Der unten stehende Aufsatz untersucht
die Herausforderungen, denen sich die Christenheit in der Kultur des Todes
gegenübersieht. Er legt dar, daß die westliche Industriegesellschaft
eine Kultur des Todes ist. Er beschreibt die einzelnen Todesfaktoren, die
zu den immanenten Gesetzen der westlichen Gesellschaftsordnung gehören.
Insbesondere weist er nach, daß die Todesfaktoren ihre entscheidende
Stütze im globalisierten marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem haben.
Die Folgerung ist, daß die Kultur des Todes erst dann überwunden
werden kann, wenn das marktwirtschaftliche System in seiner gegenwärtigen
globalisierten Form überwunden worden ist.
Mehrfach wird im Neuen Testament
die Existenz des Menschen, der sich von Gott abgewandt hat, als eine Todesexistenz
gekennzeichnet. So schreibt z.B. der Apostel Paulus im Brief an die Kolosser:
"Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden".
Ganz ähnlich formuliert der Epheserbrief:
"Auch ihr wart tot durch
eure Übertretungen und Sünden." Von der Gemeinde in Sardes heißt es in der Offenbarung des Johannes:
"Du hast den Namen, daß du lebst, und bist tot."
Schließlich erklärt der gütige Vater im Gleichnis vom verlorenen
Sohn:
"Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden".
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Nun kann in all diesen Fällen
kein Zweifel daran bestehen, daß die Menschen, von denen hier als
von Toten die Rede ist, im biologischen Sinne lebendig gewesen sind. Wenn
die Bibel sie dennoch als Tote bezeichnet, muß sie das in einem anderen
als biologischen Sinne meinen. Worin jedoch besteht dieser andere Sinn?
Die erste und einfachste Antwort ist die Erklärung, daß das
Leben in der Gottferne in geistlichem Sinn als "totes" Leben, als Leben
ohne Sinn und Hoffnung zu verstehen ist. So interpretiert z.B. Rudolf Schnackenburg
in seinem Kommentar zum Epheserbrief:
"Das 'Totsein' wird eher zum Charakteristikum
einer 'heidnischen', ohne tieferen Sinn erfüllten, schuldhaft verstrickten,
trostlos-düsteren Existenz."
Er spricht von einem "metaphorischen"
Gebrauch des Wortes "tot"“.
Ganz gewiß ist es nicht
verkehrt, die Rede vom Totsein des Sünders in diesem oder ähnlichem
Sinn als metaphorisch zu verstehen. Es ist aber die Frage, ob diese metaphorische
Interpretation der biblischen Redeweise wirklich in ihrer ganzen Schärfe
gerecht wird. Eine bloß symbolische Deutung erleichtert es dem Sünder
ja, die Rede vom Totsein als übertrieben und unzutreffend abzuweisen.
Genau das geschieht auch immer wieder: Der Sünder spottet über
die Charakterisierung seiner Existenz als Totsein und nimmt sie nicht ernst.
Das ist in der Gegenwart nicht zuletzt daran abzulesen, wie die Welt darauf
reagiert hat, daß der römisch-katholische Papst die westliche
Industriegesellschaft als eine "Kultur des Todes" bezeichnet hat. Aus Unverständnis
und Spott hat die Reaktion der Welt bestanden. Diese Reaktion ist nur allzu
verständlich. Der Sünder empfindet sich in gar keiner Weise als
tot. Im Gegenteil, gerade im hemmungslosen Ausleben seiner
"Übertretungen
und Sünden" fühlt er sich in höchstem Maße lebendig und vital. Ja,
oft wird gerade die äußerste Ausschweifung als etwas erlebt,
was dem Leben erst die eigentliche Würze, den letzten "Kick", wie
man heute sagt, verleiht.
In diesem Aufsatz soll gezeigt
werden, daß die allein metaphorische Interpretation der biblischen
Redeweise vom Totsein des Sünders im Blick auf die Realität der
heutigen Gesellschaft nicht mehr ausreicht. Die westliche Gesellschaft
hat sich nicht nur metaphorisch, sondern ganz real zu einer Kultur des
Todes entwickelt. Sie steuert, geleitet durch die in ihr wirksamen Kräfte,
auf ihren eigenen Untergang zu.
