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Paulus

Michael Wolter, Paulus. Ein Grundriss seiner Theologie. Neukirchener Verlag 2011, 481 S.

Seit den klassischen Darstellungen von Rudolf Bultmann1 und Günther Bornkamm2 sind zwar manche Paulusbücher erschienen,3 nicht aber eine so umfassende und gründliche Gesamtdarstellung, wie sie der Bonner Neutestamentler und Schüler Erich Dinklers als Summe seiner langjährigen Beschäftigung mit dem Apostel vorgelegt hat. Nach einer biographischen Einleitung über die jüdische Zeit „Von Tarsus bis Damaskus“ und die christlichen Anfänge der „Antiochenische Zeit“4 rekonstruiert Wolter die paulinische Theologie aus den 7 historisch anerkannten Briefen mit gelegentlichen Hinweisen auf die Deuteropaulinen, wobei er nicht dem Aufriß des Römerbriefes folgt, sondern nach zwei grundlegenden Kapiteln über das Evangelium und den Glauben5 in lockerer Folge die Themen „Heilswirklichkeit des Todes Jesu, Taufe, Hl. Geist, Hoffnung, Christusmystik und Christusteilhabe, Gemeinschaft der Glaubenden, Ethik, Rechtfertigung aus Glauben und Israel“ behandelt. Er verzichtet zugunsten zahlreicher Paulustexte in deutscher Übersetzung auf eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Forschungsgeschichte6 und Literatur.7

Die in ihrer historischen Darstellung meisterhafte biographische Skizze bestimmt das Damaskusereignis als eine den Unterschied von Israel und den Völkern aufhebende visionäre Wahrnehmung Jesu als „vom Himmel her erscheinenden“ Sohn Gottes, die auf „tatsächlichem Erleben“ beruht.8 Diese psychologisch nicht näher erklärbare „Bekehrung“ läßt Wolter das paulinische Christentum insgesamt als „Bekehrungsreligion“ bezeichnen.9 Ob man jedoch den christlichen Glauben ohne erkenntnistheoretische Reflexion als „Wirklichkeitsgewissheit“ und speziell die Auferstehung Jesu als „Tatsachengewissheit“ und „genauso 'real' wie seinen Tod“ bezeichnen kann10, scheint zumal unter neuzeitlichen Denkvoraussetzungen nicht nur zu einfach zu sein, sondern auch den schon von Paulus betonten theologischen Charakter der nur als absolutes Wunder Gottes verständlichen Auferweckung von den Toten (1.Kor 15,14f.57) zu vernachlässigen.

Im Kapitel über die „Heilswirklichkeit des Todes Jesu“ zeigt Wolter mithilfe der Unterscheidung von „quellensprachlichen und interpretationssprachlichen Kategorien“, die bei Paulus selbst nicht belegt sind, eine große Zurückhaltung gegenüber den Begriffen „Sühne“ und „Stellvertretung“, obwohl die Sache (2.Kor 5,14f.) und auch der Begriff ilasthrion (Röm 3,25) in seinen Briefen vorkommen.11 Die Opferterminologie läßt er „als Metapher“ gelten,12 aber eine überzeugende systematische Deutung des Kreuzes Jesu entsteht so nicht. Die Beschränkung der „Heilswirkung des Todes Jesu“ auf den Glauben steht – wie Wolter selbst sieht – in Spannung zur von Paulus behaupteten universalen Bedeutung des Kreuzes für alle Menschen und Völker, Feinde, Gottlose und Sünder (Röm 4,5; 5,6ff.)13

Das Verhältnis von Hl.Geist und Glauben wird einseitig als ein „Nacheinander“ so bestimmt, daß dem Glauben der Hl.Geist gegeben werde „und nicht etwa umgekehrt“.14 Damit werden nicht nur Stellen wie Gal 3,23ff; 1.Kor 12,9ff.; 13,2.13 und Röm 8,14 verkannt, sondern auch das Verhältnis von Wort/Evangelium/Christus und Geist. Die kunstvolle paulinische Dialektik, ...weiter

Pfr. Winfrid Krause, Thalfang, 24.06.2013



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