Der Koran enthält
an keiner Stelle eine systematische Abhandlung über das Wesen oder
die Eigenschaften Gottes, der im arabischen "Allah" genannt wird, was nichts
anderes bedeutet als "der Gott". Er wird im Koran nicht wie im Alten Testament
vorgestellt ("Ich bin, der ich bin" 2. Mose 3,14). Er bleibt vielmehr verborgen,
ein Geheimnis. Er ist vollkommen losgelöst von seiner Schöpfung
und in keiner Weise mit seinen Geschöpfen vergleichbar, denn "nichts
ist ihm gleich" (Sure 42,11). Weil Gott ein Geheimnis ist, kann der Mensch
sich keine Vorstellung von ihm machen. Das stände ihm auch gar nicht
zu. Er kennt nur die Namen Gottes, die ihm im Koran beigelegten Attribute
und erfährt von seinem Handeln mit den Menschen. Daß Gott nur
einer ist, ihm nichts gleicht und er mit nichts zu vergleichen ist, das
ist das Zentrum der koranischen Botschaft und der islamischen Dogmatik,
der "tauhid" (die Einsheit Gottes): "Er ist Gott, ein Einziger, Gott der
Ewige! Er zeugt nicht, und er wurde nicht gezeugt! Und es gibt niemand,
der ihm gleicht!" (112,1-4)
Dieser Gott wird vor
allem von drei Bereichen gekennzeichnet, von Schöpfung, Erhaltung
und Gericht. Der Koran berichtet, daß Gott am Anfang die Welt und
die Menschen erschuf. Am Ende der Tage wird jeder Mensch ins Gericht kommen
und Vergeltung erfahren von dem allmächtigen, aber auch gnädigen
Gott, dem nichts verborgen bleibt, auch kein Blatt, das zu Boden fällt
(6,59). Gott ist der einzige Gott, transzendent und existent, allmächtig
und allgegenwärtig, unveränderlich und unvergänglich, ewig
und unerschaffen, allwissend und unumschränkt in seiner Herrschaft:
"Er zeugt nicht und ist nicht gezeugt. Messungen können ihn nicht
umfassen, Schleier können ihn nicht bedecken. Die versuchen ihn zu
ergreifen, können ihn nicht erfassen, nach dem Menschen kann er nicht
gemessen werden, das Geschöpf gleicht ihm unter keinem Aspekt". Heute
hat sich im Islam die Auffassung durchgesetzt, daß Allah 99 Namen
besitzt, mit denen die Gläubigen ihn anbeten können.
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1. Gott, der Richter
Schon in der Frühzeit
des Islam verkündigte Muhammad Gott als Richter im Jüngsten Gericht,
in dem alle Menschen ohne Ausnahme zur Verantwortung für ihr Handeln
und ihren Glauben gezogen werden: "Die Stunde (ergänze: des Gerichts)
kommt bestimmt. An ihr ist kein Zweifel möglich" (40,59). Am Ende
der Zeiten, zur von Gott festgesetzten Stunde, werden Tote und Lebendige
zu Gott "zurückgebracht": "Und macht euch auf einen Tag gefaßt,
an dem ihr zu Gott zurückgebracht werdet. Dann wird jedem voll und
ganz das vergolten, was er (ergänze: während seines Lebens) begangen
hat! Und ihnen (ergänze: den Menschen vor Gericht) wird nicht Unrecht
getan" (2,281), denn Gott wird absolut gerecht richten. Das Tun jedes Menschen,
das in einem Buch verzeichnet ist, wird auf einer Waage gewogen. Gläubige
Muslime kommen ins Paradies, während Ungläubige auf ewig in die
Hölle geworfen werden.
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2. Gott, der Allmächtige
Die Allmacht Gottes
ist eines der wichtigsten Kennzeichen Gottes im Koran. Oftmals hebt der
Koran hervor, wie machtlos dagegen die Götzen sind. Nach Sure 22,73-74
können die Götzen mit gemeinsamer Anstrengung noch nicht einmal
eine Fliege erschaffen, während der Allmächtige der Schöpfer
des Himmels und der Erde und jedes einzelnen Menschen ist. Dem Menschen
kommt es zu, die Allmacht Gottes und sich selbst als sein Geschöpf
und Diener anzuerkennen, sich ihm zu unterwerfen und an ihn zu glauben,
denn er schuldet ihm für sein beständiges Erbarmen Dank und Anbetung.
