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Auf dieser Seite finden Sie die Kommentare von 2010.



Aktuelle Kurzkommentare aus 2010*
Und die Finsternis hat's nicht ergriffen (Vogels) Sola scriptura (Sickinger)
Muß der Papst zurücktreten? (Krause) Einstimmig antichristlich (Vogels) Widersprüchliche Haltungen zu Israel (Berke)
Katholische Kirche in der Krise (Krause) Zur Tragödie der Dusiburger Laveparade (Berke) Adoptianische Christologie bei Markus? (Vogels)
Sturmwarnung (Drühe) Uns gemeinsam zu Gott ausrichten? (Vogels) Kirchen-Alternativen statt Ökumene (Drühe)
Lehret alle Völker (Konventsversammlung) "7 Wochen ohne" (Vogels) Krieg darf nach Gottes Willen sein (Drühe)
Der Gottesdienst ist keine Gemeindeversammlung! (Bangert) Veranstaltung oder Gottesdienst? (Söldner) Euer Herz erschrecke nicht! (Vogels)

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Und die Finsternis hat's nicht ergriffen
Reiner Vogels


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Sola scriptura – allein die Heilige Schrift
Wolfgang Sickinger

Dieser Grundsatz der Reformation ist für uns bis heute entscheidend wichtig, weil unser Leben mit Gott davon abhängt. Gott und Mensch sind voneinander getrennt. Gott ist nicht im Menschen zu finden, und der Mensch kann aufgrund seiner eigenen Bemühungen nicht Gott finden. Deshalb erzählt die Bibel in 1. Mose 3 die Geschichte vom Sündenfall und von der Vertreibung aus dem Paradies. Wir Menschen haben das Paradies verloren, und jeder, der behauptet, es wieder herstellen zu können, verspricht damit nur Terror, Mord und Totschlag. Kein Mensch kann das Paradies wiederherstellen, weil jeder Mensch durch seine Sünde von Gott getrennt ist. „Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten“ (Römer 3, 23).

Nur Gott selbst kann die Trennung überwinden, und er tut es durch Jesus Christus: „Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat. Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe“ (Hebräer 1, 1-3).

Dass Gott in Christus auf uns zu kommt, erfahren wir einzig und allein durch sein Wort, die Bibel. Menschen haben die Bücher der Bibel aufgeschrieben, weil Gottes Wille und Gottes Geist sie dazu getrieben haben und weil Gott offensichtlich wollte, dass auf diese Art und Weise sein Wort zu den Menschen kommt. „Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben von dem heiligen Geist haben Menschen im Namen Gottes geredet“ (2. Petrus 1, 21).

Damit hat Gott sich allerdings angreifbar gemacht, weil immer wieder bestritten wird, dass im von Menschen geschriebenen Wort der Bibel Gott zu uns spricht. Bis in die Kirche und ihre Leitungsgremien hinein wird den Menschen vermittelt, dass die Bibel mehr oder weniger ein Produkt der religiösen menschlichen Phantasie sei. Solche Zweifel gehören zu den Anfechtungen des Glaubens. Es ist auch nicht im rational-wissenschaftlichen Sinn „beweisbar“, sondern es bleibt immer wieder ein Wirken des Heiligen Geistes, wenn Menschen das Wort der Bibel als Gottes Zuspruch und Anspruch hören und erfahren.

Martin Luther hat das in seinen Predigten und Schriften seiner Gemeinde eingeschärft. Maßstab unseres Glaubens kann nur Gottes Wort sein, wie es uns die Heilige Schrift bezeugt. Menschliche Vorschriften, Traditionen und Lehren, auch das päpstliche „Lehramt“, können nicht gleichrangig neben die Bibel oder gar über sie gestellt werden. Im 21. Jahrhundert will sich menschliche Hybris über Gottes Wort setzen, angeblich unbezweifelbare wissenschaftliche Erkenntnisse werden angeführt, um die Bibel beiseiteschieben zu können. Das Schema, um vor dem richtenden und rettenden Wort Gottes auszuweichen, bleibt durch die Jahrtausende das gleiche. Aber wer das Wort der Bibel missachtet, verliert damit Jesus Christus und er verliert das Leben bei Gott über die Zeit hinaus in seiner Ewigkeit.

Allein die Heilige Schrift – denn durch sie finden wir zu Jesus Christus und lassen uns im Glauben seine Gnade und Vergebung zusprechen.

Pfarrer Wolfgang Sickinger, 10. 12. 2010, Mülheim an der Ruhr

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Muß der Papst jetzt zurücktreten?
Winfrid Krause

Der gestern veröffentlichte Untersuchungsbericht einer Anwaltskanzlei über den Umgang der Erzdiözese München und Freising mit Mißbrauchsfällen in den Jahren 1945-2009 hat festgestellt, daß diese sexuellen Verbrechen seitens der Bistumsleitung „in erheblichem Umfang“ vertuscht worden sind. „Weitreichende Aktenbestände“ wurden aus dem Ordinariat in Privatwohnungen verbracht, manipuliert und vernichtet. Deshalb müsse über die bisher bekannten Fälle von 159 Priestern hinaus eine „beträchtliche Dunkelziffer“ von Mißbrauchsfällen angenommen werden, die im institutionellen Interesse der Katholischen Kirche verschwiegen und nicht verfolgt wurden. Darüber hinaus beklagt die Kanzlei den „beschönigenden Sprachgebrauch“ der kirchlichen Verwaltung, die „die körperlichen und seelischen Verletzungen“ der Opfer „nicht beachtet“ habe. (FAZ 4.12.10)

Dieser von Täterschutz und Opferdesinteresse gekennzeichnete Kurs habe sich auch in den Jahren 1977 bis 1981, als der heutige Papst Benedikt XVI. das Erzbistum von München und Freising leitete, nicht grundsätzlich geändert. Besonders krass ist der Fall eines 1980 rechtskräftig verurteilten Priesters aus dem Bistum Essen, der sich an einem elfjährigen Jungen vergangen hatte, der kurz darauf in München wieder als Seelsorger eingesetzt wurde – angeblich ohne Wissen Ratzingers. In einem anderen Fall hätte Ratzinger allerdings einem Priester, der seine Gemeinde wegen eines bekannt gewordenen Übergriffs verlassen mußte und sich darüber bei seinem Erzbischof beschwerte, brieflich mitgeteilt, er müsse „die Konsequenzen seiner Tat tragen“.

