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Reden vom dreieinigen Gott – wie ist es begründet?
Das Problem, das menschliche Logik mit der Dreieinigkeit hat

Pfr. Robert Stratmann zum Trinitatisfest

Auf den ersten Blick scheint es einzuleuchten, dass die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes der Grundüberzeugung widerspreche, welche die abrahamitischen Religionen verbindet: dass da EIN Gott ist und keiner neben ihm. Monotheismus und Trinität scheinen sich zumindest im Konflikt zu befinden, wenn nicht gar einander auszuschließen.

In der Tat lässt sich auch die Kurzzusammenfassung „drei Personen, ein Gott“ logisch nicht auflösen und daher didaktisch schwer vermitteln, nicht nur gegenüber unseren jüdischen und muslimischen Gesprächspartnern, sondern ebenso unseren Mitchristen, wenn sie, zumeist nicht durch ein Theologiestudium geprägt, eine einsichtige Erklärung der Lehre von der Dreieinigkeit einfordern. Wir werden sie schuldig bleiben, und wir müssen diese Lücke in unserer christlichen Theologie eingestehen.

Freilich können und müssen wir auf das Recht jeder Religion bestehen, von den göttlichen Geheimnissen zu reden, uns ihnen in Bildern zu nähern, ohne sie logisch auflösen zu können und zu wollen.

Die Dreieinigkeit des einen Gottes ist ja auch nicht das einzige Geheimnis im neutestamentlichen Reden von Gott. Freie Gnadenwahl Gottes: die Schöpfung ins Dasein zu rufen, sich dich und mich zu erdenken und schließlich zu gegebener Zeit zu erschaffen, Israel zu seinem Volk zu erklären und ihm durch die Jahrtausende bis zum heutigen Tag gegen alle menschliche Untreue treu zu bleiben, seine Menschen (Juden wie Heiden!) in der Gestalt Jesu von Nazareth zu suchen und sich selber für sie als Opfergabe hinzugeben, damit sie Vergebung der Sünde und ewiges Leben haben, Jesus zum Zeichen dafür bereits ins neue Leben zu rufen – das alles ist für unseren menschlichen Verstand unbegreiflich, und wir nähern uns mit jeder dieser Bekenntnisaussagen dem großen Geheimnis, das wir GOTT nennen. Wenn sich das nun bei jedem Bekenntnis zu Gottes Handeln in der Bibel so verhält, dann kann es beim allgemeinchristlichen (im Ursinn des Wortes „katholischen“) Grundbekenntnis der Dreieinigkeit des einen Gottes nicht anders sein.

Der Grundcharakter des biblischen Redens von Gott . . .

Eine Auflösung des göttlichen Geheimnisses wird bis zum Jüngsten Tag keinem Menschen gelingen, und so wollen wir das auch gar nicht versuchen. Was wir aber sehr wohl leisten können, ist der Versuch zu zeigen, dass die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, die strikte Proklamation des Monotheismus ist. Wir müssen uns nicht scheuen, dies ins interreligiöse Gespräch einzubringen. Nicht, dass wir damit Juden und Muslime bekehren wollten! Aber wir können zumindest deutlich machen, was wir mit der Trinitätslehre sagen wollen. Und ich bin wirklich überzeugt, dass die biblische Weise, von Gott zu reden, auf seine Dreieinigkeit hinausläuft, wenn der Grundcharakter des biblischen Redens von Gott hartnäckig durchgehalten wird.

In der Bibel wird stets so von Gott geredet, dass bei aller Unterschiedlichkeit der einzelnen Traditionen und aller Gegensätzlichkeit der verschiedenen Vorstellungen gesagt werden muss: Gott ist in jedem Fall ein beziehungsknüpfender Gott, und er ist ein schenkender Gott. Davon ist er durch nichts abzubringen. Das ist sein Wesen. Man kann dies durch die ganze Bibel hindurch buchstabieren.