Obwohl es zwischen
dem transzendenten Schöpfer und dem vergänglichen Geschöpf,
dem Menschen, eigentlich keinen Vergleich und keine Verbindung gibt, hat
Gott dem Menschen Wissen über ihn zukommen lassen. Wissen allerdings
nicht im eigentlichen Sinn über seine Person und sein Wesen, denn
es ist undenkbar, daß Gott seine Transzendenz überschritte,
für menschliche Augen sichtbar würde oder in die Welt käme,
um sich in menschlicher Weise zu offenbaren. Gott übermittelte vielmehr
dem Engel Gabriel sein Wort, der es den einzelnen Propheten in der Geschichte
überbrachte. Die Propheten übermittelten dann Gottes Botschaft
den Menschen. So wurde die Offenbarung Gottes herabgesandt.
Trotz der Offenbarung
und Gottes Handeln in der Geschichte bleiben der Bereich Gottes und der
des Menschen deutlich und unüberwindbar voneinander abgegrenzt. Das
bedeutet jedoch nicht, daß Gott dem Menschen fern wäre. Der
Koran spricht vielmehr davon, daß Gott dem Menschen "näher ist
als seine Halsschlagader" (50,16). Damit wird jedoch vor allem Gottes Allgegenwart
betont. Auch die Aussage: "er ist der Freund der Gläubigen" (3,68)
betont Gottes Erbarmen mit den Menschen, ist aber auf keinen Fall so zu
verstehen, daß Gott mit den Menschen etwas gemeinsam hätte.
Unvereinbar mit dem koranischen Gedanken von der Unvergleichlichkeit Gottes
mit seinen Geschöpfen wäre auch, Gott als "Vater" zu bezeichnen,
als Vater Jesu Christi und Vater seiner Geschöpfe. Den Gedanken der
Gottessohnschaft und Vaterschaft Gottes, der im Islam im physischen Sinn
verstanden und in Bezug auf den christlichen Glauben aufgegriffen wird,
lehnt der Koran entschieden ab, ebenso wie die christliche Auffassung von
der
Dreieinigkeit, die nach Auffassung des Korans ebenso Vielgötterei
bedeutet wie der Polytheismus der arabischen Landsleute Muhammads.
Außer durch den
Koran spricht Gott zu den Menschen durch "Zeichen", die der Mensch in der
Schöpfung erkennen kann, sowie in den früheren Propheten und
den Berichten, wie Gott mit ihnen und ihrem Volk handelte. Mit diesen Zeichen
ergeht sozusagen der 'Ruf' Gottes an die Menschen, den sie entweder mit
Unglauben oder Glauben beantworten können. Klassisch formuliert der
Prophet Noah im Koran die Aufforderung Gottes an seine Landsleute: "Dienet
Gott, fürchtet ihn und gehorcht mir" (71,3).
Die Allmacht Gottes,
die im Koran an ungezählten Stellen zur Sprache kommt, umfaßt
alle Bereiche. Gott erschuf die Welt, die Tiere und Menschen, die Geister
und die Engel, das Gute und das Unheil: "Kein Unheil geschieht, weder auf
der Erde noch bei euch, das nicht in einem Buch wäre, noch ehe wir
es erschaffen. Dies ist Gott ein leichtes" (57,22), denn "uns wird nur
das treffen, was Gott uns bestimmt hat" (9,51).
Gott bestimmt den Todeszeitpunkt
jedes Menschen: "Aber Gott wird niemandem Aufschub gewähren, wenn
seine Frist kommt" (63,11). Es ist letztlich Gott, der Glauben und Unglauben
bei den Menschen hervorbringt: "Und wenn Gott einen rechtleiten will, weitet
er ihm die Brust für den Islam. Wenn er aber einen in die Irre führen
will, macht er ihm die Brust eng und bedrückt, als wenn er in den
Himmel emporsteigen müßte. So straft Gott diejenigen, die nicht
glauben" (6,125). Noch deutlicher spricht Sure 7,179 davon, daß "viele
von den Geistern und Menschen für die Hölle geschaffen" wurden.
Die Antwort auf die Frage, warum nicht alle Menschen Muslime werden, lautet
im Koran: Gott hat es nicht gewollt: "Und wenn dein Herr nur wollte, würden
die, die auf der Erde sind, alle miteinander gläubig werden. Willst
nun du die Menschen zwingen, daß sie glauben? Niemand darf gläubig
werden, es sei denn, Gott erlaubt es ihm" (10,99-100).