Wenn es durch diesen unabhängigen Bericht nun als erwiesen gelten darf, daß auch Kardinal Ratzinger sich in seiner Diözese an der damals üblichen allgemeinen Vertuschung von Mißbrauchsfällen beteiligte oder doch an dieser Praxis nichts Wesentliches änderte, ist er dann nicht als Papst der römisch-katholischen Kirche diskreditiert? Gilt nicht auch für ihn der alte, auf Platon und Cicero zurückgehende römische Grundsatz: „Qui tacet, consentire videtur – wer schweigt, scheint zuzustimmen?“ Muß Benedikt XVI., der damals nichts Gutes gesagt, sondern versagt und an den Opfern mitschuldig geworden ist, nicht zurücktreten und einem Papst platzmachen, der endlich den Zölibat abschafft?

Pfr.W.Krause, Vorsitzender des Lutherischen Konvents im Rheinland, Thalfang, 04. 12. 2010

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Einstimmig antichristlich
Reiner Vogels

Am 10. November 2010 hat die Synode der EKD einstimmig ein neues Pfarrerdienstgesetz beschlossen. Als epochemachend wird dieses Gesetz von manchen Gender-Ideologen bezeichnet. In der Tat: In der Begründung zu § 39 über Ehe und Familie wird eine epochemachend neue Definition von Familie aufgestellt. Familie ist danach "jede Form des rechtsverbindlich geordneten Zusammenlebens von mindestens zwei Menschen". Epochemachend ist diese Definition deshalb, weil sie endgültig und eindeutig das christliche Verständnis von Ehe und Familie, das auf die lebenslange und für Kinder offene Gemeinschaft eines Mannes mit einer Frau abzielt, zerstört.

Epochemachend ist das Gesetz auch noch aus einem anderen Grund: Die Kirche erteilt der staatlichen Gesetzgebung die ausschließliche Definitionshoheit darüber, was als Familie zu verstehen ist. Indem die zitierte Formulierung allein darauf abstellt, dass es sich um "eine rechtsverbindlich geordnete Form" des Zusammenlebens handelt, verzichtet sie prinzipiell darauf, das, was die staatliche Gesetzgebung als Familie definiert, vom christlichen Verständnis aus zu prüfen, ob es mit der christlichen Lehre übereinstimmt. Die EKD hat sich in ihrem "epochemachenden" Beschluss damit de facto zur staatshörigen Kirche erklärt, die auf jedes eigenständig Christliche verzichtet. Wie soll man einen solchen Beschluss anders beurteilen, als dass er antichristlich ist?

Sarrazin hat gesagt: "Deutschland schafft sich ab". Die EKD-Synode fügt hinzu: "Die Ev. Kirche schafft sich ab."

Ausführlicher Bericht siehe hier.

Pfr. i.R Reiner Vogels, Swisttal, 13. 11. 2010

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Über die widersprüchlichen Haltungen zu Israel im Protestantismus und ihre Ursachen
Thomas Berke

Es gibt in unserer Kirche zum Thema „Kirche und Israel“ zunehmend gegensätzliche Positionen. Auf der einen Seite unsere Ev. Kirche im Rheinland. Sie hat die Bezeugung der „Treue Gottes, der an der Erwählung seines Volkes Israel festhält“ und die gemeinsame Hoffnung von Kirche und Israel „auf einen neuen Himmel und eine neue Erde“ 1996 in ihre Grundartikel aufgenommen. In der Synodalerklärung von 1980 wird zudem die „Errichtung des Staates Israel (als) Zeichen der Treue Gottes gegenüber seinem Volk“ gedeutet, von der „bleibenden Erwählung des jüdischen Volkes als Gottes Volk“ gesprochen. In jüngster Zeit kommt die Ablehnung der Judenmission hinzu. Die uneindeutige Formulierung von der „bleibenden Erwählung“ soll nach dem Willen von Landesbischof Johannes Friedrich bald in die Grundartikel der Kirchenverfassung der Ev.-Luth. Kirche in Bayern aufgenommen werden. Ziel ist dabei nicht allein die wünschenswerte Überwindung von Judenfeindschaft, sondern auch eine theologisch begründete Parteinahme für den Staat Israel und seine Politik. Beabsichtigt ist zudem die Veränderung der christlichen Lehre an einer zentralen Stelle durch die Auffassung, dass Juden durch ihre „bleibende Erwählung“ den Glauben an Jesus Christus nicht bräuchten.

Wie verträgt sich ein israelkritischer Präsident des Lutherischen Weltbundes mit der Israel-Theologie deutscher Landeskirchen ?

Auf der anderen Seite hat der Lutherische Weltbund vor zwei Monaten ausgerechnet in Stuttgart einen Bischof der kleinen christlichen Minderheit unter den Arabern in Palästina zu ihrem Präsidenten gewählt, der mehrfach schroff gegen den Staat Israel und seine Politik Position bezog, die Besetzung der Palästinenser-Gebiete durch Israel als Sünde bezeichnete und die Parteinahme der Kirche für die Palästinenser forderte. Frauen aus dieser kleinen lutherischen Kirche sorgten vor einigen Jahren für einen Eklat, als sie in den Texten für den Weltgebetstag der Frauen Gebete einbrachten, in denen gegen die Juden und gegen Israel gebetet wurde. Ein klarer Missbrauch des Fürbitten-Gebetes, denn Christen beten immer „für“ und nicht „gegen“ Menschen!

Gegensätzliche Positionen in der Israel-Frage haben eine gemeinsame Wurzel

Diese gegensätzlichen Positionen erzeugen jeweils Unbehagen und machen nachdenklich. Ist nicht Beides im Ansatz interessengeleitet? Werden nicht von beiden Seiten Bibel, Theologie und Kirche als Steinbruch für politisch-gesellschaftliche Interessen benutzt? Man ahnt, dass dies jeweils die Folge einer tief greifenden Abkehr von reformatorisch-biblischer Theologie in der evangelischen Kirche ist. Hermeneutisches Prinzip für das Verstehen biblischer Aussagen ist nicht mehr die Rechtfertigung allein durch Christus allein durch den Glauben, sondern die jeweilige historisch-politische Situation als „kairos“ (hier: die Ermordung der Juden in der NS-Zeit, dort die Unterdrückung der Palästinenser durch Israel). Zudem wurde die unverzichtbare Unterscheidung von Gesetz und Evangelium auf beiden Seiten offensichtlich aufgegeben.

Im Licht dieser Unterscheidungen darf die Politik eines Staates weder verklärt noch dämonisiert werden. Der Staat Israel ist mit seiner Politik ganz nüchtern betrachtet ein „weltlich Ding“. Und das Eintreten der Palästinenser für ihre Rechte ist unter keinen Umständen ein „heiliger Krieg“. Nur so kann das gefährliche Freund-Feind-Denken überwunden und ein Interessensausgleich gefunden werden, der beiden Seiten eine sichere Lebensmöglichkeit gewährt.