. . . in der Schöpfungsgeschichte

Gott bleibt nicht allein. Das würde ihm, dem völlig auf Beziehung setzenden Wesen, nicht entsprechen. Deswegen ist es das allererste, dass er sich ein Gegenüber schafft. „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ ist deshalb der erste Satz der Heiligen Schrift. Nicht dass er damit einem Zwang von außen unterlegen wäre, sich zu verwirklichen! Gott ist ja selbst schon „ein glühender Backofen voller Liebe“, wie Luther in seiner Predigt zu 1. Joh. 4, 16 – 21 aus dem Jahr 1532 sagt (WA 36; 425,13). Er teilt lediglich sein Wesen mit.

Und Gott gestaltet seine Schöpfung kunstvoll, erschafft den menschlichen Lebensraum und die menschlichen Lebensbedingungen. Schließlich ruft er den Menschen ins Dasein, denn Gott will dieses Gegenüber, das seine Nähe und Treue ahnen kann. So kann er sich ihm offenbaren. Und das erste Wort an den Menschen ist: „Da beschenke ich dich. Du darfst essen (und trinken und lieben und leben).“ Gott ist entweder ein schenkender Gott, oder er ist überhaupt nicht. Der Mensch ist seinem Wesen nach bedürftig, angewiesen auf die Gaben und aufs Geliebt- und Angenommensein. Der schenkende Gott und der bedürftige Mensch: sie sind daraufhin angelegt, zusammen zu sein und in Beziehung zu stehen. Freilich steckt darin eine Definition von Menschsein, die unserem Empfinden und Denken des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts zuwiderläuft. Denn wir tendieren dazu, in der Schöpfungslehre den Menschen als den souveränen Partner Gottes zu beschreiben, den er zu Freiheit und Selbstbestimmung berufen hat, sodass er instandgesetzt ist, Ich zu sagen. Ohne die Richtigkeit und Wichtigkeit dieses Gedankens bestreiten zu wollen (sie wurde ja zu keiner Zeit der Theologiegeschichte vergessen): Das primäre und tiefere Recht hat die Darstellung des Menschen als des der göttlichen Gaben Bedürftigen und auf sie Angewiesenen. Gerade, weil sie unserem Zeitempfinden konträr verläuft, interessiert sie mich. Denn der bedürftige Mensch und der schenkende Gott haben eine aufregende Geschichte miteinander. Weil Gott und Mensch sich entsprechen, Gott aber nicht anders als in Beziehung leben will, so teilt der Mensch mit Gott diesen Grundzug. Daher ist es „nicht gut, dass der Mensch allein sei“.

Und Gott sagt weiter: „Nun tu mir bitte den Gefallen und schiebe meine gebende Hand nicht beiseite, indem du dir alles selber organisieren willst. Du sägst damit den Ast ab, auf dem du sitzt!“ Aber natürlich tun die Menschen das! Der Sündenfall bleibt nicht aus. Und so tasten sie die Mitte an. Gott wollte die Mitte ihres Lebens sein und selber für ihr Dasein aufkommen. Aber die Menschen setzen sich selber an diesen Platz. Jedoch beendet Gott ihre Existenz nicht. Er geht darauf ein, richtet alles so, dass sie nun ihre leiblichen Bedürfnisse selber stillen können.

Aber darin steckt zugleich das göttliche Gericht: „Du willst selber die Mitte deines Lebens sein, das ich dir gab? Du willst mich aus der Mitte verdrängen? Ich werde dir zeigen, was das heißt! Sei die Mitte deines Lebens! Spiele die Rolle, die du dir angemaßt hast! Spiele sie, bis du nicht mehr kannst! Und wenn du nicht mehr kannst, dann musst du weiterspielen. Und: Du wirst mich nicht mehr eindeutig wahrnehmen. Du wirst leben müssen, als wäre ich nicht da. Und nun gestalte dein Leben! Habe Erfolg und scheitere! Erlebe Erfüllung und Niederlagen! Ahne meine Existenz, verlange mich wahrzunehmen und verzweifle an meiner Verborgenheit!

Freilich bleibt Gott in der Nähe. Wie könnte er, der Liebhaber der Menschen, uns verlassen! Aber er verbirgt sich. Das muss er schon deshalb tun, weil er uns vor seiner Existenz schützen muss. Wir würden sonst seit dem Sündenfall auf der Stelle vergehen, würden wir ihn sehen. Aber seine Liebe gehört uns. Er wäre sich ja sonst untreu geworden. Und ohne Zweifel bringt er uns wieder ins Paradies zurück. Aber das wird ein langer Weg werden!

