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"Evangelisch Kirche sein“ - Ein Irrweg der EKD
Evangelisch Gemeinde sein ist gefordert
Wilhelm Drühe

Auf der EKD-Synode in Dresden sind gegen Ende des Synodentagung kleine Brötchen gebacken worden. Vollmundig war man angefangen – der große Ansturm auf die EKD-Reform sollte beginnen, nachdem auf dem Kongress in Wittenberg zu Beginn des Jahres schon für die „Kirche der Freiheit“ die Reformvorschläge ausgebreitet worden waren. „Umbruch erfasst evangelische Kirche mit vollen Wucht“, meldet eine evangelische Presseagentur. Nach dem Ende der Synode schreibt Heike Schmoll in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (am 8. November 2007): „Es ist besorgniserregend, dass sich die Synode durch impulsarme Debatten allmählich selber schwächt.“

Ach, dann unser EKD-Ratsvorsitzender Wolfgang Huber mit der großen Ausschweife der Konzeption. Selbst das Hamburger Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL berichtete am 5. November 2007 über „Hubers Friedensvorschlag.“ Der nimmermüde Prediger des deutschen Zentral-Protestantismus in Berlin will jetzt das gestörte Verhältnis zwischen Protestanten und Katholiken in Deutschland (in Deutschland? - wo die Katholiken doch von Rom abhängen) verbessern. Frieden – bedeutet das nicht, das so etwas wie Krieg zwischen den Kirchen und Konfessionen herrscht?

Ökumene der Profile aufgegeben?

Dazu hat Wolfgang Huber offensichtlich seine „Ökumene der Profile“, die in Rom überhaupt nicht gut angekommen ist, umgeschrieben. Jetzt fordert er eine Ökumene der gemeinsamen Spiritualität, des wechselseitigen Respekts und des gemeinsamen Handelns. Dagegen wird der Vatikan und Hubers kräftiger Kontrahent, Kardinal Walter Kasper, Chef der päpstlichen Kommission für die Einheit der Christen, kaum etwas haben. Kasper hatte in der letzten Zeit häufiger den Berliner Bischof fertig gemacht – trotzdem sieht dieser bei dem Kardinal den Willen, „über den durch dieses Dokument geprägten Zustand hinauszukommen“ – gemeint ist das Vatikan-Papier mit der Wiederholung der These Roms, dass es sich bei den evangelischen Kirchen nur um kirchliche Gemeinschaften, nicht aber um Kirchen im Vollsinne handelt.

Evangelische Bischöfe sind sich in der römischen Beurteilung – oder Verurteilung – ihres Kirche-Seins nicht einig: die einen macht es traurig, die anderen finden es nicht so schlimm. Der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich hat jetzt sogar Kritik am Papst zurückgewiesen – der stehe doch für eine „evangeliumsgemäße Christusbezogenheit“. Und sein katholisches Gegenüber, der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, hatte ihn nach der Kommunion in der Messfeier umarmt. Friedrich dazu: „Das hat mich zutiefst berührt und bewegt.“ Teilnahme an der Eucharistie wäre ein wirklich ökumenisches Zeichen gewesen, wenn man Ökumene überhaupt als Ziel hat.

Muss die Großreform aufgegeben werden?

Aber zurück zur EKD-Synode und den kleinen Brötchen. Was ist geblieben vom EKD-Impuls „Kirche der Freiheit“, bis zum Reformationsjubiläum 2017 umzusetzen? Der Bonner Theologieprofessor Eberhard Hauschildt hielt das Grundsatzreferat zum Synoden-Thema „evangelisch Kirche sein“ und forderte die Synodalen auf zu beachten, was ihre Beschlüsse kosten – und auch das ist eine neue Form evangelischer Theologie, die sich doch hauptsächlich mit dem Verhältnis zu Gott beschäftigen sollte: „Wir brauchen durch Zahlen informierte Theologie und theologisch gewichtete Zahlen.“ Also „Theologie“ doch mehr eine Kirchen-Ideologie? Ob dem EKD-Chef Huber gefallen hat, dass der Professor behauptete, die Zahlen des EKD-Impulspapiers „Kirche der Freiheit“ vom letzten Jahr seien weitgehend vom Tisch? „Kirche der Freiheit“ als Anstoß zur Reformdebatte war doch so etwas wie Chef-Sache. Die ganz große Reform ist also mehr oder weniger erledigt. Noch einmal der Bonner Professor: „Eine durchschlagende Organisationsform von oben her ist in der Kirche als Organisation der Freiheit nicht möglich und auch nicht wünschenswert.“

Jetzt erst theologisches Nachdenken?

Peter Bukowski vom Reformierten Bund (Wuppertal), Vorsitzender des Vorbereitungsausschusses zum Schwerpunktthema „evangelisch Kirche sein“, mit der Feststellung, jetzt sei theologisches Nachdenken gefragt – was auch in Reaktionen auf das Impulspapier des EKD-Rates öfter angemahnt worden sei. Er forderte, dass die Kirche bei ihrem „Kerngeschäft“ bleiben müsse: Gottesdienst und Verkündigung. Er hat übrigens festgestellt, dass die EKD immer mehr zu Kirche werde. Auch das noch!

