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Uns gemeinsam zu Gott ausrichten?

Von der Unmöglichkeit eines interreligiösen Gebets zwischen Christen und Muslimen

Reiner Vogels

In einem ZDF-Gespräch mit einer moslemischen Theologin - siehe hier - hat sich der rheinische Präses und amtierende EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider für die Möglichkeit eines interreligiösen Gebets zwischen Muslimen und Christen ausgesprochen. Er hat zwar betont, dass Moslems und Christen unterschiedliche Gottesvorstellungen haben, aber er hat es für denkbar erklärt, dass Vertreter beider Religionen in einer religiösen Veranstaltung nacheinander - in ihrer jeweiligen Tradition - zu Gott beten. Es komme darauf an, dass wir - so wörtlich - "uns gemeinsam zu Gott ausrichten."

Ganz ohne Frage hat Präses Schneider mit dieser Äußerung einen weiteren Schritt hin zu einer Nivellierung der Religionen und zur christlichen Selbstaufgabe getan. Wenn wir als Christen und Moslems wirklich den Eindruck erweckten, dass wir uns "gemeinsam zu Gott ausrichten", dann würden wir zwei verhängnisvolle Missverständnisse hervorrufen.
  1. Wir würden das Christentum als eine typische Form menschlicher Religiosität darstellen. Menschliche Religiosität besteht ja in dem Bemühen des Menschen, sich zu Gott bzw. zur absoluten Wahrheit, auszurichten. Der christliche Glaube ist jedoch etwas völlig anderes: Er ist die Botschaft, dass Gott sich zu uns "ausgerichtet" hat. Die Bibel weiß, dass es ein sinnloses Unterfangen des Menschen ist, sich zu Gott auszurichten. Und sie verkündigt vor diesem Hintergrund die befreiende Botschaft, dass Gott zu uns gekommen ist, dass er sich in seinem Sohn Jesus Christus zu uns aufgemacht hat. Jesus hat ja auch nicht gesagt:"Ich zeige euch den Weg und die Wahrheit und das Leben", sondern: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben". (Joh. 14, 6)
  2. Wir würden vor aller Welt demonstrieren, dass Christen und Muslime letztlich an denselben Gott glauben. Nun kennt jeder, der die Bibel und den Koran gelesen hat, die fundamentalen Unterschiede zwischen dem dreieinigen Gott der Bibel und dem Allah des Islam. Und bei diesen fundamentalen Unterschieden geht es keineswegs nur, wie Präses Schneider im ZDF darlegt, darum, dass beide Religionen sich durch gewisse "Aspekte" des Gottesverständnisses unterscheiden. Das Gegenteil ist der Fall: Die Gottesverständnisse in Bibel und Koran widersprechen einander in einem solchen Maße, dass eine Brücke zwischen ihnen nicht möglich ist. Das Wesentliche der biblischen Gottesoffenbarung ist Jesus Christus. Der Apostel Paulus kann sogar schreiben: "Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten" (1. Korinther 2, 2). Die Bibel lehrt also gerade nicht einen allgemeinen Gottglauben, sondern sie verkündigt, dass Gott in seinem Sohn Jesus Christus Mensch geworden ist, dass er am Kreuz für die Vergebung unserer Sünden gestorben ist und dass er uns in der Kraft seiner Auferstehung von den Toten zur ewigen Seligkeit erlösen will. Der Koran dagegen verwirft eindeutig und entschieden, dass Gott einen Sohn habe, ja, solches zu lehren, ist nach der Lehre des Mohammed eine große Sünde. Der Koran verwirft also ausdrücklich den Gott der Bibel und erklärt das Bekenntnis zum dreieinigen Gott zur Sünde. Es geht also nicht um irgendwelche unterschiedlichen Aspekte im Gottesverständnis, sondern darum, dass das Zentrum des biblischen Glaubens selbst vom Islam verworfen wird.
Es wäre daher eine grobe Irreführung der Menschen, wenn offizielle Vertreter beider Religionen in einer Art interreligiösen Gebets "sich gemeinsam zu Gott ausrichten". Sie würden den Menschen die Wahrheit schuldig bleiben. Und vor allem: Sie würden den Menschen die spezifische Gottesbotschaft des Evangeliums schuldig bleiben. Sie würden ein Zeichen setzen gegen den klaren Sinn der Bibel und gegen alle einmütig von der Kirche formulierten und auch in der Evangelischen Kirche gültigen Glaubensbekenntnisse. Denn sie würden das Bekenntnis zu Jesus Christus, dem Sohn des allmächtigen Gottes, und damit das Bekenntnis zu dem dreieinigen Gott ersetzen durch eine allgemeine Gottgläubigkeit, wie sie der Vernunft und eben auch dem Islam entspricht. Denn das dürfte deutlich sein: Der Allah des Islam ist nichts anderes als der allgemeine Vernunftgott, zu dem sich viele Menschen hingezogen fühlen. Das Wort vom Kreuz hat in diesem Vernunftglauben keinen Platz.

Nun wird niemand Präses Schneider vorwerfen, dass er über diese Dinge nicht informiert ist. Man kann davon ausgehen, dass er sich sowohl in der Bibel als auch im Koran auskennt. Man kann daher nur vermuten, was ihn dazu motiviert, den Kern des Evangeliums zu relativieren und den inhaltlichen Brückenschlag zum Islam zu suchen. Meine Vermutung ist: Der Präses läßt sich von einer falschen Friedensidee leiten: Er nimmt die richtige These des römisch-katholischen Theologen Küng auf, dass der Weltfriede nur erreicht werden kann, wenn es Frieden zwischen den Weltreligionen gibt. Aber er zieht aus dieser These den falschen Schluss, dass das Christentum um dieses Friedens willen die eigene Wahrheit relativieren muss. Dieser Weg ist nicht nur für einen Christen höchst fragwürdig, er ist auch zum Scheitern verurteilt. Sachliche Gegensätze zu nivellieren, führt niemals zu einem wirklichen Frieden, sondern nur zu einem Scheinfrieden, der jederzeit wieder verloren gehen kann. Wirklicher Friede kann nur darin bestehen, dass man bei seiner Wahrheit bleibt, dass man auch versucht, den anderen von seinem als wahr erkannten Glauben zu überzeugen und dem anderen natürlich dasselbe Recht zugesteht. Entscheidend aber ist, dass beide Seiten es grundsätzlich und prinzipiell ausschließen, Gewalt anzuwenden. Nur mit dem Wort, nicht mit menschlicher Gewalt darf die Wahrheit verkündigt werden! Die Evangelische Kirche hat sich im Augsburger Bekenntnis von 1530 eindeutig zu diesem Grundsatz bekannt. Eine entsprechende verbindliche Festlegung des Islam gibt es leider bisher nicht.

Pfr. i.R. Reiner Vogels, Swisttal, 11.05. 2010



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