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Papst in Bayern: Müssen Evangelische neidisch sein?
Ein Kommentar von Wilhelm Drühe

In den letzten Tagen habe ich häufiger gehört, dass evangelische Mitchristen sich etwas neidisch zum Papst-Besuch in Bayern äußerten. Wenn ich dann nachfrage, dann kam die Antwort aus der Richtung, dass die katholische Kirche doch mehr in der Öffentlichkeit bewegen kann als unsere evangelische, auch dass sie mehr Beachtung in den Medien findet. Sehr eigenartig fand ich auch eine Äußerung einer jungen Frau. In den letzten Tagen habe sie von der Brustoperation der Bischöfin Käßmann in der Zeitung gelesen. Das sei wohl das einzige, was die evangelische Kirche in die Medien bringen könne! Die Prostata-Operation eines katholischen Bischofs käme wohl nicht in die Zeitung.

Der andere römisch-katholische Ansatz

Mir ist in den letzten Tagen wieder bewusst geworden, dass die katholische Kirche einen ganz anderen Ansatz hat als wir Evangelischen. Seit dem Vorgängerpapst des jetzigen, Johannes Paul II., setzt sie auf die Mission durch Events, durch religiöse Großereignisse – mit einem Riesenaufwand an medialer Verbreitung. Das greifen die Massenmedien natürlich gerne auf, es ist schließlich ihr Geschäft und finanzieller Gewinn. Ich finde es bedenklich, dass dann unsere Kirchen-Leitenden dagegensetzen, wir hätten ja auch Großereignisse wie Kirchentage und Motorradgottesdienste. Weshalb da mitziehen wollen? Weshalb jetzt schon mit dem nächsten Kirchentag in Köln im nächsten Jahr Reklame machen, damit möglichst viele kommen?

Ich meine, dass das Gerede von der so genannten Ökumene manchmal eine falsche Perspektive in das konfessionelle Vergleichen bringt. Wir sind nicht nur anders als Evangelische, weil wir keinen Papst haben, dem aber auch nicht nachweinen sollten (etwas als „Sprecher“ aller christlichen Kirchen!). Martin Luthers Reformbemühen ging – wenn ich es recht verstanden habe! – nicht nur gegen den Papst, sondern mehr um die Erneuerung der christlichen Kirche auf der Ebene der örtlichen Gemeinde. Kirche war für ihn – wie Philipp Melanchthon es in unserer Bekenntnisschrift von 1530, der Confessio Augustana, schrieb - „Es wird auch gelehrt, daß allezeit eine heilige, christliche Kirche sein und bleiben muß, die die Versammlung aller Gläubigen ist, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden“ (Artikel 7 – Von der Kirche). Aus dem Reformbemühen wurde etwas ganz anderes, als die Fürsten und die Städte die Kirchen-Sache zu ihrer eigenen politischen Sache machten. Im Berliner Dom mit seiner Prachtentfaltung kann man heute noch sehen, wohin das geführt hat.

Wenn es um die Kirche Jesu Christi geht, dann ist das das Primäre, Kirche in der Gemeinde, alles andere ist sekundär und hat nur Hilfsfunktion, wenn es nicht sogar Schaden dem zufügt, was Jesus von Nazareth gewollt hat. Dazu gehören Kirchenordnungen und Kirchenleitungen, die zusätzlich zu den Gemeinden entstanden sind und sich in der Geschichte entwickelt haben. Ich rechne dazu das Papsttum, aber auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) als kirchliche Oberbehörde mit den Bestrebungen, die sich jetzt im EKD-Impulspapier zeigen.

Der Unterschied zu dem, was säkular gemacht wird.

Gegen Ende seines Lebens hat Jesus sehr ausdrücklich gesagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (im Evangelium nach Johannes 18, 36). Die Botschaft des Jesus von Nazareth ist etwas anderes als das, was durch moderne Medien und nach deren Gesetzen verbreitet wird. Gemeindliche und kirchliche Zusammenkünfte sind grundsätzlich etwas anderes als das, was in heutigen Groß-Events organisiert wird und nach deren Gesetzmäßigkeiten abläuft. Es bleibt für mich eine Unmöglichkeit, dass ein Papst gleichzeitig Staatsoberhaupt ist, mit militärischen Ehren empfangen wird – wie das Staatsoberhaupt eines souveränen Staates. Wenn unter anderen politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen so etwas in der Kirchengeschichte entstanden ist, dann ist es Zeit, dies abzubauen – nach dem Grundsatz: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Dann die unseligen Audienzen, zu denen unsere evangelischen Bischöfe drängen – wie damals in Köln, jetzt auch in München. Wir sollten deutlich machen, dass wir das nicht unterstützen. Hinzu kommt ja noch, dass Evangelische nur Angehörige „kirchlicher Gemeinschaften“ sind, wie Benedikt XVI. wieder in München bei der Begrüßung gesagt hat.

Religiöse Folklore auf bayrisch

Es fällt mit etwas schwer, von unseren katholischen Mit-Christen zu sprechen, wenn sie diesen Papstkult betreiben und mitmachen. Was haben wir mit ihrem Papst-Kult denn gemeinsam? Es geht dabei - so meine ich! – nicht um Ökumene, sondern um eine typisch römisch-katholische Sache und Angelegenheit, um religiöse Folklore auf Bayrisch. Ich wünsche, dass in der Papst-Kirche Martin Luther wieder und weiter wirkt. Der Papst Paul VI. hatte 1964 die Tiara, die Papstkrone (!) abgelegt. Seine Nachfolger müssten noch vieles ablegen. Ein Besuch eines Papstes, des Bischof von Rom (!), sollte auch in seinem Heimatland anders ablaufen als an diesem Wochenende. Aber – was will er und was machen die Menschen und die Medien aus einem solchen Besuch?
Pfr. i. R. Wilhelm Drühe, 10. 09. 06 in: Kirchenbote aus dem Neandertal – www.kirchenbote-neandertal.de)



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