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Die Abschaffung des „Missionsbefehls“ – oder wie in der EKD mit der Bibel umgegangen wird!
Überlegungen von Wilhelm Drühe

Eine Anfrage als Denkanstoß

Den Anstoß zu dieser Nachfrage erhielt ich von einer kleinen Notiz in „chrismon“, der EKD-Zeitschrift, die vom Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) in Frankfurt am Main, der EKD-Medienzentrale, herausgegeben wird. Herausgeber sind u.a. Bischof Wolfgang Huber und Bischöfin Margot Käßmann. Diese monatlich erscheinende Zeitschrift liegt der Wochenzeitung DIE ZEIT und Tageszeitungen wie SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, FRANKFURTER ALLGEIME ZEITUNG, dem TAGESSPIEGEL u.a. bei. Das sagt m.E. schon etwas aus über die angestrebte Zielgruppe aus – und hat auch sicher Auswirkung auf die redaktionelle Gestaltung.

Eduard Kopp, Diplomtheologie und leitender Redakteur bei „chrismon“, beantwortet regelmäßig Fragen von Lesern. In der letzten Ausgabe hat ein Erwin Reimann per E-Mail angefragt, ob der Missionsbefehl (Matthäus 28, 19 – 20) korrekt übersetzt worden ist. Er hätte schon des Öfteren festgestellt, dass Verständnisprobleme auf der Übersetzung der Bibel ins Deutsche beruhen. Der Frager stieß sich offensichtlich an: „Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern, und tauft sie auf den Namen …“.

Wie Theologen heute denken

Die Antwort – wahrscheinlich auch gegen die Übersetzung in der „Elberfelder Bibel“, also eine Übersetzung aus dem evangelikalen Lager, gerichtet – sie hat als einzige unter den bekannteren Bibelausgaben die Aussage, dass alle Nationen (!) zu Jüngern gemacht werden sollten! – zeigt nun, was in der evangelischen Kirche aus der Bibel gemacht wird. Der „Missionsbefehl“ sei eine nachösterliche Äußerung des Auferstandenen, insofern rechnen Theologen ihn nicht zu den historisch verbürgten ureigenen Worten Jesu. Sie verstehen den „Missionsbefehl“ als eine Glaubens­aussage der jungen Kirche. Also: Die Kirche hat diesen Text erfunden und Jesus in den Mund gelegt! Aber die Deutung geht noch weiter – und zunächst wird erwähnt, dass damals nicht von Nationen gesprochen werden konnte, erst recht nicht im Sinne der modernen Nationalstaaten. Aber es wird noch deutlicher, was diese theologische Deutung eigentlich will. Korrekt im Sinne der griechischen Vorlage bei Matthäus wird der Text so wiedergegeben: „Geht nun hin und macht zu Jüngern alle Völker, indem ihr sie tauft… und sie halten lehrt alles, was ich euch geboten habe.“ Die Konjunktion „indem“ zeige, dass der eigentliche Auftrag der der Taufe ist und dass nicht etwa die Missionierung und die Taufe zwei eigenständige Aufträge sind.

Statt Mission nur noch Taufe

Also müsste in den Bibelausgaben nicht mehr – wie bisher – die Überschrift stehen „Missionsbefehl“, sondern „Taufbefehl“. Das tut in der evangelischen Kirche – und wenn Eduard Kopp auch so etwas wie ein EKD-Sprecher ist! – gut: dieser Missionsbefehl ist endgültig erledigt. Er stammt ja nicht von Jesus von Nazareth, er ist (nur) ein Auftrag, den die frühe Kirche erfunden hat – und er meinte überhaupt nicht die Mission anderer Menschen, sondern er war von Anfang an nur ein Taufbefehl. Und diese Taufe hatte die frühe Kirche auch erfunden – und hoch gegriffen, indem sie es geschehen ließ „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Dabei war es ihre eigene Einsetzung! Interessant auch in der „Bibel in gerechter Sprache“ diese Verse Matthäus 28, 19 – 20: „Macht euch auf den Weg und lasst alle Völker mitlernen. Taucht sie ein in den Namen Gottes, Vater und Mutter für alle, des Sohnes und der heiligen Geistkraft. Und lehrt sie, alles, was ich euch aufgetragen habe, zu tun. Und seht: Ich bin alle Tage bei euch, bis Zeit und Welt vollendet sind.“

Bibel als Steinbruch

Im „Glossar“ dieser „Bibelausgabe“ kann man auch über die Taufe folgendes lesen: „Wie bei Johannes dem Täufer ist die Taufe auch in der jesusgläubigen Gemeinde ein innerjüdisches Ritual, das Vergebung der Sünde und Umkehr zum Ausdruck bringt… Dass ohne Taufe kein Heil bei Gott zu finden sei, ist ein Gedanke, der dem NT fremd ist. Aber in einigen Handschriften später eingetragen wurde (Mk 16, 16).“ Das bedeutet also: die Taufe wurde als innerjüdisches Ritual von den Gemeinden übernommen – später dann mit Deutungen überfrachtet, so: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden“ (Mk 16, 16). Gehört in der „Bibel in gerechter Sprache“ nicht mehr zum offiziellen Bibeltext, sondern wird nur als Anhang verkleinert abgedruckt.

Sola scriptura ist ausgehöhlt worden

Die römisch-katholische Kirche hat als Offenbarungsquellen die Bibel und die Tradition mit dem päpstlichen Lehramt als Auslegungsinstanz. Martin Luther vertrat mit den anderen Reformatoren des 16. Jahrhunderts das „sola scriptura“, dass die Schrift allein als Offenbarungsquelle gelten sollte und dass sie sich selbst auslegt – ohne ein päpstliches Lehramt. Der Umgang mit der Bibel innerhalb der evangelischen Kirche heute zeigt aber, dass dieses Bekenntnisprinzip weithin Gültigkeit und Wirksamkeit verloren hat – letztlich durch die Aufteilung in den vorösterlichen Jesus und den nachösterlichen Christus. Für Martin Luther ging es bei der Heiligen Schrift noch um die Offenbarung Gottes, inzwischen ist aus der Bibel ein Glaubenszeugnis der Gemeinde/Kirche geworden. Was wird eigentlich von den Kanzeln (noch) verkündet, was verschweigen Pfarrerinnen und Pfarrer ihren Gemeinden?
Pfr. i.R. Wilhelm Drühe, Mettmann, 17.02. 09



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