. . . in der Heilsgeschichte

Von diesem Ausgangspunkt könnten wir nun die ganze Bibel durchbuchstabieren. Und wir würden sehen, wie der Haarriss zwischen Gott und Mensch, der in Gen. 3 erzählt wird, sich fortsetzt, breiter und breiter wird, bis wir schließlich auseinanderbrechen, Gott und Mensch, aber auch Mensch und Mensch, Mensch und Natur. Erst brauchen die Menschen Kleider, mit denen sie sich gegeneinander und gegen die Natur abgrenzen. Dann geschieht Kains Brudermord (Gen. 4, 1 – 16). Ist bisher niemand geschädigt worden, so ist es nun geschehen, dass der Mensch seinen Menschenbruder getötet hat. Und die Erde (die adamah) hat Blut (dam) des Menschen (adam) getrunken. Es folgt Lamechs Rücksichtslosigkeit, mit der er über Leichen geht, das einzelne Menschenleben gilt ihm nichts mehr (Gen. 4, 23 – 24). Am Ende geraten noch Himmel und Erde durcheinander, als sich die Himmelsbürger von der menschlichen Rebellion anstecken lassen, die Grenze verletzen und über die Frauen der Menschen herfallen (Gen. 6, 1 – 4). Darauf resigniert sogar Gott, und er löscht in der Sintflut die alte Schöpfung und die Menschen aus – nein, nicht ganz! Denn die Beziehung geht ihm über alles, und so rettet er das Geschlecht Noahs durch den Untergang hindurch (Gen. 6,5 – 9,17). Dann folgt die Geschichte vom Turmbau zu Babel (Gen. 11, 1 – 9). Die Menschen haben Angst, im Dunkel der Geschichte zu versinken. Und so machen sie sich einen Namen. Sie haben vergessen, dass sie bei Gott einen Namen und unsterbliches Gedenken gehabt hätten.

Damit endet der große Prolog des AT: die Urgeschichte, Menschheitsgeschichte und Gegenwartsgeschichte zugleich. Der Haarriss zwischen Gott und Mensch im Paradies hat schließlich zum Zerbrechen der Menschheit geführt. So viel lag an der Gott-Mensch-Beziehung! Adam und Eva haben das nicht geahnt.

Aber Gott gibt nicht auf. Und wenn es mit der ganzen Menschheit noch nicht geht, dann eben mit einem Volk, stellvertretend für die Menschheit. Und es folgt (ab Gen. 12) die Geschichte Israels mit Verheißung und Erfüllung, mit Gehorsam und Ungehorsam, Segen und Fluch, Beschenktsein und Entbehrung, Lohn und Strafe. Die Propheten treten auf. Und sie bringen – Gottes Gabe; was sonst?! Aber Gott schenkt hier nur sein Wort, dem Israel gehorchen muss. Und sie gehorchen und fallen ab. Dann stürzen sie in die Katastrophe, und Gott schweigt 40 Jahre lang. Dann, nach 4 Jahrzehnten der Gottesfinsternis, gibt er wieder sein Wort. Hat damit noch jemand gerechnet? Nach 40 Jahren göttlichen Schweigens erklingt Deuterojesajas Stimme: „Tröstet, tröstet mein Volk! Redet mit Jerusalem freundlich! Prediget ihr, dass die Knechtschaft nun ein Ende hat!“ (Jes. 40,1f.).

Aber es wird kein Friede im Heiligen Land. Auf die Herrschaft der Meder und Perser folgt die Herrschaft Alexanders des Großen, nach seinem Tod die Herrschaft der Diadochen und im Heiligen Land der Aufstand der Makkabäer. Dann zerstreitet sich das Hasmonäergeschlecht, es folgt Bürgerkrieg. Inzwischen steigt Rom zur Weltmacht auf, und der große Feldherr Pompejus Maximus befriedet den Nahen Osten gewaltsam, der wohl schon immer ein Pulverfass gewesen ist, und lässt Besatzungstruppen zurück.

