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Stellungnahme des Lutherischen Konventes im Rheinland zum Familienpapier der EKD

Brühl, 1.11.2013



In unserer Evangelischen Kirche gilt der Grundsatz „Synoden können irren“. Maßstab für alle kirchlichen Verlautbarungen ist Gottes Wort. Dies gilt auch für das Familienpapier, das der Rat der Ev. Kirche in Deutschland im Juni 2013 verabschiedet hat.

Das Familienpapier übernimmt unkritisch aus der gesellschaftlichen Diskussion die Werte der „Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit“ als Maßstab für das, was Ehe und Familie ausmachen. Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit sind jedoch lediglich Kennzeichen für Vertragsverhältnisse, die für eine festgelegte Zeit geschlossen werden (Ulrich Eibach). Sie sind keine ausreichende Norm, da auch Vielehe und Inzestverbindungen verlässlich und dauerhaft sein können (Wilfried Härle). Nach christlichem Verständnis sind Ehe und Familie hingegen durch die Einehe von Mann und Frau in gegenseitiger Hingabe und lebenslanger Treue, die Leiblichkeit und die Weitergabe des Lebens als Einrichtung Gottes gekennzeichnet. Diese über „Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit“ weit hinausgehenden Aspekte werden im EKD-Familienpapier ausgeblendet.

Das Familienpapier übernimmt unkritisch aus der gesellschaftlichen Diskussion den „erweiterten Familienbegriff“. Dahinter steht die Vorstellung, dass alle Lebensformen, in denen Menschen „verlässlich und dauerhaft“ zusammenleben, Familie seien und man sich frei für eine solche Lebensform entscheiden könne. Die leibliche Beziehung von Eltern und Kindern wird folglich als bloß biologisch abgewertet. Offensichtlich sollen auf diese Weise homosexuelle Partnerschaften legitimiert und dem Adoptionsrecht homosexueller Paare der Weg bereitet werden. In biblischer Sicht ist jedoch die Beziehung von Eltern zu ihren leiblichen Kindern und umgekehrt eine einzigartige, unauflösbare und jedem Menschen vorgegebene Beziehung, die von Gott so eingerichtet wurde. Jeder Mensch hat genau eine leibliche Mutter und genau einen leiblichen Vater, ob er will oder nicht. Daraus erwächst eine bleibende Verantwortung, aus der sich niemand davonstehlen kann. Die Familie im leiblichen Sinn ist ein Schutzraum für Kinder und Senioren. Sie dient der Weitergabe des Lebens und genießt darum den Vorrang vor anderen Lebensformen. Die Kirche hat den Auftrag, dies unserer an Kinderlosigkeit leidenden Gesellschaft zu bezeugen.

Dem EKD-Familienpapier liegt ein Menschenbild und Freiheitsverständnis zugrunde, das vom Autonomiebegriff der Aufklärung (Ulrich Eibach) und vom Selbstverwirklichungsgedanken der 1968er-Emanzipationsideologie geprägt ist. Der autonome Mensch ist dort sein eigener Gesetzgeber, er bedarf keiner Rechtfertigung durch Gott und Orientierung an Gottes Geboten (Ulrich Eibach). Dem Menschen ist demnach nichts vorgegeben und alles frei verfügbar. Die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse erscheint unhinterfragt als höchster Wert. In dieser Sicht hat eine von Gott vorgegebene Lebensform keinen Platz. Demgegenüber hat Luther in seiner Freiheitsschrift den Zusammenhang von Freiheit und Bindung betont.

Im EKD-Familienpapier werden wichtige Stellen verschwiegen (z.B. die Zehn Gebote) oder negativ ausgelegt (z. B. Epheser 5). Dafür werden in unzulässiger Weise biblische Erzählungen, in denen von Polygamie und Ehebruch berichtet wird, normativ gedeutet. Es muss festgehalten werden, dass Jesus die Ehe als unauflöslich bezeichnet hat und im Neuen Testament Ehe und Familie als Entsprechungen zur liebenden Hingabe Christi und zur Familie Gottes gesehen werden.

Martin Luther hat die Auffassung vertreten, dass die Ehe „ein weltlich Ding“ sei. Daraus wird im EKD-Familienpapier kurzschlüssig gefolgert, dass nach Meinung Luthers die Ehe keine göttliche Stiftung sei. Das Gegenteil ist jedoch richtig. Für Martin Luther ist die Ehe „ein weltlich Ding“, weil sie kein Sakrament ist. Sie gehört also nicht zur Heilsordnung, sondern zur Schöpfungsordnung. Aber als Teil der Schöpfungsordnung ist sie von Gott gestiftet und befohlen worden. Dies folgt aus der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium, die den Autoren des Familienpapiers unbekannt zu sein scheint.

Das Familienpapier setzt sich dafür ein, dass die Berufstätigkeit von Müttern und Vätern durch ausreichende Betreuungsmöglichkeiten ermöglicht wird. Jedoch wird nicht gesehen, dass ein Teil der Mütter bzw. Väter sich bewusst für die Erziehung ihrer Kinder entscheidet und darum nicht erwerbstätig sein möchte. Das Familienpapier tritt sogar für die Streichung von sozialen Absicherungen der „Ein-Erwerbs-Ehen“ ein. Damit würde jedoch die Wahlfreiheit verloren gehen. Das Familienpapier ignoriert die zunehmenden ökonomischen Zwänge, die Eltern zur doppelten Berufstätigkeit nötigen.

Das Familienpapier orientiert sich zu sehr an den derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnissen und zu wenig an Gottes Wort. Gerade weil unsere Gesellschaft ein Höchstmaß an Freiheit bietet, benötigen die Menschen eine Orientierung. Unsere Kirche hat den Auftrag, zum Vertrauen auf Gottes Wort einzuladen. Gott hat die Familie so eingerichtet, dass sie auf der Ehe von Mann und Frau aufbaut und ein Schutzraum für die Kinder ist. Dies dient der Weitergabe des Lebens und ist gut für die Menschen.


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