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„Ökumene der kirchlichen Gegensätze“ statt „Ökumene der Profile“ Überlegungen zur „Lutherdekade“ von Wilhelm Drühe

Roms „Ökumene der Wiedervereinigung“

Die getrennten Kirchen haben jeweils verschiedene Definitionen von „Ökumene“ – die wichtigsten: „Ökumene der Wiedervereinigung“ der römisch-katholischen Kirche. Im offiziellen „Katechismus der Katholischen Kirche“(1993) gibt es im Thematischen Register nur einen Eintrag unter „Ökumene“ (821). Was dort aufgeführt wird, steht unter der Überschrift „Auf die Einheit hin.“ Aus „Lumen gentium“ wird zitiert: „auf die katholische Einheit hin.“ Nach katholischem Kirchen-Verständnis kann es auch nicht anders sein, denn die einzige Kirche Christi ist verwirklicht in (subsistit in) der katholischen Kirche. „Lumen gentium“ ist die Dogmatische Konstitution über die Kirche vom 2. Vatikanischen Konzil (1964). Wie verhalten sich die anderen christlichen Kirchen, wenn sie im Gegenüber zur Papst-Kirche von „Ökumene“ sprechen? Können sie die römisch-katholische Ökumene-Bestimmung übernehmen und ihr zustimmen? Wohl kaum!

Bischof Hubers „Ökumene der Profile“

Der EKD-Ratsvorsitzende, der Berliner Bischof Wolfgang Huber, brachte eine neue Bestimmung auf: „Ökumene der Profile“. Bei der Papstaudienz anlässlich des Weltjugendtages in Köln (2005) trug er Papst Benedikt XVI. seinen Ökumene-Entwurf vor. „Die Rede von einer Ökumene der Profile soll den ökumenischen Einsatz unserer Kirche auf neue Weise unterstreichen“, so Wolfgang Huber. „Wir wollen das Gemeinsame stärken.“ Es gehe aber auch um die Rechenschaft darüber, was aus der eigenen Überlieferung und dem eigenen Auftrag in das gemeinsame Zeugnis eingebracht werden soll. „Auch darüber müssen wir Auskunft geben, was uns – einstweilen – an voller und sichtbarer Kirchengemeinschaft hindert.“ Das entscheidende Ziel der Ökumene der Profile bestehe darin, wegen der bleibenden Unterschiede nicht eine gegenseitige Verwerfung vorzunehmen, sondern „sie als Differenzen verstehen lernen, mit denen zu leben unsere zukünftige gemeinsame Aufgabe ist.“ Dies könne gelingen, wenn ein gemeinsamer Sinn und eine gemeinsame Beauftragung in diesen bleibenden Unterschieden erkannt werden. (Weiteres dazu in Wolfgang Huber, „Im Geist der Freiheit - Für eine Ökumene der Profile“ Herder Freiburg i.B. 2007).

Führt die „Ökumene der Profile“ zu Neo-Konfessionalismus?

Dass der Papst nicht selbst geantwortet hat, ist verständlich. Dafür hat Kardinal Kasper, im Vatikan zuständig für die Ökumene, sehr eindeutig und unmissverständlich gesagt: Hubers Vorstellungen führten zu einem „Neo-Konfessionalismus“ und der Berliner Bischof sei auf halben Wege stehen geblieben, weil er – im Unterschied zu Luther – die Wahrheitsfrage umgeht. Eine herbe Kritik, aber sicher auch berechtigt! In der FAZ konnte man am 23. Juni 2007 lesen, was der Kardinal über den höchsten EKD-Repräsentanten schreibt: "So ist die Ökumene der Profile eine Ökumene, die auf halbem Wege stehen bleibt. Sie umgeht in wichtigen Punkten die Wahrheitsfrage." Angefügt wird dann, was in Berlin besonders geschmerzt haben wird: Das sei kaum das, was Luther und was das Augsburger Bekenntnis von 1530 angestrebt haben. "Wirkliche Einheit der Vielfalt sieht anders aus." Es ist schon eigenartig, dass der Kardinal mit seiner Kirche für die Wahrheit eintritt, die schon Luther und das Augsburger Bekenntnis angestrebt hätten, aber der Bischof in Berlin bliebe auf halben Weg stehen, so aus dem Vatikan.

Die EKD sollte sich mehr mit Martin Luther beschäftigen!