Auch in Hinblick auf das strittige Thema „Judenmission“ wird im Licht der reformatorischen Unterscheidungen deutlich: Judenmission ist Ausdruck von Liebe zum jüdischen Volk, wenn sie mit dem Wort des Evangeliums und ohne Zwang und Gewalt erfolgt. Es gilt auch für Juden, dass das Gesetz (und dazu gehört in theologischer Sicht die Errichtung und Verteidigung des Staates Israel) kein Heilsweg ist. Das Heil ist allein Gottes Werk und kein Menschenwerk. Es wird allen Menschen ohne Unterschied geschenkt durch die Selbsthingabe Gottes in Jesus Christus. Wer auf Judenmission verzichten will, kann sich nicht auf das Neue Testament berufen (auch nicht auf Römer 9-11!).

Fehlurteile durch mangelnde Unterscheidung von Gesetz und Evangelium

Fazit: Das Eintreten für Judenmission als Ausdruck der Liebe Gottes zum jüdischen Volk ist keine „Extremposition“, wie manche suggerieren wollen, sondern unverzichtbarer Bestandteil christlicher Lehre. Extrempositionen sind jedoch die verschiedenen Formen politischer Theologie - sei es pro Israel, sei es kontra Israel - und die Auffassung, dass Juden für ihr Heil Jesus Christus nicht nötig hätten. Ursache dafür ist mangelnde Unterscheidung von Gesetz und Evangelium. Die widersprüchlichen Positionen in der Israel-Frage haben also eine gemeinsame theologische Fehlerquelle. Eine überraschende Erkenntnis!

Dass hier ein Mangel in der rheinischen Kirche besteht, ist seit Jahrzehnten bekannt und hat auch auf anderen Gebieten zu folgenreichen theologischen Irrtümern geführt. Dass aber auch der Lutherische Weltbund und einige ihm angeschlossene lutherische Kirchen offensichtlich den Kern des „Lutherischen“ vergessen haben, tritt hier in alarmierender Weise deutlich zu Tage.
Pfr. Thomas Berke, Mülheim/Mosel, 01. 10. 2010

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Katholische Kirche in der Krise
Winfrid Krause

Seit Anfang dieses Jahres werden in der katholischen Kirche in Deutschland immer mehr sog. Mißbrauchsfälle aufgedeckt. Der Augsburger Bischof Mixa mußte wegen der Veruntreuung von Spendengeldern und körperlicher Züchtigung Jugendlicher zurücktreten. Weitaus schlimmer aber sind Hunderte von mittlerweile bekanntgewordenen Fällen sexueller Gewalt, die Priester ihnen anvertrauten Kindern angetan haben. Die Opfer sind oft jahrzehntelang traumatisiert und wagen sich erst jetzt, wo der Bann des Verschweigens und Vertuschens gebrochen ist, an die Öffentlichkeit. Diese auch in anderen Ländern wie Irland, Belgien, USA u.a. bekanntgewordenen Verbrechen haben die Katholische Kirche in den Augen der Weltöffentlichkeit in eine tiefe Krise gestürzt.

Die römische Kirche ist bekanntlich die einzige christliche Konfession, die das geistliche Amt durch den 1139 vom 2.Laterankonzil eingeführten Zölibat von der Lebensweise der übrigen Christen getrennt und mit einer falschen Heiligkeit umgeben hat. Denn die Sündhaftigkeit des Menschen, die hauptsächlich in den sexuellen Sünden gesehen wird, fordert angeblich eine Spendung und Verwaltung der Sakramente, die die göttliche Gnade enthalten, durch ehelos lebende Priester.

In der Bibel kommt die Ehelosigkeit der Geistlichen dagegen nur ganz am Rande vor. Im Alten Testament waren die Priester aus dem Stamm Levis und dem Geschlecht Aarons in der Regel verheiratet. Im Neuen Testament hatten die Apostel wie Petrus das Recht zu heiraten (Mk 1,30; 1.Kor 9,5). Die Bischöfe sollten eine Frau haben (1.Tim 3,1; Tit 1,6). Die Ehelosigkeit des Apostels Paulus war offenbar eine Ausnahme und freigewählte Lebensform, die allen Christen ebenso offensteht wie die Heirat (1.Kor 7). Auf das isolierte, nicht als Gebot formulierte Herrenwort von den „Eunuchen um des Himmelreichs willen“ (Mt 19,12) kann man den Zölibat nicht gründen. Das Evangelium hat mit der wunderbaren Freude Jesu auf der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1ff.) und seiner Ablehnung der Scheidung (Mk 10,1ff.) eine ganz andere, ehefreundliche Tendenz (vgl. 1.Tim 4,3).

Nun weiß man aus einer jahrhundertelangen, leidvollen Geschichte, daß eine sexuell enthaltsame Lebensweise nur wenigen Menschen möglich ist. Viele Priester, die in jugendlicher Begeisterung die kirchlichen Gelübde abgelegt haben, konnten sie im späteren Leben nicht halten, sondern lebten in geheimen Beziehungen oder mit ihren Haushälterinnen zusammen. Im Bistum Trier werden angeblich bis zu drei uneheliche Priesterkinder geduldet und bezahlt. Dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Zollitsch ist deshalb zu widersprechen, wenn er meint, sexuelle Übergriffe seien „kein systemisches Problem“ der katholischen Kirche und hätten „nichts mit dem Zölibat zu tun.“ (FAZ v. 23.2.10) Im Gegenteil, wenn die Schöpfungsgabe der Sexualität in einem ganzen Berufsstand systematisch unterdrückt wird, muß man sich nicht wundern, wenn diese starke natürliche Kraft auf dunkle Abwege gerät und böse Blüten treibt. Wie der Terrorismus im Islam, so gehören sexuelle Verirrungen im Katholizismus zu den „Pathologien der Religion“ (Papst Benedikt XVI.). Die Reformation hat deshalb den Zwangszölibat mit guten Gründen abgeschafft. In den Evangelischen Kirchen kommen Mißbrauchsfälle denn auch nur vereinzelt vor. In der orthodoxen Kirche dürfen die Priester seit jeher heiraten, während die Bischöfe aus dem Mönchtum kommen. Freiwillig ehelos lebende Geistliche mit großer geistlicher Ausstrahlung gibt es in allen Kirchen.