Gleichzeitig betont
der Koran, daß jeder Mensch von Gott im Jüngsten Gericht für
seinen Glauben oder Unglauben zur Rechenschaft gezogen wird. Jedem Menschen
wird am Jüngsten Tag das vergolten, was er hier auf der Erde getan
hat, sei es Gutes oder Böses: "Gott verlangt von niemandem mehr, als
er vermag. Jedem kommt zugute, was er verdient, und über ihn bricht
herein, worin er gesündigt hat" (2,286). Beide scheinbar miteinander
unvereinbare Positionen - die Verantwortung des Menschen und Gottes Bestimmung
eines jeden Menschen zu Glauben oder Unglauben - stehen im Koran nebeneinander.
Der Mensch kann Gott nicht für seinen Unglauben oder seine Sünden
verantwortlich machen. Wenn er aber als gläubiger Muslim ins Paradies
eingehen darf, ist es Gottes Erbarmen.
Diese Koranverse zur
Prädestination können als Spiegel der Situation Muhammads betrachtet
werden: Mit seinem Ruf zur Umkehr zu Gott, dem Einzigen und Allmächtigen,
wendet er sich gegen den im vorislamischen Arabien verbreiteten absoluten
Schicksalsglauben seiner Zeigenossen. Gleichzeitig muß er sich aber
selbst die anhaltende Verstocktheit der Mekkaner und teilweise auch der
Medinenser erklären, die seiner Botschaft in den ersten 12 Jahren
seiner Verkündigungen so gut wie gar keinen Glauben schenkten. So
verbindet sich im Koran die Allmacht Gottes und Vorherbestimmung aller
Dinge mit der Verantwortung des Menschen.
Da Gott allmächtig
ist und niemand je sein Wesen erfaßt und erkannt hat, kann der einzelne
Muslim nicht mit Gewißheit wissen, ob Gottes Barmherzigkeit und Gnade
für ihn gelten oder ob er ihm am Ende der Tage doch zürnen wird
und ihn zur Hölle verurteilt: "Nicht so der Herr der Menschen in aller
Welt, der mich geschaffen hat und nun rechtleitet, der mir zu essen und
zu trinken gibt und mich heilt, wenn ich krank bin, der mich sterben läßt
und dann lebendig macht, und
von dem ich hoffe, daß er mir am
Tag des Gerichts meine Sünde vergibt" (2,77-82). Zwar wird Gott
als der Gnädige und Barmherzige, ja auch als der Verzeihende und Großmütige
bezeichnet, aber über die Vergebung in Bezug auf seine eigene Person
wird jeder Muslim erst nach seinem Tod Gewißheit erlangen. Gottes
Entscheidung im Gericht vorherzusagen, hieße, seine Allmacht zu beschränken.
Gottes Verhalten ist niemals vorhersagbar, sonst würde er sich ja
in menschliche Vorstellungsweisen hineinzwängen lassen. Auf Gott kann
niemand und nichts Einfluß nehmen. Er ist niemand Rechenschaft schuldig.
Außerdem ist der Gott des Korans auch ein listiger Gott. Immer wieder
wird betont, daß er sich die besten Listen ausdenkt. Sure 13,13 formuliert:
"Gott ist voller Tücke" (wörtlich: "Gott ist stark/mächtig
in List"), und: "Die Ungläubigen schmieden Ränke. Aber Gott schmiedet
Ränke. Er kann es am besten" (8,30).
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3. Gott, der Schöpfer
Außer der oft
wiederholten, allgemeinen Feststellung, daß Gott den Himmel und die
Erde, sowie alle Menschen geschaffen hat, enthält der Koran keinen
detaillierten Bericht über die Schöpfung, so wie das Alte Testament.
Eine gewisse Ausnahme bildet Sure 41,9-13, die die Schöpfung in sechs
Tagen beschreibt: Zuerst schuf Gott in zwei Tagen Himmel und Erde aus einer
Urmasse, dann setzte er die Berge, Flüsse und Pflanzen auf die Erde.
