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Vatikan-Papier: Ohrfeige für Bischof Huber?
Ein Kommentar von Wilhelm Drühe

Laut sind nun die Klagelieder derer, die in unserer evangelischen Kirche in Deutschland das Sagen haben. Da hat die vatikanische Glaubenskongregation mit der ausdrücklichen Billigung des Papstes – wie könnte es bei einer so wichtigen Frage in Rom auch anders sein! – daran erinnert, wie es mit dem römisch-katholischen Kirchenverständnis aussieht und was für die evangelischen „Kirchen“ daraus folgt. Auf Fragen wird in dem Vatikan-Papier geantwortet, das klingt wie eine Art Nachhilfe für die, die es immer noch nicht kapiert haben. Wer hat denn die Fragen gestellt, dass jetzt eine Antwort aus dem Vatikan kommen muss?

Rückschlag für die Ökumene?

Zu denen gehört sicher an erster Stelle der Berliner Bischof, Professor Dr. Wolfgang Huber, auch Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Seine Reaktion: „Rückschlag für die Ökumene“. Die Süddeutsche Zeitung bringt am Tage nach der Veröffentlichung in Rom einen Bericht, dazu das Bild vom Papst-Besuch des Wolfgang Huber: „Ein Katholik, ein Protestant – und zwischen ihnen Distanz.“, so die Bildunterschrift. Da hatten sie so schön und geistvoll geplaudert, die beiden Professoren, die in ihren Kirchen etwas geworden sind – und jetzt das aus Rom, wo man sich mit dem Papst so gut verstanden haben soll! Trost mag es für den Berliner Bischof sein, das andere mit ihm in den Trauergesang einstimmen: Der Ökumene-Experte der deutschen Lutheraner, Bischof Friedrich Weber (Braunschweig) empfindet Trauer über das Vatikan-Papier. Man könne auf das Dokument mit Zorn und Unverständnis reagieren, aber er ziehe Trauer vor.

Was evangelische Ökumeniker wissen sollten!

Wer sich in unserer evangelischen Kirche in Deutschland mit der Ökumene im Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche beschäftigt, der sollte vor allem endlich Abschied von einer Art theologischer Traumtänzerei nehmen. In allen Bereichen unseres Lebens gilt: Wenn ich mit einem Partner beschäftige, dann muss ich davon ausgehen, was er denkt, wie er wertet und was er beabsichtigt. Diesen Denkmechanismus schalten die evangelischen „Ökumeniker“ offensichtlich aus – und sie beschäftigen sich mit einer Papst-Kirche, wie sie sie gerne hätten. Also wird nicht gelesen und beachtet, was der Vatikan in der Enzyklika „Ut unum sint“ über den Einsatz für die Ökumene 1995 geschrieben hat. Im Jahre 2000 veröffentlichte die Kongregation für die Glaubenslehre, die jetzt wieder von sich reden macht, die Erklärung „Dominus Jesus“ – über die Einzigkeit und die Heilsuniversität Jesu Christi und der Kirche. Chef war damals der Kardinal Ratzinger. Neben dem Katechismus der katholischen Kirche sollte diese beiden Schriften greifbar in der Nähe eines protestantischen Arbeitsplatzes liegen – und auch beachtet werden, wenn man über Ökumene sprechen und schreiben will. Wer sich heute über das neue Vatikan-Papier, das eigentlich nur ein Aufguss der bisherigen Kirchen-Lehren Roms ist, ärgert oder aufregt, der will einfach nicht wahrhaben, wie Rom die so genannte „Ökumene“ sieht und wertet!

Ökumene der Profile

Als Papst Benedikt XVI. zum Weltjugendtreffen in Köln war und auch evangelischen Kirchenführern eine Audienz gewährte, meinte Bischof Huber wohl mit der neuen Formel von der „Ökumene der Profile“ einen guten Wurf seiner gehobenen Intellektualität landen zu können. Denkste! Für Kardinal Walter Kasper, Präsident des päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, war das Buch von Wolfgang Huber „Im Geist der Freiheit. Für eine Ökumene der Profile“ – im Herder-Verlag in Freiburg im Breisgau, dem Papst-Verlag in Deutschland gerade erschienen – eine gute Gelegenheit, medienwirksam zu kontern. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ konnte man am 23. Juni 2007 in einer Buchbesprechung durch den Kardinal lesen: „So ist die Ökumene der Profile eine Ökumene, die auf halbem Weg stehen bleibt. Sie umgeht in wichtigen Punkten die Wahrheitsfrage und ist kaum das, was Luther und was das Augsburger Bekenntnis von 1530 angestrebt hatten.“ Es müsse auch um eine gegenseitige Anerkennung der unterschiedlichen Profile gehen. Also: Wolfgang Huber nur „auf halbem Weg“ mit seiner „Ökumene der Profile“, weil er die Wahrheitsfrage ausklammert? Weil er nicht mehr auf dem Weg Martin Luthers und des Augsburger Bekenntnisses von 1530 ist? Also eine vernichtende Kritik am EKD-Vorsitzenden, der sonst wohl fast nur noch kirchliches und gesellschaftliches Groß-Lob gewohnt ist.