Bisher hat allerdings neben vielen katholischen Laien nur Erzbischof Schick von Bamberg die Aufhebung des Zölibats gefordert. (FAZ v. 10.5.10) Dies würde auch dem großen Priestermangel in vielen Ländern abhelfen, der in der Vergangenheit zur Vertuschung der Mißbrauchsfälle durch die katholischen Kirchenleitungen geführt hat. Der institutionelle Abwehrreflex ließ den Täterschutz über den Opferschutz triumphieren. Ob die neuen Leitlinien der Bischofskonferenz wesentliches ändern können, muß deshalb bezweifelt werden. Die katholische Kirche hat offenbar nicht die Kraft, diesen notwendigen Schritt zu tun. Zu stark sind die Beharrungskräfte einer angeblich „unfehlbaren“ Hierarchie, die Verankerung der Ehelosigkeit der Priester im spiegelbildlichen Kult der „immerwährenden“ Jungfrau Maria (vgl. Mk 6,3) und der Machtanspruch einer geistlichen Diktatur, die ihre Diener mit der Kirche „verheiraten“ und bis in den intimsten Bereich disziplinieren will.

Merkwürdig an der ganzen Debatte ist auch die Sprachlosigkeit der Repräsentanten der Evangelischen Kirchen in Deutschland. Seit dem Augsburger Bekenntnis (Art.23) ist die Priesterehe ein Anliegen der Protestanten. Im Sinne einer falsch verstandenen Rücksicht-Ökumene will man offenbar unserer Schwesterkirche die einfache Wahrheit vorenthalten, daß nicht nur bedauerliche Entgleisungen Einzelner, sondern die unhaltbare Ehelosigkeit ihrer Priester der Grund Ihrer gegenwärtigen Krise ist. Seit wann aber besteht Solidarität unter Christen im Vorenthalten eines guten Rates? Wird man nicht durch Schweigen mitschuldig – qui tacet, consentire videtur? Um der unversorgten Gemeinden, der gefährdeten Priester und besonders der geschändeten Opfer willen muß man die Katholische Kirche auffordern: Schafft endlich den Zölibat ab!

Pfr. Winfrid Krause, Thalfang, 31. 08. 2010

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Zur Tragödie der Duisburger Loveparade
In jedem Unglück steckt ein Ruf zur Umkehr
Thomas Berke

Die Großveranstaltung „Loveparade“ in Duisburg endete 24. Juli 2010 in einer Katastrophe. Hunderttausende wollten ihren Spaß haben, 21 junge Leute kamen bei einer Massenpanik ums Leben, mehrere hundert wurden verletzt. „Aus der Loveparade wurde ein Totentanz“, so sagte es Präses Schneider in seiner Trauerpredigt in der Duisburger Salvatorkirche. Überall Entsetzen und Mitgefühl mit den Opfern. Man sucht nach Schuldigen, Verantwortlichen und nach Sündenböcken. Es gibt Gefühle der Wut und Ohnmacht: Wie konnte so etwas geschehen?

Trost spenden ist das eine …

In all dem gibt es auch eine Frage nach Gott und nach der Kirche. Hat die Kirche etwas zu sagen? Ja, die Kirche hat etwas zu sagen. Und zwar hat die Kirche Gottes Wort auszurichten. Und Gottes Wort hat eine zweifache Dimension: Zum einen gibt Gottes Wort Trost und Gewissheit. Wer bei einem Unglück sein Leben verliert, ist nicht verloren. Ein Unglück ist niemals ein Zeichen dafür, dass Gott sich abgewendet hat. Darum wenden sich Christen den Trauernden zu, lassen sie nicht allein.

… zur Umkehr rufen das andere, was der Kirche aufgetragen ist

Zum anderen hat die Kirche auch die Aufgabe, Gottes Wort als Ruf zur Umkehr auszurichten. In jedem Unglück steckt ein Ruf zur Umkehr. Viele Menschen spüren es, dass es kein „weiter so“ geben darf. Rufe zur Umkehr sind nötig und heilsam. Mit Blick auf die Duisburger Tragödie lautet der Umkehrruf: Kehrt um von dem Weg des Größenwahns und der Maßlosigkeit. Gott will nicht, dass alles größer, lauter, gigantischer wird. Es muss nach Gottes Willen nicht sein, dass Firmen und Geschäftemacher immer mehr Geld mit immer wahnsinnigeren Events, Spektakeln, Nervenkitzeln, käuflichen Erlebnissen verdienen. Oder anders gesagt: Wer das Leben oder gar die Liebe bei einer Massenveranstaltung wie der sogenannten „Loveparade“ mit aggressiver Musik und viel Kommerz sucht, ist auf dem Holzweg. Der wird weder Leben noch Liebe dort finden, selbst wenn es kein Unglück gegeben hätte.

„Suchet Gott, so werdet ihr leben“

Der biblische Umkehrruf lautet: „Suchet Gott, so werdet ihr leben!“ Ruf zur Umkehr heißt: Wir sollten wieder lernen, die Freude bei Gott zu suchen. Ein Gedanke, der vielen als abwegig erscheint, weil Gott in unserer Gesellschaft weithin verdrängt ist, seine Existenz in Zweifel gezogen oder bestritten wird. Wo Gott nichts mehr gilt, wird man das Leben natürlich nicht bei Gott suchen, sondern woanders. Diese Gottlosigkeit nutzen Geschäftemacher für ihre kommerzialisierten Massenspektakel aus. Ganz zugespitzt gesagt: Jeder, der weiß: Bei Gott allein ist das wahre Leben zu finden, wird es nicht bei der „Loveparade“ oder einer ähnlichen Veranstaltung suchen. Mancher wird nun sagen: Lasst den Leuten ihre Freude. Dies kann man auch ruhig tun. Aber wir haben als Kirche auch die Aufgabe zu sagen: Freude ist an anderen Orten möglich. Du brauchst gar nicht so weit zu fahren. Wir haben auch die Aufgabe zu fragen: Ist gekaufte, kommerzialisierte Freude wirklich Freude und Leben? Ist gekaufte, kommerzialisierte, konsumierte Liebe wirklich Liebe?

Anderen Freude bereiten

Freude bei Gott suchen, heißt eben auch: Freude im Kleinen zu entdecken. Nicht die sogenannten Events machen unser Leben froh, und schon gar nicht die Jagd danach. Wir brauchen eigentlich gar nicht viel Geld zu bezahlen oder weite Reisen zu unternehmen, um Spaß und Freude zu haben. Spaß und Freude können wir in unserem Alltag, in unserer gewöhnlichen Umgebung haben, ohne viel Geld, aber sehr viel nachhaltiger für unsere Seele. Statt Zeit und Geld aufzuwenden für die Angebote der Spaßindustrie sollten wir lieber selbst anfangen, Freude zu bereiten, anderen Freude zu bereiten. Gott macht uns Freude, ohne dass wir etwas dafür leisten und bezahlen mussten. Dafür sind wir ihm dankbar. Diese Erfahrung der geschenkten Freude weiter geben, das ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Christseins. Denn es ermöglicht, Freude zu erfahren dort, wo wir wirklich leben, und nicht nur an kommerziellen Orten, die mit unserem Durst nach Freude Geld verdienen möchten.

