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Ökumenische Bilanz
Zum Rücktritt Papst Benedikt XVI.

Winfrid Krause

Als im Jahre 2005 nach fast 500 Jahren erstmals wieder ein deutscher Papst gewählt wurde, hätte man ökumenische Hoffnungen hegen können, wäre nicht der Theologieprofessor, Erzbischof und Präfekt der Glaubenskongregation Josef Ratzinger bereits als konservativer katholischer Hardliner hinreichend bekannt gewesen.

Die 1999 in Augsburg unterzeichnete "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre", die in Deutschland den Protest von über 160 evangelischen Theologieprofessoren auslöste und nur mithilfe eines mühsam formulierten Kompromißanhangs ("Annex") verabschiedet werden konnte, zeigte die Grenzen der im 20.Jahrhundert, besonders seit dem 2.Weltkrieg und dem 2.Vatikanischen Konzil von vielen Christen mit großer Begeisterung vorangetriebenen ökumenischen Annäherung auf. Seit der wesentlich von Ratzinger verfaßten Erklärung "Dominus Iesus" (2000), die den aus der Reformation hervorgegangenen "kirchlichen Gemeinschaften" das Kirchesein absprach, hat eine Epoche ökumenischer Stagnation und Entfremdung begonnen ("Ökumene der Profile").

Das einzige ökumenische Zeichen Benedikts XVI. blieb anläßlich einer Deutschlandreise 2011 sein Besuch im Erfurter Augustinerkloster, wo Luther vor Beginn der Reformation als katholischer Mönch lebte. Doch "ökumenische Gastgeschenke" hatte der Papst nicht dabei, und so blieb trotz freundlicher Worte und Gesten die konfessionelle Verschiedenheit und schmerzliche Trennung der Christen am Tisch des Herrn bestehen.

In den letzten Jahren fiel durch die Aufdeckung zahlloser Fälle sexuellen Mißbrauchs von Kindern durch katholische Priester ein Schatten auf das Pontifikat Ratzingers. Seine zunächst zögerlichen, später entschlossenen Versuche, durch eindeutige "Richtlinien" und Entlassung der Kriminellen das unliebsame Thema loszuwerden, wurden jedoch durch die anhaltende Vertuschungs- und Verschleppungstaktik vieler Bischöfe gebremst. Zu dem möglichen, entscheidenden und befreienden Reformschnitt - die Aufhebung des 1139 eingeführten Zölibats - konnte Benedikt sich nicht entschließen.

So bleibt neben seinen hochtheologischen und doch verständlich geschriebenen Büchern wie der "Einführung in das Christentum" und das dreibändige Werk "Jesus von Nazareth" der tragische Befund, daß der seit der Reformation erste deutsche Papst die in unserem Land entstandene, bis heute weltweite Kirchenspaltung nicht überwunden hat, sondern umgekehrt eine große ökumenische Ernüchterung, ja Enttäuschung hinterlassen hat. Die einzige Reform, die in Erinnerung bleiben und vielleicht Nachfolger finden wird, ist Ratzingers Rücktritt, mit dem er den Nimbus des Papstamtes, den sein Vorgänger durch jahrelanges, öffentlich zelebriertes Leiden und Sterben in ungute Höhen getrieben hatte, vom Kreuz Christi heilsam unterschied und auf ein menschliches Maß brachte.

Pfr. Winfrid Krause, Vorsitzender des Lutherischen Konvents im Rheinland, 24.2.2013



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