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I Die Kultur des Todes – Beschreibung und Analyse
I, 1 Tatsachen
Daß die westliche Industriegesellschaft
nicht nur symbolisch, sondern im wörtlichen Sinn eine Kultur des Todes
ist, läßt sich leicht zeigen: Seit Jahrzehnten gibt es in den
westlichen Ländern, übrigens unabhängig davon, ob eine sozialistische
oder eine bürgerliche Regierung an der Macht ist, einen dramatischen
Sterbeüberschuß. Als ein Beleg von vielen genügt ein Zitat
aus der Presseerklärung von Ingo Richter, dem Vorsitzenden der Sachverständigenkommission
des 11. Kinder- und Jugendberichts der Bundesregierung vom Januar 2002:
"Die deutsche Gesellschaft muß sich darauf einrichten, dass sich
der Anteil der jungen Menschen an der Bevölkerung unter 20 Jahren
in 50 Jahren fast halbiert: Er wird von 30 % im Jahre 1970 auf 17 % im
Jahre 2020 sinken und der Anteil der alten Menschen von über 65 Jahren
wird sich in diesem Zeitraum etwa verdoppeln, er wird von 10 bis 13 % im
Jahre 1970 auf 22 % im Jahre 2020 steigen. Kinder und Jugendliche werden
zu einem 'knappen Gut', zur 'Mangelware' ".
Die Zahlen schwanken natürlich zwischen den einzelnen Staaten, insgesamt
ist der Trend aber eindeutig: Der Sterbeüberschuß bzw. das Geburtendefizit
führen zu einer gefährlichen Überalterung und Vergreisung
der Bevölkerung. Rein statistisch kann man feststellen: Die westliche
Gesellschaft ist ein Auslaufmodell. Sie und mit ihr die Bevölkerung,
die in ihr lebt, stirbt allmählich aus.
Eine Zeitlang kann es den westlichen
Staaten vielleicht noch gelingen, den allmählichen Tod durch künstliche
Bluttransfusionen, nämlich durch Zuwanderung aus weniger industrialisierten
Ländern, hinauszuzögern. Dies kann aber nur eine Atempause gewähren.
Die zugewanderten Neubürger, die selbst noch aus Gesellschaften mit
hohen Geburtenraten stammen, passen sich spätestens in der zweiten
Generation an die Trends der westlichen Industriegesellschaft an und entwickeln
ihrerseits den für die alteingesessene Bevölkerung üblichen
Sterbeüberschuß. Und auch der Strom der Zuwanderung selbst wird
auf Dauer versiegen. Im Zuge der „Globalisierung“, die ja nichts anderes
ist als eine Übertragung des westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells
auf alle Regionen der Erde, werden sich die Werte und die Verhaltensweisen
der westlichen Gesellschaften weltweit ausbreiten. Wenn diese Globalisierung
Erfolg hat, das heißt, wenn sie auch in den wenig industrialisierten
Ländern Afrikas und Asiens und in den traditionell islamischen Staaten
zur Herrschaft gekommen ist, wird die Folge sein, daß auch in den
bisherigen Auswanderungsländern die Geburtenraten sinken und die Gesellschaft
vergreisen wird. Am Ende wird die Kultur des Todes die gesamte Welt erfassen
und die gesamte Menschheit zu einem Auslaufmodell werden lassen.
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In den entwickelten westlichen
Gesellschaften, zu denen auch Europa gehört, kann man heute schon
ablesen, wie das allmähliche Absterben aussehen könnte. Europa
und Deutschland stehen am Anfang der Krise: Es beginnt damit, daß
die sozialen Sicherungssysteme wie Renten- und Krankenversicherung finanziell
zusammenbrechen. Wenn immer mehr Alte immer weniger Jungen gegenüberstehen,
kann kein wie auch immer geartetes System von sozialer Absicherung funktionsfähig
bleiben. Auch die heute von den Politikern favorisierten kapitalgedeckten
Systeme können dann nicht halten, was sie versprechen: Das Wirtschaftssystem,
das letztlich die Erträge der zur Alters- oder Krankensicherung angelegten
Kapitalfonds erwirtschaften muß, kann mit immer weniger Menschen
nicht funktionieren. Wenn Menschen als Konsumenten ausfallen – gerade alte
Menschen konsumieren erfahrungsgemäß verhältnismäßig
wenig – und wenn Menschen als Produzenten ausfallen, weil jahrzehntelang
kaum noch Kinder geboren worden sind, werden die großen Industrieunternehmen
und mit ihnen die gesamte Wirtschaft in die Krise geraten. Die Wirtschaft
wird keine ausreichende Rendite mehr für die Kapitalfonds der Alters-
und Krankenversicherungen erwirtschaften können. Papiernen Anwartschaften
auf Rentenleistungen und Krankenversicherungsschutz werden keine realen
Werte mehr gegenüberstehen. Auch das System der kapitalgedeckten Sozialversicherungssysteme
wird nicht halten können, was die Politiker den Menschen heute versprechen.
