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Thesen zum Positionspapier der Kirchenleitung

E.K.I.R. 2030 „evangelisch rheinisch“



1. Es ist höchste Zeit und gut, daß die Kirchenleitung (KL) sich dem jahrzehntelangen Mitgliederschwund stellt und nach der Zukunft der Kirche als gesellschaftliche Minderheit fragt. (S.2f.) Dabei wird allerdings mit unklaren Begriffen gearbeitet: Was soll ein „freier Glaube“ (S.2) oder eine „transformative Spiritualität“ (S.7.20) sein?

2. Manche Ideen und Anregungen sind bedenkenswert, z.B. die Mitgliederorientierung und Betonung der Kasualien (S.4.9f.12f.), der Fokus auf die junge, kirchenferne, austrittsnahe Generation (S.4.9.16), die aktivierende Mitgliederbefragung nach Corona (S.10f.) und der Versuch, die Digitalisierung in der Kirche voranzutreiben (S.10ff.15f.). Bei letzterer herrscht aber auch eine ungute Euphorie, denn virtuelle Netzwerke können konkrete menschliche Beziehungen und bestehende Gemeindekreise nicht ersetzen. Internetangebote können lebendige Gottesdienste in Kirchenräumen wie Gemeindebriefe nur ergänzen. Beides sind tertiäre Medien gegenüber der primären Kommunikation des Evangeliums von Mensch zu Mensch und der sekundären Hl.Schrift. Besonders die Sakramente haben eine nicht virtualisierbare, konkrete, leibliche Dimension.

3. Unklar bleibt, wie etwa bei dem Jahrzehnte alten Stichwort „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung" (S.7) der Unterschied von Kirche und politischer Partei im Sinne der biblisch-reformatorischen Zwei-Reiche-Lehre gewahrt und unser geistliches Proprium herausgestellt werden soll.

4. Tendenzen, die Kirchenkreisebene durch Konzentrierung der Verwaltung, Ansiedlung von Profil-Pfarrstellen, Bündelung der Finanzen u.a. (S.5.9.14) zu stärken, schwächen die Selbstständigkeit der Gemeinden, die den Menschen vor Ort am nächsten sind.

5. Das Projekt, Kirchen über den Gottesdienst hinaus als öffentliche Räume mehr zu nutzen und zu vermieten (S.19), erfordert klare Kriterien, nach denen eine nichtkirchliche Nutzung als möglich oder unmöglich eingestuft wird.

6. Neben dem Bemühen um "Vernetzung" mit diversen "Partnern" (christliche Ökumene, Diakonie und andere religiöse oder politische Gruppierungen – S.4f.10.17ff.) müßte viel stärker ein wirklich missionarischer Neuaufbruch gewagt werden: Ausgetretene, Nichtkirchenmitglieder, Muslime, Juden, Andersgläubige, Atheisten sollten mit dem Evangelium gezielt zu erreichen versucht werden, wie Jesus es geboten hat (Mt 28,19f.; Mk 16,15; Lk 24,46ff.; Joh 20,21ff.; Apg 1,8).

7. Insgesamt fällt eine Fülle modernistischer Anglizismen und Abkürzungen und ein Mangel an Bibelzitaten und biblischer Begründung auf. Die Glaubensgrundlage bleibt formelhaft und blaß (S.4.7.20). Die Reformation war mehr als eine „DNA“ zu „ständigem Wandel (ecclesia semper reformanda“ – S.5), evangelisch ist nicht nur „Barmen“. Vielmehr gehört dazu das vierfache „allein“: die Hl.Schrift, durch Christus, aus Gnade, im Glauben, die reformatorischen Bekenntnisse und die Abgrenzung vom Zeitgeist.

8. Der Satz „Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem" ist problematisch. Die KL hat vielleicht einen Informationsvorsprung, weiß aber nicht allein den Weg, dem Gemeinden und PfarrerInnen dann folgen müßten. Ein bis auf die Mitgliederzahl spürbarer geistlicher Neuaufbruch unserer Kirche läßt sich nicht durch Strukturveränderungen herbeiführen. Vor allem verschleiert der Satz die notwendige Frage, inwiefern die KL in der Vergangenheit selbst zu dem massiven Mitglieder- und Substanzverlust unserer Kirche beigetragen hat.

9. Die dringend notwendige Reformation unserer Kirche an Haupt und Gliedern beginnt mit der Rückbesinnung auf das in der Hl.Schrift niedergelegte Evangelium, der persönlichen Umkehr aller kirchlichen Amtsträger zu Jesus Christus und dem Empfang des Hl.Geistes und der Gnade Gottes. Alle kirchlichen Aktivitäten müssen auf eine klare, verständliche Christusbotschaft fokussiert werden. Wenn die Kirche die missionarische Dimension des Evangeliums und die Gebote Gottes und Jesu vernachlässigt und übertritt und das Fundament der Bibel verläßt, wird sie vom Geist Jesu Christi verlassen: „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“ (Joh 15,5)

10. Es gibt neben der Treue zum Auftrag Jesu, das Evangelium allen Menschen zu verkündigen, keine Patentlösung für die Zukunft der Kirche. Der Hl.Geist weht, wo Gott will, und läßt sich kirchlich weder domestizieren noch methodisieren. Aber es gefällt Gott, „durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die daran glauben.“ (1.Kor 1,21)
Lutherischer Konvent im Rheinland – der Vorstand –
für ein Gespräch mit Präses Dr.Latzel am 19.November 2021



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