Schließlich erscheint Gott selbst in dem grandiosen Szenario der Geschichte. Er muss aus dem bekannten Grund verborgen auftreten. Und so tut er es in der Person Jesu von Nazareth und zieht die letzte Konsequenz: Er lebt unser menschliches Leben und stirbt unseren menschlichen Tod. Aber damit zerbricht er den Tod von innen – er, der in Ewigkeit lebt und Macht über den Tod hat. Und so ist Jesus Christus das ultimative Gabewort, mit dem Gott uns nun sagt: „Da beschenke ich euch. Du darfst bei mir ewig leben. Da hast du meine Gnade. Du musst nur meinem Wort glauben. Aber nun bitte Vorsicht! Du wolltest dir die leiblichen Gaben selber organisieren. Das habe ich geschehen lassen, wenn ich dich auch hart dafür bezahlen ließ. Nun mache nicht denselben Fehler noch mal! Diesmal wäre es unweigerlich dein Untergang. Wolle dir nun nicht auch meine Gnade noch selber verdienen mit deinen Werken! Lass sie dir schenken, indem du meinem Wort glaubst! Du hast damit Vergebung der Sünde und das ewige Leben. Nimm es, es gehört dir, denn ich habe dich je und je geliebt, damit habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Gnade.“

Was für eine grandiose Geschichte! Was muss noch alles geschehen, bis wir wieder ungebrochen bei ihm sind? Aber die letzte Offenbarung in Jesus Christus ist nicht mehr zu überbieten.

Die Dreieinigkeit des einen Gottes als Quintessenz des biblischen Redens von Gott

Aus dieser Federstrichskizze der biblischen Geschichte Gottes mit den Menschen geht als die wichtigste Erkenntnis hervor: Wir können niemals von Gott an und für sich reden. Der „nackte Gott“ (Deus nudus), wie Luther ihn nennt, geht uns nichts an. Gott ist für uns der „menschgewordene Gott“ (Deus incarnatus), der in Beziehung stehende Gott. Wenn wir von Gott reden, dann müssen wir – um seines schenkenden Wesens und um unserer Bedürftigkeit willen – von unserer Gottesbeziehung reden.

„Wer ist Gott?“ Diese Frage müssen wir so formulieren: „Wer ist Gott für dich und mich? Wie handelt er an uns und an der Welt?“

„Wer bin ich?“ Das heißt: „Wer bin ich vor Gottes Angesicht?“

Gotteserkenntnis ist Selbsterkenntnis im Licht vor Gottes Angesicht. Reden von Gott ist Reden vom Glauben. Denn Gottes Wesen ist sein Handeln an uns. Dies fokussiert Paulus im Rechtfertigungsevangelium (Röm. 1, 16 + 17; 3, 21 – 31; 1. Kor. 1, 18 – 31; Gal. 3) als in einem Brennpunkt.

Die Gott-Mensch-Beziehung bestimmt überhaupt erst, wer Gott ist und wer wir sind. Durch sie werde ich Person. Durch sie wird auch Gott Person. Ich selber bin eine zwiegespaltene Person, denn durch die Sünde, das verzweifelte Aufbäumen gegen Gottes Gnade, wohnt beides in mir, das Gute und das Böse, die Treue und die Untreue, der Glaube und der Unglaube, die Heilsgewissheit und der Zweifel. Wäre da nicht Christi Kreuz, das die Sünde niederringt, wäre ich dem Untergang geweiht.

Aber Gott ist eine einige Person: VATER (er ist eine kommunikative Person, so ist es sein Wesen, sich zu offenbaren) – SOHN (er offenbart sich in seinem Wort, sein endgültiges Wort für uns ist Jesus Christus) – HEILIGER GEIST (um dieses Wort zu verstehen, um zu vernehmen, dass uns in Jesus Christus Vergebung der Sünde und ewiges Leben geschenkt ist, muss Gott uns seinen Geist geben, denn der natürliche Mensch vernimmt Gottes Gnade nicht).

Vater, Sohn und Heiliger Geist: Wie könnte man anders von dem einen Gott der Bibel reden? Ich wüsste nicht wie!

Pfr. Robert Stratmann, Ulm, 05.06. 09



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