Spaßindustrie nimmt gefangen

Im Licht von Gottes Wort erkennen wir, dass wir eigentlich von der Spaßindustrie gefangen genommen und ausgebeutet werden. Die Erfahrung der geschenkten Freude, die ich weitergebe an meine Umgebung, ist ungemein befreiend. Es liegt kein Segen darauf, Freude nur für sich haben zu wollen. Anderen Freude bereiten, und es wird ein Vielfaches an Freude geben. Wer viel Freude gibt, wird viel Freude zurückerhalten.

Freude im normalen Alltag suchen heißt auch: Freude am Beruf haben, Freude an der Familie zu haben, Freude an den Kollegen und Nachbarn zu haben, Freude an der Kirchengemeinde und ihren Gottesdienste zu haben. Von allen Seiten wird uns eingehämmert, in Arbeit, Beruf, Familie, Verein, Kirchengemeinde, Gottesdienst sei keine Freude zu finden. Merken wir nicht, welche kommerziellen Interessen dahinter stehen, wenn die Freude im Kleinen und im normalen Alltag mies gemacht wird?

Freude im Alltag möglich

Wir können als Christen einen Dienst an unserer Gesellschaft ausüben, wenn wir ganz unbekümmert sagen: Ja, ich habe Freude an meiner Arbeit, ich habe Freude in der Schule, ich habe Freude in der Familie, mit meinem Ehepartner, mit meinen Kindern, ich habe Freude am Gottesdienst, ich habe Freude mit meinen Kollegen, Nachbarn, in der Gemeinde, im Verein. Es ist dort nicht öde, sondern schön. Ich bin mit Freude bereit, dort meine von Gott gegebenen Kräfte und Gaben einzusetzen. Ich habe Freude, mich für andere einzusetzen. Und es wird Früchte tragen, weil Gottes Segen darauf liegt.

Keine Flucht in käufliche Scheinwelten

Als Christen wissen wir sehr wohl: Ohne Probleme, Konflikte, Schuld und Leid wird es im Alltag niemals gehen. Aber wer zu den Events oder in unsere mediale Scheinwelt flüchtet, in der Hoffnung, damit allen Alltagsproblemen, Konflikten aus dem Wege zu gehen, der wird keine Frucht bringen, der vergräbt die von Gott geschenkten Gaben und Kräfte. Wir haben also die Kirche die Aufgabe, den Menschen zu sagen: Freude kann man nicht kaufen, aber wir können Freude empfangen und geben.

„Suchet Gott, so werdet ihr leben!“ Bei Gott ist Leben und damit auch Freude zu finden. Gott schenkt Freude, die Botschaft von Jesus Christus macht alle Menschen froh und ich kann – befreit von der käuflichen Freude - durch den Glauben anderen Freude bereiten, mich an anderen freuen, für jedes kleine Glück dankbar sein und zum Botschafter der Freude werden.
Pfarrer Thomas Berke, Mülheim (Mosel), 09.08. 2010

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Adoptianische Christologie bei Markus?
Zu einem Interview von Präses Nikolaus Schneider
Reiner Vogels


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Sturmwarnung
Wilhelm Drühe

Zu den wichtigsten Nachtgesprächen der Geistesgeschichte gehört der abendliche Besuch des jüdischen Ratsherrn Nikodemus bei Jesus in Nazareth. Er hatte viel von diesem berühmten Prediger gehört und wollte ihn endlich persönlich kennen lernen. Im Johannesevangelium wird dieses Gespräch ausführlich dokumentiert, auch dass Jesus den jüdischen Gelehrten sofort auf die zentrale Frage nach dem, was ein Mensch mit Gott zu tun haben kann, brachte: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ Zum Heil Gottes kommt ein Mensch nur durch die Wiedergeburt. Um es näher zu erklären, griff Jesus wie häufig auf die Natur zurück, um Nikodemus dieses wunderbare Geschehen zu erklären - auf den Wind. Er sagte: „Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist.“

Das Naturereignis Wind steht für den Geist, der von Gott ausgeht und den Menschen berührt und erfasst. Nach diesem tiefsinnigen Gespräch am Anfang der öffentlichen Tätigkeit des Jesus aus Nazareth können, sprechen wir heute vom „heiligen Geist“ – und im alten christlichen Glaubensbekenntnis wird er aufgezählt als dritte Person Gottes und in Verbindung mit der Kirche Jesu Christi gebracht. Als diese Kirche nach der Himmelfahrt Jesu in die Öffentlichkeit der jüdischen Hauptstadt Jerusalems trat, war dies eine der großen Wirkungen dieses Geistes Gottes. Dabei geschah etwas Merkwürdiges, das wir nicht vergessen sollten: Es war ein mächtiger Sturm, der die erste Kirche, wenn wir das Haus so nennen wollen, in das sich die Jünger Jesu verkrochen hatten, am ersten Pfingstfest erschütterte. Wir haben uns vielleicht daran gewöhnt, dass in unseren Kirchen und Gemeinden häufig nur ein laues Lüftchen weht, über das kaum einer sich aufregt und das wenig beachtet wird, weil es so harmlos ist. Damit werden wir kaum Gottes mächtigem Geist gerecht. Wir haben es zu tun mit dem allmächtigen Gott. Als Gottes Geist kam, da rissen sie die Fenster und Türen auf und gingen bis an die Enden der Welt. Das ist immer noch die Botschaft von Pfingsten – im Sturm kommt die Botschaft Gottes. Gottes Kirche muss deshalb auch eine Sturmwarnung bleiben. Ein laues Lüftchen im Monat Mai wird Gottes Wirken nicht gerecht – mit einem bisschen Religiosität und Esoterik.

Pfr. i.R. Drühe, Mettmann, 22.05. 2010

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Uns gemeinsam zu Gott ausrichten?

