu lesen, denn es wäre interessant, wie er die sekundären Institutionen der Kirche (diakonische, pädagogische, soziale Arbeit) und ihre soziologische Gestalt darlegen würde.

Das Buch kostet 15,40 Euro. ISBN-10: 3-290-17375-5 ISBN-13: 978-3-290-17375-3

Pfr. Robert Stratmann, Ulm-Jungingen, Januar 2009



[Seitenanfang] [Startseite]