Kardinal Kaspers Rüge

Das war aber noch nicht alles. In einem Statement im „Radio Vatikan“ am folgenden Tage erklärt Walter Kasper, wem die neuen, aber alten Kirchen-Thesen aus dem Vatikan gelten - nämlich dem Berliner Bischof. „Es waren gerade evangelische Partner, die in letzter Zeit einer Ökumene der Profile das Wort redeten.“ Wenn nun die Erklärung aus dem Vatikan das katholische Profil darlegt und ausspricht, „was uns aus katholischer Sicht leider (!) noch immer trennt“, dann hindere dies nicht den Dialog sondern fördert ihn. In der FAZ hatte der Kardinal mit der Auseinandersetzung mit dem Berliner Bischof begonnen, hier wird sie fortgesetzt – fast könnte man den Eindruck haben, dass die Fragen, die im Vatikan beantwortet sind, von Wolfgang Huber gestellt worden sind. Und eines wird deutlich: Im Umgang mit der Papst-Kirche kommen wir nicht weiter mit Entwürfen wie „Ökumene der Profile“, wenn dann nicht auch gegenüber Rom gesagt wird, was denn nun „evangelisches Profil“ ist und was wir beim „katholischen Profil“ grundsätzlich ablehnen müssen – wie im 16. Jahrhundert Luther und Calvin!

Kardinal Kasper sieht keinen „sachlichen Grund zu Empörung oder ein Anlass sich brüskiert zu geben – also keine „raschen ersten Reaktionen“, die bei evangelischen Christen zu Irritationen führen, sondern eine ruhige zweite Lektüre! Kritisiert wird aus Rom in Richtung Berlin nicht nur Inhaltliches, sondern auch das unsachliche Umgehen mit einer Antwort aus Rom. Es gehe doch um eine „dringliche Einladung zu einem sachbezogenen weiterführenden Dialog“ – so der Fachmann für Kirchen-Einheit im Vatikan.

Rom hält die anderen „kirchlichen Gemeinschaften“ des Protestantismus nicht für Kirchen im eigentlichen Sinn, also für Kirchen wie die katholische Kirche sich als Kirche versteht. Kardinal Kasper noch einmal: „Das ist für jeden auch nur halbwegs Unterrichteten eine pure Selbstverständlichkeit.“ Hat er dabei vielleicht auch an Wolfgang Huber gedacht und ihn mitgemeint? Die evangelischen Kirchen legten Wert darauf, ein anderes Kirchen- und Amtsverständnis zu haben. Schließlich hätte das jüngste evangelische Dokument über Amt und Ordination etwas Ähnliches getan wie jetzt der Vatikan und in der Sache behauptet, das katholische Kirchen- und Amtsverständnis sei aus evangelischer Sicht nicht das eigentliche. „Die Erklärung der Glaubenskongregation tut nichts anderes als dass sie zeigt, dass wir das eine und selbe Wort Kirche nicht völlig in demselben Sinn gebrauchen.“ Und noch einmal die Feststellung, dass das Vatikan-Papier im evangelischen Deutschland völlig falsch aufgenommen worden ist. „Eine solche Feststellung dient der Klarheit und damit dem Fortschritt.“

Wurden Kirchen-Differenzen verharmlost?

Also keine Schummelökumene, keine Kuschelökumene, bei der bestehende Differenzen unter den Tisch gekehrt und verharmlost werden. Dialog müsse mehr sein als Geschwätz und sei nur möglich zwischen Partnern, die ihr Profil und ihre Identität haben, sie kennen und sie auch schätzen – so der Kardinal in der FAZ-Besprechung über das Huber Buch, in dem dieser die „Ökumene der Profile“ vorstellen wollte. Ich halte das Vatikan-Papier für eine Antwort darauf – und für eine Ohrfeige für den Berliner Bischof!

Wie soll es weitergehen? Ich finde, dass etwas gründlicher bei uns gearbeitet werden müsste. Ich halte zwischenkirchlichen Übereinkünfte, wie die über die „Rechtfertigungslehre“ – immerhin doch ein Herzstück unserer evangelischen Kirche, so weit sie sich (noch) auf die Reformation des 16. Jahrhunderts zurückführt -, für unsinnig, wenn sie schließen mit der Bemerkung, dass die Verständigung über verschiedene Kirchenverständnisse nicht möglich waren. Was ist eigentlich Ökumene, was kann Ökumene leisten, welches Ziel hat die Ökumene? Ist sie vielleicht doch nur ein frommer Etikettenschwindel? Macht es einen Unterschied, ob wir die Ökumene zwischen evangelischen Kirchen betrachten – oder ob es um das Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche geht? Hubers Buch „Im Geist der Freiheit – Für eine Ökumene der Profile“ hat nur Verwirrung gebracht – vielleicht doch ein Schnellschuss. Die Sache „Ökumene“ erfordert neues Nachdenken, wahrscheinlich auch über das eigene Kirchenverständnis. Wenn das so unklar bleibt wie in „Kirche der Freiheit“, dann kann es auch im Verhältnis zu anderen Kirchen nicht besser werden.

Pfr. i. R. Wilhelm Drühe, Mettmann, 12.07.06



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