Autos kaufen nun einmal keine Autos, und Autos können auch keine Autos
produzieren.
Vor diesem Hintergrund ist
übrigens der verzweifelte Versuch der Interessenverbände der
Wirtschaft zu erklären, die Politik dazu zu bewegen, ein großzügiges
Zuwanderungsgesetz zu verabschieden. Zum Beleg für diese Versuche
der Wirtschaft mag ein Zitat aus dem WALL STREET JOURNAL EUROPE dienen:
"Fakt ist, dass die deutsche Bevölkerung in den nächsten zwei
Generationen zahlenmäßig um ein Drittel schrumpfen wird. Wenn
die Regierung diesen Prozess nicht aufhalten kann, dann werden der deutsche
Wohlfahrtsstaat, das Gesundheitswesen und das gesamte Rentensystem in sich
zusammenbrechen. Die Grenzen zu öffnen erscheint da als logischer
Ausweg."
Allein diese kurze Beschreibung
läßt erkennen, daß die Kennzeichnung der westlichen Gesellschaft
als einer Kultur des Todes in der empirisch meßbaren Entwicklung
der Gesellschaft eindeutig bestätigt wird. Es ist nicht etwa ein aus
religiösen Vorurteilen gespeistes Urteil des römisch-katholischen
Papstes, daß die westliche Gesellschaft eine Kultur des Todes ist,
sondern es ist ein empirischer Befund, es ist eine Tatsache: Die westliche
Gesellschaft ist eine Kultur des Todes. Die westliche Gesellschaft hat
den Namen, daß sie lebt, und sie ist tot
.
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I, 2 Todesfaktoren und ihre religiöse Deutung
Weniger evident sind die Ursachen,
die dazu geführt haben, daß die westliche Welt eine Kultur des
Todes ist. Es gibt zwar eindeutig sichtbare Todesfaktoren, die zum Sterbeüberschuß
führen, aber eine Gesamtanalyse und Deutung dieser Faktoren ist schwierig.
Zu den Todesfaktoren gehören die Dinge, die längst in diesem
Zusammenhang öffentlich diskutiert werden: Abtreibungen, Zerfall der
Familien, offene Pornographie in den Medien, eine zur sogenannten sexuellen
Selbstverwirklichung neigende Sexualerziehung in den Schulen, Ehescheidungen,
Materialismus, Förderung der Homosexualität und dergleichen.
Konservative, vor allem auch
lutherische Christen haben diese Erscheinungen des modernen Lebens immer
wieder kritisiert und sie mit vollem Recht als Sünde und Abfall von
Gottes Wort gegeißelt. Auch der römisch-katholische Papst, der
in seiner Enzyklika "Evangelium vitae" vom 25. März 1995 ausführlich
die Kultur des Todes analysiert und angeprangert hat, führt die Entstehung
dieser Kultur des Todes auf den Abfall von Gott zurück. So schreibt
er in Kapitel 1 der Enzyklika, § 21:
"21. Auf der Suche nach den tiefsten
Wurzeln des Kampfes zwischen der »Kultur des Lebens« und der
»Kultur des Todes« dürfen wir nicht bei der oben erwähnten
perversen Freiheitsvorstellung stehen bleiben. Wir müssen zum Herzen
des Dramas vorstoßen, das der heutige Mensch erlebt: die Verfinsterung
des Sinnes für Gott und den Menschen, wie sie für das vom Säkularismus
beherrschte soziale und kulturelle Umfeld typisch ist, der mit seinen durchdringenden
Fangarmen bisweilen sogar christliche Gemeinschaften auf die Probe stellt.