Aus dem Wasser erschuf er die verschiedenen Tiere und machte den Menschen
zum Beherrscher der Tiere. An keiner Stelle im Koran allerdings heißt
es, daß der Mensch "zum Bild Gottes" geschaffen sei, wie es das Alte
Testament betont (1.Mose 1,21). Dies wäre nicht vereinbar mit der
Größe und Einzigartigkeit Gottes, die in keinem Vergleich zum
Menschen stehen kann. Außerdem war nach Sure 40,57 die Erschaffung
von Himmel und Erde ein "größeres Wunder" als die Erschaffung
des Menschen. Dagegen ist nach dem Schöpfungsbericht des Alten Testamentes
die Erschaffung des Menschen eindeutig der Höhepunkt der Schöpfung
(1.Mose 1,21-31).
Übereinstimmend
mit der Bibel berichtet der Koran, daß die gesamte Menschheit von
einem einzigen Menschenpaar abstammt (6,98). Adam wurde aus einem Klumpen
Lehm erschaffen. Gott sprach: Sei! (arab. "kun!"), und Adam war erschaffen
(3,59). Das Schöpferwort Gottes läßt Dinge geschehen: "Und
wenn er eine Sache beschlossen hat, sagt er zu ihr nur: Sei!, dann ist
sie" (40,68).
Nach der Schöpfung
hat Gott seinen von den Engeln getragenen Thron im siebten Himmel bestiegen
(7,54). Von dort aus regiert er das All. In den unteren Himmeln befinden
sich der Mond, die Sonne und die Sterne. Am untersten der sieben Himmel
wacht ein Wächter, damit dort nicht die Satane den Ratschluß
der Engel belauschen (37,1-9). Die Abfolge von Tag und Nacht ist Gottes
Schöpferwerk (10,6). Die Sonne und der Mond geben am Tag und in der
Nacht Licht und den Menschen durch ihren Lauf Mittel und Wege zur Zeitrechnung
an die Hand (10,5). Gott stützt den Himmel, der ohne Säulen gebildet
wurde (13,2), damit er nicht auf die Erde niederfällt (22,65). Ausdrücklich
betont der Koran, daß Gott nach der Schöpfung nicht ermüdet
war und nicht ruhte, wie es der Gott der Bibel tat: "Wir erschufen die
Himmel und die Erde und was zwischen beiden liegt, in sechs Tagen. Doch
es berührte uns keinerlei Ermüdung" (50,38). Gott wird weder
müde, noch braucht er Schlaf. Den Sabbat hat Gott nicht den Muslimen
zugedacht (16,124), und so existiert bis heute in der islamischen Welt
kein offizieller wöchentlicher Ruhetag, obwohl der Freitag eine Sonderstellung
einnimmt. In einigen Ländern wurde aufgrund der europäischen
Kolonialherrschaft der Sonntag als Ruhetag eingeführt.
Auf der Erde ist der
Mensch ein von Gott eingesetzer "Nachfolger" oder "Stellvertreter". Gott
überantwortet dem Menschen für seine kurze Lebenszeit Güter,
gibt ihm Vollmacht darüber und schenkt ihm Wohlergehen, fordert am
Ende seines Lebens jedoch Rechenschaft darüber, wie der Mensch sie
verwaltet hat und ob er hinter diesen materiellen Dingen Gott als Geber
aller Dinge erkannt hat. Deutlich geht aus dem Koran hervor, daß
es gottgewollt ist, daß es Reiche und Arme gibt. Beide sollen gleichermaßen
Gott als Schöpfer und Geber anerkennen, denn Gott stellt die Menschen
in ihren verschiedenen Lebenslagen nur auf die Probe (z. B. 6,245), um
zu sehen, wie sie sich darin bewähren würden. Für den Menschen
ist diese Fürsorge Gottes ein Zeichen, an dem er Gott als Schöpfer
erkennen sollte: "Er ist es, der aus den Wolken Wasser herniederkommen
läßt ... Darin liegt ein Zeichen für Leute, die sich mahnen
lassen ... Vielleicht würdet ihr dankbar sein" (16,10-14).
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4. Gott, der Barmherzige
Mit Gott, wie er im
Islam vorgestellt wird, wird oft das Bild eines willkürlichen Despoten
verbunden. Zu Unrecht, wie Muslime meinen, denn der Koran hebt viele hundert
Male die Gnade und Barmherzigkeit Gottes hervor. Jede Sure (mit Ausnahme
von Sure 9) wird eingeleitet mit "Im Namen Gottes, des Gnädigen und
Barmherzigen", oder, wie man auch übersetzen könnte: "Im Namen
des gnädigen und barmherzigen Gottes". Sure 7,156 formuliert sogar:
"Aber meine Barmherzigkeit kennt keine Grenzen." Für den Glaubenden
erweist sich Gott als barmherziger Wohltäter, der Nachsicht übt
und verzeiht, Gebete erhört und ihn beschützt, während der
Ungläubige in Gottes Gericht keine Gnade zu erwarten hat.