Für mich ist sowohl die Propagierung der „Kirche der Freiheit“ als auch das Schwerpunkt-Thema der EKD-Synode „evangelisch Kirche sein“ Zeichen einer Fehlentwicklung, eines Irrweges des deutschen Protestantismus. Wenn heute eine Reformbewegung in unserer evangelischen Kirche in Gang gesetzt werden muss, dann nur in die Richtung: „evangelisch Gemeinde sein.“ Eine Karikatur macht deutlich, worauf es ankommen muss:

Was ist der bleibende Auftrag der Reformation?

Die Kirchenverhältnisse müssen endlich umgekehrt werden. Das ist der bleibende Auftrag der Reformation! Diese Karikatur steht übrigens in der Tradition der Kirchen-Kritik, die schließlich auch zu dem Reformbemühen Martin Luthers geführt hat. Bei den Darstellungen des 16. Jahrhunderts standen oben der Papst und der Vatikan, heute können die EKD und die verbündeten Kirchenleitungen dort aufgestellt werden. Die innerkirchlichen Verhältnisse sind weitgehend dieselben.. Martin Luther wollte in erster Linie die Gemeinde-Reform, deshalb auch seine Schrift aus dem Jahre 1523: „Dass eine christliche Versammlung oder Gemeinde Recht und Macht habe, alle Lehre zu urteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen. Grund und Ursach aus der Schrift.“ Was lebt denn davon noch heute in unseren evangelischen Gemeinden? Was haben „die da oben“ nicht alles an sich gezogen, weil sie ihre kirchliche Machtentfaltung letztlich der damaligen Fürsten-Reformation verdanken – vermittelt über „Thron und Altar“ und den Konsistorien?

Kirche Fortsetzung des Staates mit religiösen Mitteln?

Selbst Wolfgang Huber hat vor einigen Jahren in einem Vortrag in der Evangelischen Akademie in Mülheim an der Ruhr gesagt, dass die äußeren Voraussetzungen für eine enge Verbindung zwischen Kirche und Staat im Jahr 1918 entfallen seien. Die dadurch eingeleitete Veränderung sei aber von den Kirchen nur zögernd begriffen und verarbeitet worden. „Nach wie vor erscheint die Kirche vielen als Fortsetzung des Staates mit religiösen Mitteln.“ Trifft das nicht besonders auf die gegenwärtigen Entwicklungen in der EKD und auch auf diese EKD-Synode zu? Wolfgang Huber nochmals in diesem Zusammenhang: „Die staatsanaloge Vorstellung von der Volkskirche fügt der Aufgabe, Kirche für das Volk zu sein, je länger desto deutlicher schweren Schaden zu.“ Kann man das nicht behaupten von der „Kirche der Freiheit“ als einem großen Reformvorhaben der EKD, entfaltet in dem Impulspapier?

Wer verhindert eine notwendige Kirchen-Reform?

Vor einigen Jahren wurde in einem Beitrag im „Deutschen Pfarrerblatt“ – sicher eine Zeitschrift die innerkirchliche Verhältnisse in Deutschland im Allgemeinen kennt! -behauptet, dass etwa 2 000 evangelische Amtsträger in Deutschland eine wirkliche und notwendige Kirchen-Reform verhindern, weil sie an ihren Kirchen-Posten hängen und von diesen Kirchen-Posten her evangelische Kirche gestalten – mit Wolfgang Huber möchte ich anfügen: Sie fügen „der Aufgabe, Kirche für das Volk zu sein, je länger desto deutlicher schweren Schaden zu.“ In der heutigen Tageszeitung (FAZ vom 6. November 2007 mit einem Synode-Bericht von Heike Schmoll) lese ich, dass der erwähnte Bonner Theologieprofessor gesagt haben soll, die Protestanten litten nicht an der Durchsetzungsmacht der Kirchenhierarchie und der Unveränderlichkeit der kirchlichen Tradition, sondern an der Institution selbst. Und weiter: Sie distanzierten sich von der Organisation. Eine durchschlagende Organisationsreform von oben sei in einer Kirche der Freiheit nicht möglich.

Wenn das stimmen sollte, dann kann das nur bedeuten, dass „evangelisch Gemeinde sein“ die Hauptaufgabe unserer Kirche werden muss, dass die „Kirche da oben“ zurückgebaut und abgebaut werden muss – damit die wirkliche „Kirche der Freiheit“ entstehen kann. Und wenn die heutigen Gemeinden noch nicht fähig sind, „Kirche der Freiheit“ zu verwirklichen, dann müssten sie dazu befähigt werden. Dazu wünsche ich mir eine EKD-Synode mit dem Programm: „evangelisch Gemeinde sein.“

Pfr. i.R. Wilhelm Drühe, Mettmann, wdruehe(a)web.de, 8. November 2007





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