Wer sich von dieser Atmosphäre anstecken läßt, gerät
leicht in den Strudel eines furchtbaren Teufelskreises: wenn man den Sinn
für Gott verliert, verliert man bald auch den Sinn für den Menschen,
für seine Würde und für sein Leben; die systematische Verletzung
des Moralgesetzes, besonders was die Achtung vor dem menschlichen Leben
und seiner Würde betrifft, erzeugt ihrerseits eine Art fortschreitender
Verdunkelung der Fähigkeit, die lebenspendende und rettende Gegenwart
Gottes wahrzunehmen."
Die Kritik
der vereinten Christenheit an dem der Kultur des Todes zu Grunde liegenden
Abfall von Gott bleibt eine notwendige Aufgabe der Christenheit. Sie muß
verbunden sein mit dem Ruf zur Umkehr zu Gottes Wort und Gebot. Ohne diese
Umkehr wird die Kultur des Todes nicht überwunden werden können.
Manche konservative Christen sind in ihrer Situationsanalyse noch ein Stück
weiter gegangen. Sie haben die beschriebenen Todesfaktoren der westlichen
Gesellschaft nicht nur als Abkehr der Menschen von Gottes Wort beschrieben,
sondern sie sind über diese letztlich auf der rein menschlichen Ebene
verbleibende Erklärung hinausgegangen und haben davon gesprochen,
daß es nicht nur irgendeine menschliche Entwicklung des Zeitgeistes
ist, die zum Abfall von Gott geführt und die Kultur des Todes errichtet
hat, sondern daß es der Böse ist, der all diese Dinge befördert,
weil er
"ein Mörder [ist] von Anfang an".
Wer wollte es angesichts der unglaublichen, geradezu strategischen Intelligenz,
mit der die Kultur des Todes in der westlichen Welt in einem jahrzehntelangen
geistigen Kampf die Herrschaft errungen hat, wagen, diese Möglichkeit
kategorisch auszuschließen? Kann Fleisch und Blut allein
wirklich derartiges bewerkstelligen?
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I, 3 Todesfaktoren und die marktwirtschaftliche Ordnung
In der Beschreibung der Kultur
des Todes, in der Kritik an dieser "Kultur" und in der Analyse der Faktoren,
die sie verursachen und vorantreiben, haben konservative Christen jedoch
meist eine gesellschaftliche Grundkraft übersehen, die mit allen Todesfaktoren
der westlichen Kultur verwoben ist und ihnen immer von neuem Kraft verleiht.
Es sind die Kräfte, die das globalisierte marktwirtschaftliche Wirtschaftssystem
unserer Zeit bestimmen.
Die im folgenden dargelegten
Zusammenhänge zwischen dem globalisierten marktwirtschaftlichen System
und den Todesfaktoren, die die Kultur des Todes schaffen, sind nicht als
monokausale Erklärung, sondern als Ergänzung der religiösen
Erklärungen zu verstehen. Selbstverständlich haben gegen Gott
gerichtetes Autonomiestreben des Menschen, Mißachtung von Gottes
Wort und Gebot, das Streben nach Selbstverwirklichung ohne Rücksicht
auf das Ganze, Herrschsucht und Verantwortungslosigkeit unabhängig
vom jeweilig herrschenden Wirtschaftssystem zu allen Zeiten das menschliche
Handeln bestimmt und immer wieder Kulturen des Todes errichtet. Schließlich
ist der Mensch zu allen Zeiten ein Sünder gewesen. Selbstverständlich
ist der Mensch zu allen Zeiten ganz persönlich für sein Handeln
verantwortlich. Er kann sich für sein Fehlverhalten und seine Schuld
daher niemals mit dem Hinweis auf die gesellschaftlichen Strukturen, die
solches Verhalten fördern oder gar fordern, entschuldigen.