Der Koran betont, daß
Allah sich dem Menschen durch seine Güte offenbart. Auch Muhammad
wird an die Güte Gottes erinnert und ermahnt die Menschen, der Güte
Gottes zu gedenken und Gott dankbar zu sein. Diese Dankbarkeit gegen Gott
und das Wissen, daß alles von ihm kommt, kennzeichnet den gläubigen
Muslim, während der Ungläubige zugleich auch immer ein Undankbarer
ist, da er Gott nicht anerkennt und sich ihm nicht unterwirft. Der Koran
betont, daß Gott nur die Rechtschaffenen liebt und auf seinem Weg
nur diejenigen rechtleitet, die seinen Willen tun. Seinen Feinden kommt
Gott nicht entgegen, und die über ihn spotten, haben von ihm nichts
zu erwarten als Zorn und Verurteilung. Er liebt nicht die Ungerechten,
die Ungläubigen, die Übertreter und die, die Böses tun.
Der Mensch steht im
Verhältnis eines Dieners oder Sklaven zu Gott. Er soll sich Gott und
Gottes Willen ganz und gar ergeben (arab. aslama = sich ergeben, hingeben,
sich Gott ausliefern, sich in den Willen Gottes ergeben, Muslim werden).
Diese Stellung des Menschen Gott gegenüber kommt auch darin zum Ausdruck,
daß er sich vor Gott bei jedem seiner fünfmaligen täglichen
Gebete niederwirft. Sure 35,16 betont, daß die Menschen "arm und
auf Gott angewiesen" sind, während Gott seinerseits auf niemand angewiesen
ist. Wer Gott anruft, tut es - wie es im Gegensatz dazu die Bibel bezeugt
- nicht als sein Kind, sondern immer nur als Diener, das ist die einzige
im zukommende Position: "Niemand in den Himmeln und auf der Erde wird zum
Erbarmer anders denn als Diener kommen können" (19,93).
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Die Unterwerfung des
Menschen unter Gottes Allmacht und die Anerkennung seiner Herrschaft führt
den Menschen zur Furcht Gottes und zum Glauben an ihn. Wenn sich der gnädige
und barmherzige Gott im Koran den Menschen zuneigt, dann bedeutet das,
daß er ihnen für seine Offenbarung das Ohr öffnet und sie
den richtigen Weg, d. h., den Weg des Islams, führt.
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5. Allah, ein Gott
der Liebe?
Der Gott des Korans
wird jedoch nicht nur als Barmherziger und als Wohltäter beschrieben.
Mehrere Koranverse sprechen von der Liebe Gottes: "Sag: Wenn ihr Gott liebt,
dann folgt mir, so wird Gott euch auch lieben und euch eure Schuld vergeben!
Gott ist barmherzig und bereit zu vergeben" (3,31). Unter muslimischen
Theologen herrschen allerdings unterschiedliche Auffassungen darüber,
was unter der Liebe Gottes zu verstehen ist.
"Die Vertreter der
Orthodoxie definieren die Liebe der Menschen zu Gott als die Bereitschaft,
ihm zu gehorchen und zu dienen, als die Liebe zu seinen Bestimmungen, zu
seiner Huld und zu seiner Belohnung. Denn, so argumentieren sie, die Liebe
als gegenseitige Neigung wie unter Freunden oder gar unter Liebenden beinhaltet
die Gleichstellung von Geliebtem und Liebendem. Aber die Transzendenz Gottes
verbietet es, an eine solche Beziehung zwischen Gott und den Menschen zu
denken. Daher ist die Annahme, daß zwischen den Menschen und Gott
eine solche Liebe der Freundschaft und der Innigkeit bestehen kann, irrig,
sie kommt einer unerträglichen Anmaßung von seiten des Menschen
und einer lästerlichen Herabwürdigung Gottes gleich".