Von der Unmöglichkeit eines interreligiösen Gebets zwischen Christen und Muslimen

Reiner Vogels


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Kirchen-Alternativen statt Ökumene
Überlegungen von Wilhelm Drühe


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Am 21. März 2010 hat die Konventsversammlung des Lutherischen Konvents im Rheinland eine Stellungnahme zur Frage der Moslemmission beschlossen. Sie trägt den Titel: "Lehret alle Völker". Hier der vollständige Text:

„Lehret alle Völker“
Mission richtet sich an jeden


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"7 Wochen ohne"
Zur Psychologie eines Ablenkungsmanövers
Reiner Vogels

Aschermittwoch ist gewesen, und in der Römisch-Katholischen Kirche hat die Fastenzeit begonnen. Die Evangelische Kirche hat die Fastenzeit nie mitgemacht. Sie hat immer gewusst, dass der Mensch einem großen Irrtum erliegt, wenn er meint, dass Fasten vor Gott ein gutes Werk sei. Statt dessen hat die Evangelische Kirche immer von den 7 Wochen der Passionszeit gesprochen. Nicht die religiöse "Leistung" des Menschen, also sein Fasten, sollte im Mittelpunkt dieser Kirchenjahreszeit stehen, sondern die Betrachtung der Leiden Christi. Christus hat durch sein Leiden und durch sein Sterben am Kreuz für uns die Vergebung der Sünden und die ewige Seligkeit erworben. Das Kreuz Christi war nicht nur ein Zeichen, sondern es war das Heilswerk des Sohnes Gottes. Wir können durch eigene religiöse Anstrengungen wie das Fasten dieses Werk keineswegs vervollständigen oder ergänzen, und wir sollen das auch nicht meinen.

Nun macht in vielen evangelischen Gemeinden in den letzten Jahren die Bewegung "7 Wochen ohne" von sich reden. Man will zwar nicht nach den klassischen katholischen Fastenregeln fasten, aber man möchte doch etwas Vergleichbares tun. Man möchte 7 Wochen lang verzichten auf Dinge oder Tätigkeiten, bei denen der Verzicht schwer fällt. Für die einen sind es die Süßigkeiten, für den anderen übermäßiger Fernsehkonsum. Wieder andere verzichten auf Alkohol oder andere Genussmittel. In manchen Kirchengemeinden gibt es regelrechte 7-Wochen-ohne-Gruppen. In diesen Gruppen treffen sich die Verzichtenden regelmäßig und sprechen über ihre Erfahrungen. Man sucht Bestätigung und Begleitung in der Gruppe und hofft, so die "7 Wochen ohne" besser durchstehen zu können.

Nun wird kein vernünftiger Mensch etwas dagegen haben, wenn Menschen sich vornehmen, weniger zu trinken, weniger Sahnetorte zu essen oder weniger lange vor dem Fernsehgerät zu sitzen. Es ist auch überhaupt nichts dagegen zu sagen, wenn Menschen ihr Übergewicht bekämpfen und eine Diät beachten. Mit der Kirche oder mit dem christlichen Glauben hat das nun allerdings überhaupt nichts zu tun. Wer dergleichen tun will, soll das tun, ohne es religiös zu verbrämen.

Wie kommt es dann, dass dennoch die 7-Wochen-ohne-Bewegung einen solchen Zulauf in unserer Kirche findet? Meine Erklärung ist: Es handelt sich um ein klassisches Ablenkungsmanöver. Seit Jahrzehnten schon tut sich die evangelische Theologie schwer mit der Botschaft vom Kreuz Christi. Mit der Sühneopfertheologie des Neuen Testaments weiß sie nicht mehr so recht etwas anzufangen. Deshalb haben Theologen alle möglichen Versuche unternommen, Ersatztheologien zu entwickeln. So wurden Tod und Auferstehung Christi nach dem Schema von Scheitern Jesu in der Welt und Bestätigung seiner "Sache" durch Gott gedeutet. Oder das Kreuz Christi wurde schlicht und einfach nicht mehr als befreiende Heilstat des Erlösers, sondern bloß noch als "Zeichen" dafür gedeutet, dass Gott "solidarisch" sei mit dem Leid der Welt. Solche Ersatztheologien werden gewiss dem Neuen Testament in gar keiner Weise gerecht, weil sie nur Teilaspekte der Kreuzesbotschaft aufgreifen und das Zentrum verfehlen. Dennoch verschaffen sie denen, die sie vertreten, einen psychologischen Vorteil: Sie erlauben es ihnen, sich selbst einzureden, dass sie "rechtgläubig" an der Kreuzesbotschaft festhalten, obwohl sie diese Botschaft längst entkernt und ihres eigentlichen Inhalts beraubt haben.

Und in genau dieselbe Richtung geht die 7-Wochen-ohne-Bewegung. Scheinbar und äußerlich gehen die Verzichtenden auf die siebenwöchige Leidenszeit ein. In Wahrheit jedoch geht es ihnen gar nicht um die geistliche Betrachtung des stellvertretenden Leidens Christi, sondern sie tun etwas völlig anderes. In Wahrheit betreiben sie Konsumhygiene oder das eigene Abspeckprogramm. 7 Wochen ohne sind ein klassisches psychologisches Ablenkungsmanöver. Der psychische Gewinn besteht in folgendem: Obwohl man mit der eigentlichen Kreuzesbotschaft im Grunde nicht viel anfangen kann, verhelfen einem Ersatzhandlungen wie die 7-Wochen-ohne-Praxis zu einem guten Gewissen.

Pfr. i.R. Reiner Vogels, Swisttal, 18.02. 2010

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Krieg darf nach Gottes Willen sein – aber nur als Not-Hilfe für Menschen
Überlegungen von Wilhelm Drühe (Mettmann)

These 1: Amsterdam 1948 – „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“ – damals verständlich, trotzdem aber grundsätzlich falsch

Auf der Gründungsversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen im Jahre 1948 in Amsterdam wurde beschlossen: „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.“ Das war drei Jahre nach dem Ende des furchtbaren Weltkrieges eine Abkehr von der unkritischen Bejahung und Verherrlichung besonders durch die protestantische Kirche, besonders auch in Deutschland. An seinem Anfang, dem deutschen Überfall auf Polen, läuteten viele Kirchenglocken in Deutschland und die militärischen Siege wurden gefeiert – und noch 1945 wurden im „braun“ gewordenen Landeskirchenamt (durch „Deutsche Christen“) Gottesdienst-Liturgien für den deutschen „Endsieg“ formuliert.

55 Millionen Menschen sind Opfer dieses Krieges geworden, den das Deutsche Reich begonnen hatte. 25 Millionen Zivilisten wurden verschleppt – bis hin nach Sibirien. Fünf bis sechs Millionen Menschen kamen durch den Rassenwahn um, fabrikmäßig umgebracht. Und am Ende dieses Weltkrieges wurden zwei Atombomben in Japan gezündet. So ein Krieg sollte nie mehr als Wille Gottes ausgegeben werden können.