Es wäre an der Zeit, dass der EKD-Repräsentant endlich etwas Kritisches zum römisch-katholischen Ökumene-Verständnis sagt – anstatt mit seiner „Ökumene der Profile“ um den heißen Brei herumzureden und sich Ohrfeigen vom vatikanischen Ökumene-Minister gefallen zu lassen. Ich bin deshalb für eine „Ökumene der kirchlichen Gegensätze“, was nicht nur konträr, sondern kontradiktorisch im engeren Wortsinn gesehen werden müsste. Diese Gegensätze haben sich ergeben aus der kirchlichen Verhältnissen, wie sie sich im 16. Jahrhundert entwickelt haben und zum Protest Martin Luthers und der anderen Kirchen-Reformatoren führten. Der Reformator Martin Luther aus dem 16. Jahrhundert widerspricht im Jahre 2008 immer noch Benedikt XVI. – weder die „Ökumene der Wiedervereinigung“ Roms, noch die „Ökumene der Profile“ der EKD werden dem gerecht. Die Gemeinsame Erklärung über die Rechtfertigungslehre zwischen Rom und der Lutherischen Kirche wird diesem bleibenden Gegensatz nicht gerecht. Ich werde diese „Ökumene der kirchlichen Gegensätze“ im Folgenden darstellen.

Die babylonische Gefangenschaft Roms besteht immer noch

Im Jahre 1522 schrieb Martin Luther eine seiner reformatorischen Hauptschriften über die babylonische Gefangenschaft der Kirche: „De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium“. In einer kämpferischen Sprache legt er in der Behandlung der sieben Sakramente der römisch-katholischen Kirche dar, worin die ideologische Gefangenschaft dieser Kirche besteht: nämlich in der Übernahme der aristotelisch-thomistischen Philosophie, was nicht nur für die römisch-katholische Sakramentenlehre gilt. Aus dieser Kampfschrift: „Als ich danach sah, was für eine Kirche das ist, die solches bestimmt, nämlich die thomistische, das heißt die des Aristoteles, da bin ich beherzter geworden.“ Diese Meinung des Thomas von Aquin sei ohne Schriftgrundlage wie ohne Vernunftbegründung. Aber die römische Kurie sei in elende Gefangenschaft geraten und „die Kirche ist all ihrer Freiheit beraubt.“ Und schließlich: „Die Kirche hat mehr als zwölfhundert Jahre recht geglaubt… bis die so genannte Philosophie des Aristoteles in diesen letzten dreihundert Jahren in der Kirche überhandgenommen hat.“ Luther erwähnt als Beispiel dafür die „Transsubstantiation“ bei dem Messopfer nach katholischem Verständnis. Das Lexikon für Theologie und Kirche (katholisch) bestätigt, was Luther kritisiert, wenn über Thomas von Aquin (um 1226 – 1276) gesagt wird: „Seine große geistesgeschichtliche Tat ist die Synthese von Augustinus und Aristoteles in Philosophie und Theologie.“

Professor Martin Luther widerspricht Professor Joseph Ratzinger

Was Martin Luther damals heftig kritisiert hat, wird heute noch vom gegenwärtigen Papst vertreten. Seit seiner Antrittsvorlesung an der Bonner Universität im Jahre 1959 über den „Gott des Glaubens und den Gott der Philosophen“ ist die Hellenisierung des christlichen Glaubens sein Zentralthema – bis hin zu seiner Regensburger Vorlesung im Jahre 2006. „Für Thomas fallen Gott der Religion und Gott der Philosophen völlig ineinander.“ Und weiter in der Bonner Vorlesung: „Der Gott des Aristoteles und der Gott Jesu Christi ist ein und derselbe, Aristoteles hat den wahren Gott erkannt, den wir im Glauben tiefer und reiner erfassen dürfen.“ Der Reformation und der folgenden Aufklärung wirft Benedikt XVI. die Enthellenisierung vor, also die grundsätzliche Ablehnung dessen, was für Martin Luther ein Herzstück seiner Theologie war. Für Joseph Ratzinger handelt es sich dabei um die „Entscheidungsfrage zwischen katholischem und evangelischem Verständnis des Christentums“ (Bonner Vorlesung). Was wäre, wenn die EKD endlich zu dieser Vatikan-Position Stellung bezieht und eine neue Ökumene-Definition erarbeitet und veröffentlicht?

Pfr. i.R. Wilhelm Drühe, Mettmann, 04.10.08



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