Die Ablehnung der Aussage,
daß zwischen Gott und Menschen Liebe herrschen könnte, entspringt
der Vorstellung von der Allmacht Gottes, seiner Transzendenz und völligen
Andersartigkeit, aufgrund derer ein Vergleich zum Menschen, zu zwischenmenschlichen
Empfindungen oder Eigenschaften undenkbar wäre.
Anders als in der Orthodoxie
ist in der islamischen Mystik die Auffassung von der Liebe Gottes. Hier
erstrebt der Gläubige die Annäherung an Gott und die Verschmelzung
mit ihm bis zur Innewohnung Gottes in seiner Person. Bei der Versenkung
des Gläubigen in Gott wird die Transzendenz Gottes aufgehoben, der
unüberwindbare Abstand zwischen Schöpfer und Geschöpf überbrückt.
Dies kann nur mittels der mystischen Versenkung geschehen, die von der
orthodoxen islamischen Theologie nicht selten auch deshalb hart angegriffen
wurde. Hier versucht jedoch der Mensch, Gott zu lieben, weiß aber
letztlich auch nicht, ob Gott ihn liebt.
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Unterschiede zu
biblischen Aussagen - Gott als ein Gott der Liebe
Es ist zutreffend,
daß sich zwischen der Beschreibung Gottes, wie sie uns der Koran
vermittelt wird und der Beschreibung Gottes, wie sie uns in der Bibel entgegentritt,
auf den ersten Blick manche Gemeinsamkeiten feststellen lassen, die vielleicht
umfassender sind als bei jedem anderen heiligen Buch einer Religionsgemeinschaft.
Gott, der Schöpfer, der Richter, der Herr über das Universum,
der den Menschen ein heiliges Buch übermittelt, die Vorstellung von
Sünde und Vergebung, das Fehlverhalten der ersten Menschen im Paradies,
Satans Versuche zur Verführung der Menschen zur Sünde und die
Verurteilung aller Ungläubigen zur Hölle bzw. die Erlaubnis zum
Eingang ins Paradies für die Gläubigen, die Erwähnung von
Adam, Hiob, Abraham, Mose, Jesus, Maria und einigen anderen biblischen
Personen im Koran könnten Anlaß zu der Überlegung geben,
ob nicht die Gemeinsamkeiten zwischen Bibel und Koran größer
sind als ihre Unterschiede. Diese Frage soll hier nur an einem einzigen
Beispiel, der Liebe Gottes, näher beleuchtet werden:
Im Vergleich zur Bibel
fällt auf, daß der Koran zwar von der Gnade und Barmherzigkeit,
ja auch von der Liebe Gottes spricht, daß aber diese Liebe weder
das Wesen Gottes beschreibt, noch das Zentrum der koranischen Botschaft
darstellt. Das Zentrum der koranischen Botschaft ist vielmehr das Bekenntnis
zur Einzigartigkeit und Einheit Gottes (arab. tauhîd), sowie seine
Allmacht und Stärke.
Obwohl der Koran den
Begriff der 'Liebe' benutzt, unterscheidet sich die Bedeutung und Tragweite
des Begriffs der 'Liebe' in Bibel und Koran grundlegend voneinander. Wenn
in vielen verschiedenen biblischen Büchern betont wird, daß
Gott nicht nur Liebe schenkt oder liebevoll handelt, sondern er selbst
Liebe
ist (1. Johannes 4,8+16), ein "Gott der Liebe" (2. Korinter
13,11), dann geht die Tragweite dieser Botschaft weit über den koranischen
Ansatz der Liebe Gottes hinaus. Die Liebe zu seinen Geschöpfen existiert
für Gott, wie er in der Bibel beschrieben wird, nicht etwa in der
Theorie. Die Liebe war Beweggrund und Motor für sein Handeln in der
Geschichte, die ihren Höhpunkt fand in der Sendung seines Sohnes Jesus
Christus, denn "so sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen
einzigen Sohn gab..." (Johannes 3,16). Der menschgewordene Gottessohn Jesus
war ebenso wie sein Vater die Verkörperung der Liebe, "die Liebe Gottes
unter uns" (1. Johannes 4,9). Weil Gott selbst Liebe ist, geht alle Liebe
von Gott aus: "Ihr Lieben, laßt uns einander lieb haben, denn die
Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott"
(1. Johannes 4,7). Alle Beziehungen der Menschen untereinander und ihre
Beziehung zu Gott sollen von Liebe geprägt sein.