Verständlich, dass in Landeskirchen und Kirchengemeinden eine mächtige Friedensbewegung entstand – mit dem Ruf: „Nie wieder Krieg!“ und „Nie wieder Soldaten in deutscher Uniform“ und „Von Deutschland darf nie wieder ein Krieg ausgehen!“ Hatte der Deutsche Bundestag am 24. und 25. November 1949 noch eine nationale Wiederbewaffnung abgelehnt, führte die weltpolitische Entwicklung („Kalter Krieg“) zum Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) im Jahre 1952, dann zur NATO (1955) und der damit einhergehenden Gründung der Bundeswehr im Mai 1955.

Dann setzte auch bald die friedensethische Diskussion innerhalb der Evangelischen Kirche ein, verschärft durch die atomare Bewaffnung der Bundeswehr. Sie führte zu den „Heidelberger Thesen“ im Jahre 1959 zu Atomzeitalter, Krieg und Frieden. Die erste These stellte fest: „Der Weltfrieden wird zur Lebensbedingung des technischen Zeitalters“ und die zweite These: „Der Christ muss von sich aus einen besonderen Beitrag zur Herstellung des Friedens verlangen.“ Ein deutlicher Akzent wurde durch die These 8 gesetzt: „Die Kirche muss die Beteiligung an dem Versuch, durch das Dasein von Atomwaffen einen Frieden in Freiheit zu sichern, als eine heute noch mögliche christliche Handlungsweise anerkennen.“ Mir scheint, dass das die entscheidende christliche Maxime ist: Durch Waffen, auch Atomwaffen, den Frieden in Freiheit zu sichern – aber in der Polarität: Frieden schaffen – mit und ohne Waffen. Damit muss die Beurteilung von Kriegen erfolgen – auch heute noch.

These 2: Unterdrückungs- und Vernichtungsverhältnisse auf der Erde können Christen dazu zwingen, zu den Waffen greifen – zur Not-Hilfe für Menschen

Was erfahren wir täglich über Grausamkeiten, die Menschen in anderen Ländern zugefügt werden? Wenn Tausende auf der Flucht sind, wenn Kindersoldaten morden, wenn Frauen und Mädchen systematisch vergewaltigt werden, wenn bestialisch getötet wird – und dazu Angst um das Leben und Hunger … Ich muss wohl nicht aufzählen, wo dies alles geschieht. Ich weiß, dass man zuerst die Ursachen für diese grausamen, unmenschlichen Vorgänge beseitigen müsste, also Frieden schaffen ohne Waffen. Aber wenn man auf diese Veränderungen nicht warten kann, muss man dann nicht auch mit Waffengewalt dafür sorgen, dass diese Verbrechen gegen Menschen und die Menschlichkeit nicht geschehen? Seit 1990 sind Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr außerhalb der Bundesrepublik in friedenserhaltenden und –sichernden Maßnahmen eingesetzt, zurzeit sind es ca. 7.510, die meisten in Afghanistan mit 4.360 (ISAF), dann folgt der Kosovo mit 2.020 (KFOR). Seit der Aufstellung der Bundeswehr hat es insgesamt 130 deutsche Einsätze in aller Welt gegeben (www.bundeswehr.de/Auslandseinsätze). Besonders diskutiert wird zurzeit bei uns der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan im Rahmen der ISAF, in dem es vor allem um die militärische Sicherung der Aufbauarbeiten geht. Hier wird deutlich, wie beides ineinander greifen muss, um den Menschen dort zu helfen, wie auf der anderen Seite diese Not-Hilfe verhindert wird – in Afghanistan durch die Taliban. Also ein Beispiel für Frieden schaffen – mit Waffen. Frieden schaffen – ohne Waffen wird dort kaum möglich sein (?).

These 3: Die „Friedensbewegung“ bei uns hat nicht den Frieden geschaffen, sondern ihn häufig behindert und verhindert

Am 11. Oktober 1986 war ich im Rahmen meiner Pressearbeit bei der Groß-Demonstration auf dem Hunsrück vor dem US-Stationierungsgelände von 96 Cruise Missiles. Sie waren atombombensicher dort untergebracht worden, garantierten bei einem atomaren Erstschlag der Sowjetunion den Gegenschlag. Diese Raketen waren atomar bestückt – und im Rahmen des NATO-Doppelbeschlusses vom 12. Dezember 1979 dort aufgestellt worden. Nach ihm war dem Warschauer Pakt eine Verhandlung über die beiderseitige Begrenzung der atomaren Mittelstreckenraketen angeboten worden. Wenn es keine Einigung geben würde, dann sollte eine neue Generation von Raketen und Marschflugkörper in Westeuropa aufgestellt werden. In diesem Rahmen war dann auch die Aufrüstung im Hunsrück erfolgt. Vor dem riesigen Stationierungsgelände waren auf einem Acker 96 Holzkreuze zum Protest gegen die Raketen aufgestellt worden („Mit Kreuzen gegen Raketen“). Wenn ich die politischen Entwicklungen nach dieser Groß-Demonstration auf dem Hunsrück, dem viele kleinere vorangingen und folgten, verfolgte, dann wurde es bald klar: diese pazifistischen Aktionen und Aktivitäten, besonders von unserer evangelischen Kirche betrieben, hatten einen gemeinschaftsbildenden Sinn, erreicht wurde letztlich aber nur die radikale Abrüstung auf der östlichen Seite – durch die Hochrüstung auf der westlichen. Auch die 96 Cruise Missiles auf dem Hunsrück bewirkten, dass das Ende des Warschauer Paktes begann. Die Sowjetunion erkannte, dass sie einem erneuten Rüstungswettlauf mit den USA wirtschaftlich nicht gewachsen war. Der 1985 neu gewählte Generalsekretär des ZK der KPdSU Michail Gorbatschow zog die Konsequenzen aus dieser Einsicht angesichts der technologischen Herausforderungen durch den Westen – nicht wegen der Friedensbewegung im Westen! 1990 erhielt Gorbatschow den Friedensnobelpreis.

