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Die Wahrheit des Kreuzes

Gedanken zur Passionszeit
Reiner Vogels

Weit verbreitet ist heutzutage die Meinung, daß alle Religionen gleich seien. Alle, so die gängige Meinung, seien irgendwie für Frieden und Gerechtigkeit und strebten nach Erkenntnis der Wahrheit. Und deshalb, so heißt es weiter, sollten sich alle Religionen zu einem Dialog verständigen, bei dem jede ihren eigenen Absolutheitsanspruch aufzugibt.

Es mag sein, daß diese heute verbreitete Meinung für manche außerchristliche Religion zutrifft, für die christliche Religion jedenfalls ist sie von Grund auf verkehrt. Denn im Zentrum der christlichen Religion steht die Wahrheit des Kreuzes, und diese Wahrheit steht diametral allen außerchristlichen Religionen und Weisheitslehren der Menschheit entgegen. Das Kreuz läßt sich nicht in einen alle Unterschiede relativierenden Dialog einebnen, sondern es erhebt den Anspruch unbedingter und ausschließlicher Wahrheit. Und das zu Recht! Das Kreuz Jesu Christi ist die Wahrheit, und außerhalb dieser Wahrheit gibt es bestenfalls Richtigkeiten, aber keine Wahrheit.

In zweifacher Weise ist das zu erläutern:
  1. Die Wahrheit des Kreuzes ist ein Urteil über den Menschen

    Jesus Christus, der Sohn Gottes, hat in freier Selbsthingabe den schmachvollen Tod am Kreuz auf sich genommen, um die Welt mit Gott zu versöhnen. Notwendig war das, weil die menschliche Sünde und Gottlosigkeit der entscheidende Grund dafür ist, daß der Mensch nicht zu Gott kommen kann, nicht die Wahrheit erkennen kann und nicht erlöst werden kann. Das Grundproblem des Menschen besteht eben nicht darin, daß er Fehler macht und sich irren kann. Es besteht auch nicht darin, daß er vergänglich ist und sterben muß. Das Grundproblem des Menschen ist seine schuldhafte Abwendung von Gott und als Folge daraus sein gieriger Egoismus und seine Brutalität gegenüber dem Mitmenschen. Insofern spricht das Kreuz Christi das Urteil: So wie der Mensch ist, ist er nicht geeignet für das Reich Gottes. Im Himmel ist kein Platz für Sünder, und solange der Mensch ein Sünder ist, kann er nicht erlöst werden.

    Das Urteil des Kreuzes über den Menschen ist eine bittere Wahrheit, aber es ist die Wahrheit. Und es gibt keine menschliche Religion und Weisheitslehre, die in ähnlich kompromißloser Schärfe und Eindeutigkeit über den Menschen die Wahrheit sagt. Alle anderen Religionen und Weisheitslehren betrachten den Menschen durch die rosarote Brille und verweigern sich dem gerechten Urteil, das das Kreuz gesprochen hat. Deshalb gibt es hier keine Kompromisse und keinen jedem Recht gebenden Dialog.

  2. Die Wahrheit des Kreuzes als stellvertretende Sühne

    Ungezählte Theologieprofessoren, Oberkirchenräte, Bischöfe und Kirchenpräsidenten haben in den vergangenen Jahrzehnten ihre ganze Intelligenz darauf verwandt, die schlichte Botschaft des Neuen Testaments vom stellvertretenden Sühneopfer Jesu Christi umzudeuten. Als Zeichen des Scheiterns zum Beispiel des irdischen Jesus wurde das Kreuz gedeutet oder als Zeichen der Solidarität Gottes mit den Leidenden. Solche Deutungen mögen Seitenaspekte der Kreuzesbotschaft erfassen, am eigentlichen Zentrum und am übereinstimmenden Zeugnis aller neutestamentlichen Zeugen gehen sie allerdings vorüber.

    Und dieses Zentrum ist: Gott hat uns die Sünden nicht einfach so, in einem spontanen Willensakt vergeben wollen. Er ist ein Gott des Rechtes und der Verläßlichkeit und kein Willkürgott. Und deshalb hat Jesus Christus in freier Selbsthingabe für uns Sünder ein stellvertretendes, ein an unserer Stelle die Strafe tragendes und so unsere Schuld sühnendes Opfer dargebracht. Er hat uns damit Straffreiheit erkauft und uns aus Sündern zu Gerechten gemacht. Weil wir gerecht gemacht worden sind vor Gott, können wir erlöst werden. Darum und nur darum haben wir Zugang zum Vater im Himmel. Darum und nur darum können wir gewiß sein, daß wir dereinst in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen werden.

Das ist die Wahrheit des Kreuzes. Ohne diese Wahrheit gibt es keine Erlösung. Wir Christen dürfen diese Wahrheit nicht um des Dialogs mit anderen Religion in einem diffusen Dialog einschmelzen. Wir müssen sie offensiv und missionarisch allen Menschen verkündigen, nicht nur den Atheisten und Rationalisten, sondern auch Juden, Moslems, Buddhisten und Hinduisten. Denn Gott will, daß allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1. Timotheusbrief, 2, 4).

Reiner Vogels, 01.03. 2006




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