Das größte
Opfer und die selbstloseste Tat gelten vor Gott als nichtig, wenn ihr Beweggrund
nicht die Liebe zu Gott und dem Nächsten war. Das 'Hohelied der Liebe'
in 1. Korinter 13,1-3 beschreibt dies besonders eindrücklich: "Wenn
ich mit Menschen und mit Engelszungen redete und hätte die Liebe nicht,
so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und
wenn ich prophetisch reden könnte und wüßte alle Geheimnisse
und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, so daß ich Berge
versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich
nichts.
Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe
meinen Leib brennen, und hätte die Liebe nicht, so wär mir's
nichts nütze" (1. Korinther 13,1-3).
Weil Gott, der Ursprung
aller Liebe, den Menschen seine Liebe schenkt, ist der Mensch in der Lage,
Gott und seinem Nächsten seinerseits Liebe zu erweisen. Schon das
erste der Zehn Gebote enthält diese Verpflichtung zur Liebe: "Du sollst
Gott, den Herrn lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzer
Kraft ... Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" (5. Mose
6,5 und 3. Mose 19,18, zitiert in Matthäus 22,37-39).
Daher soll das Wesen
der Ehe und Familie, der Gemeinde und letztlich die Beziehungen zu allen
Menschen bis hin zu den Feinden von Liebe geprägt sein. Wenn der Koran
auch durchaus den Wert der Versöhnung zwischen verfeindeten Parteien
hochschätzt, so gibt er doch keinen Hinweis darauf, daß die
Liebe gerade dort regieren soll, wo es um das Verzeihen einer bösen
Tat eines Feindes geht (wie Paulus im Römerbrief: "Die brüderliche
Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem anderen mit Ehrerbietung
zuvor ... Nehmt euch der Nöte der Heiligen an. Übt Gastfreundschaft.
Segnet, die euch verfolgen, segnet, und flucht nicht ... Vergeltet niemand
Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann
... Vielmehr, wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen, hat er Durst,
gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, wirst du feurige Kohlen auf sein
Haupt sammeln. Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern
überwinde das Böse mit Gutem" (Römer 12,9+13-14+17+20-21).
Auch der vor allem
im Neuen Testament immer wieder geäußerte Gedanke, daß
sich Liebe besonders dort ausdrückt, wo Opfer gefordert sind, ist
dem Koran unbekannt. Im Neuen Testament begegnet uns dieser Opfergedanke
natürlich insbesondere im Zusammenhang mit dem Tod Jesu (Johannes
3,16), aber auch allgemein: "Niemand hat größere Liebe als die,
daß er sein Leben läßt für seine Freunde" (Johannes
15,13). Daß das aufopferungsvolle Denken und Handeln für andere,
das das neutestamentliche Gemeindeleben und das Miteinander in der Ehe
und Familie kennzeichnen soll (Epheser 5), ein Liebesbeweis ist ("Das ist
mein Gebot, daß ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe";
Johannes 15,12), das ist einzigartiges biblisches Gedankengut, das ebenfalls
nicht im Koran zu finden ist.
Das Alte und insbesondere
das Neue Testament betonen mehrfach, daß der Motor für das Handeln
Gottes mit den Menschen seine Liebe ist, die ihn zum Retten, zum Erinnern
an seine Gebote durch seine Propheten und schließlich zum Senden
seines Sohnes veranlaßt. Höhepunkt der Liebe Gottes ist die
Kreuzigung, denn sie ist der Ausdruck des größten Opfers, das
Gott für die Menschen bringen konnte. Gott liefert sich durch Jesus
seinen Feinden aus, er gibt sich selbst hin, um Erlösung zu ermöglichen.
Das Handeln Gottes entspringt seiner Liebe für die Menschen, und zwar
noch bevor sie etwas für Gott erbracht haben oder ihn verehrten. Weil
Gott seinen Sohn für Menschen gegeben hat, kann auch der Mensch wieder
auf diese Liebe antworten und das tun, was Gott in seiner Liebe angeordnet
hat.
Diesen umfassenden
Liebesbegriff, der das Sorgen für andere, den Dienst und das Opfer
am Nächsten, ja sogar die Liebe des Feindes bis zum Tod miteinschließt,
kennt tatsächlich nur die Bibel, auch wenn der Koran die Begriffe
Liebe und Barmherzigkeit an vielen Stellen verwendet.
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