These 4: Die Kanzel an kirchlichen Feiertagen ist ein ungeeigneter Ort, die Problematik um Krieg und Frieden zu behandeln

Kanzeln sind im Weihnachtsgottesdienst und zu Neujahr seit Jahren beliebte Medienorte für unsere Kirchenleitenden, sich als Verkünder der Zivilreligion zu betätigen mit dieser Vermischung von Kirche und Gesellschaft, ideologischen Vorstellungen und christlichem Glauben.“ Das evangelische Weihnachtsfest ist mehr und mehr zu einer Institution dieser Zivilreligion (civil religion) geworden. Vielleicht hat die neue EKD-Ratsvorsitzende, Bischöfin Margot Käßmann (Hannover), der Wunsch getrieben, sich auch im Vergleich mit ihrem Amtsvorgänger im Ratsvorsitz, Bischof Wolfgang Huber, zu profilieren – schon zu Heiligabend konnte man in der Berliner Zeitung und in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung lesen, was dann am Neujahr in der Dresdner Frauenkirche ihr „Verkündigungsthema“ sein würde: „Waffen schaffen offensichtlich auch keine Waffen?“ und „Es gibt keinen gerechten Krieg.“ Höhepunkt dann der bischöflichen Kanzelschelte: „Nichts ist gut in Afghanistan.“ Und was dort fehlt: „Wir brauchen Menschen, die ein klares Friedenszeugnis in der Welt ablegen.“

Die Weiterführung ihrer Stellungnahmen nach der Neujahrspredigt und die Diskussion über den nach meiner Meinung Missbrauch der Festtagskanzel zu eindeutig politischen Zwecken, die nicht zum kirchlichen Auftrag einer lutherischen Bischöfin gehören, möchte ich nicht dokumentieren – nur einen der viele Briefe, die Margot Käßmann erhielt, zitieren. „Sie haben in ihrer Predigt den Soldaten und deren Familien keinerlei Trost gespendet. Im Gegenteil, Sie haben ihnen nahezu den Teppich unter den Füßen weggezogen, als Sie ohne jede Sachkenntnis von der Kanzel herab ihr hochmütiges, aber in jeder Hinsicht falsches Pauschalurteil abgaben.“ Das schrieb Klaus Naumann, evangelischer Christ und General a.D. am 18. Januar 2010 der Bischöfin (Süddeutsche Zeitung vom 29. Januar 2010 – die Bischöfin hat nicht geantwortet). Für mich war wichtig, dass die EKD offensichtlich bemüht war, den Käßmann-Schaden zu begrenzen. Am 25. Januar 2010 wurde ein „Evangelisches Wort zu Krieg und Frieden in Afghanistan“ veröffentlicht – unterschrieben vom Bischöfin Käßmann, ihrem Stellvertreter im EKD-Rats, Präses Nikolaus Schneider, dem Evangelischen Militärbischof Dr. Martin Dutzmann und dem Friedensbeauftragten des EKD-Rates, Renke Brahms. Zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan: „Wir sehen gegenwärtig nicht, dass der Einsatz anhand der friedensethischen Kriterien eindeutig gebilligt oder abgelehnt werden könnte. Sicher aber ist: Die Prüfung weist auf deutliche Defizite hin.“ Also keine Billigung des „Nichts ist gut in Afghanistan“ aus der Neujahrspredigt? Die ihr folgende Diskussion hat mir gezeigt, dass Friedensethik eine wichtige Aufgabe unserer evangelischen Kirche ist und in ihren Leitungsgremien wahrgenommen werden sollte. Margot Käßmann hat ihr einen schlechten Dienst erwiesen.

Eine der Seligpreisungen des Jesus von Nazareth, des Christus, lautet für alle Zeiten und alle Verhältnisse: „Selig sind die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen“ (Matthäus 5,9). Und er hatte auch gesagt: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“ (Matthäus 7, 16). Das gilt sicher auch für kirchliche Friedensethik – und auch für das öffentliche Reden einer evangelischen Bischöfin.

Pfr. i.R. Wilhelm Drühe, Mettmann, 03. 02. 2010

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Der Gottesdienst ist keine Gemeindeversammlung!
oder: Warum man den Dienst Gottes an uns, nicht von der „Besucherzahl“ abhängig machen sollte.
Dirk Bangert


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Zum Nachdenken: Veranstaltung oder Gottesdienst?
Ludwig Söldner

Als einem Gemeindeglied der älteren Generation bewegen mich diese Gedanken. Bewusst bezeichne ich mich als Gemeindeglied und nicht als Gemeindemitglied. Mitgliedschaft bezeichnet eine Zugehörigkeit zu einem Verein, die das Mitglied unter Berücksichtigung gewisser Satzungsmodalitäten aufkündigen kann. Nun ist die Kirche kein Verein, sondern der Leib Christi mit seinen vielen Gliedern. Aus diesem Grund hat die Bezeichnung Gemeindeglied ihre Berechtigung.

Im letzten Jahrzehnt beobachte ich als Besucher der Gottesdienste landesweit, dass diese weitgehend Veranstaltungscharakter haben und deshalb auch als Veranstaltung von ihren Funktionären durchgeführt werden. Dahinter steht das anerkennenswerte Bemühen, eine moderne, attraktive Form für diese sonntägliche Matinee zu finden. Deutlich wird das an den häufig wechselnden Programmen, deren Punkte die agierenden Gemeindemitglieder, oft unter Namensnennung, in den Mittelpunkt stellen. Ob dies peinlich wirkt, mag der geneigte Leser selbst entscheiden. Er wird dabei ein besonderes Gespür entwickeln, wenn er zu den Mühseligen und Beladenen gehört, die Jesus durch seine Worte zu sich ruft und trösten will.

Ein anderes Profil hat dagegen der Gottesdienst. Er folgt nicht einem Programm, sondern einer festen Ordnung, die sich in jahrzehntelanger Erfahrung bewährt hat und den Gemeindegliedern vertraut ist. Der Gottesdienst ist auch keine Veranstaltung fleissiger und einfallsreicher Funktionäre, sondern der Dienst, den Gott allein durch Wort und Sakrament seiner Gemeinde leistet. Deshalb Gottesdienst! Dazu stellt Gott Menschen in seinen Dienst, die allerdings hinter die ausgerichtete Botschaft zurück zu treten haben. Sie werden das gewiss gern tun in dem Glauben, dass Gott Grosses durch ihren Dienst zur Auferbauung seiner Gemeinde tut. Bemerkbar wird sich dies machen durch den dankbaren Dienst derer, die durch Gottes Wort angesprochen worden sind, an den Menschen, die ihnen als Nächste begegnen. Nicht zuletzt wird dies auch spürbar durch die Beteiligung an der Kollekte, die mehr ist als die Lösung einer Eintrittskarte zu einer Veranstaltung, sondern ein Zeichen des Dankes für Gottes grosse Taten durch Jesus Christus.

Pfr. i. R. Ludwig Söldner, Neuss, 14. 01. 2010

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Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!
Zur Jahreslosung für 2010 aus Joh. 14, 1
Reiner Vogels