Dennoch ist es so, daß
das globalisierte marktwirtschaftliche System nicht einfach neutral den
negativen menschlichen Trieben gegenübersteht, sondern es nimmt sie
auf, macht sie sich zu eigen und verhilft ihnen in globalem Maßstab
zur Herrschaft. Die Menschen, die so sind, wie sie sind, haben sich in
der globalisierten Marktwirtschaft ein Wirtschaftssystem geschaffen, das
ihnen adäquat ist und das die beim Menschen immer schon vorhandenen
Todesfaktoren zu seinem eigenen Grundgesetz macht. Es handelt sich um Beziehungsgeflecht,
bei dem sich die Faktoren wie bei einer Rückkopplung zwischen Mikrophon
und Lautsprecher gegenseitig verstärken, bis die Wirkung am Ende unerträglich
wird.
Wenn man der Kultur des Todes
entgegentreten will, reicht es daher nicht aus, die religiösen und
anthropologischen Todesfaktoren zu benennen, die aus der Tatsache erwachsen,
daß der Mensch ein Sünder ist. Es ist darüber hinaus erforderlich,
die Zusammenhänge zwischen Todesfaktoren und Wirtschaftssystem aufzuweisen.
Denn eine Überwindung der Kultur des Todes wird erst möglich
sein, wenn auch die Todesfaktoren der globalisierten Marktwirtschaft überwunden
worden sind.
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I, 3, 1 Der Geburtenrückgang
Der Zusammenhang von Todesfaktoren
und globalisierter Marktwirtschaft soll zunächst an dem zentralen
Todesfaktor belegt werden, der die größte zerstörerische
Energie entwickelt, nämlich am Geburtenrückgang selbst. Es soll
gezeigt werden, daß der Geburtenrückgang in den westlichen Industrieländern
nicht zuletzt eine Folge der immanenten Gesetze des globalisierten marktwirtschaftlichen
Wirtschaftssystems ist:
Das Grundgesetz der marktwirtschaftlichen
Wirtschaftsordnung ist das Konkurrenzprinzip. Jeder Anbieter von Waren
und Dienstleistungen steht im Wettbewerb. Dieser Wettbewerb zwingt alle
Anbieter dazu, ihre Gestehungskosten möglichst niedrig zu halten.
Das gilt in gleicher Weise für Sachkosten wie für Personalkosten.
Die Anbieter werden zu dieser Kostenminimierung gezwungen, weil sie es
dann, wenn sie in dieser Hinsicht nachlässig oder großzügig
sind, sehr schnell erleben werden, daß andere, die die Kostenminimierung
besser vorangebracht haben, im Konkurrenzkampf ihnen gegenüber einen
Vorteil haben und sie letztlich vom Markt verdrängen. Dieses Kosten-
und Konkurrenzprinzip gilt universell. Es gilt selbstverständlich
nur für gleichwertige Angebote. Aber es gilt. Es hilft einem Anbieter
auf Dauer nicht, wenn er dem Zwang zur Kostenminimierung dadurch ausweichen
will, daß er mit qualitativ besseren Angeboten auf dem Markt ist
als die Wettbewerber. Denn auch die Wettbewerber werden früher oder
später in das durch höhere Qualitätsstandards geprägte
Marktsegment vorstoßen und können dann eben auf diesem Nivau
ihren durch besseres Kostenmanagement gegebenen Wettbewerbsvorteil ausspielen.
Aus dem Wettbewerb und dem Zwang zur Kostenminimierung gibt es in der Marktwirtschaft
kein Entrinnen.
Im Blick auf die Höhe
der gezahlten Löhne und Gehälter ergibt sich aus diesem Zwang
die folgende Konsequenz: Alle Unternehmen werden und müssen bestrebt
sein, ihren Mitarbeitern nur den Lohn zu zahlen, den sie unbedingt zahlen
müssen. Lohnzahlungen, deren Höhe über den von der Sache
her geforderten und nicht unterschreitbaren absoluten Mindestlohn hinausgehen,
würden ja die Unternehmen, die solche überhöhten Löhne
zahlen, im Wettbewerb gegenüber den Unternehmen benachteiligen, die
tatsächlich das Lohnniveau auf die Höhe des notwendigen Mindestlohns
gesenkt haben. Gewerkschaftliche Interessenvertretungen der Arbeitnehmer
und staatliche Schutz- und Mindestlohnvorschriften haben es bisher in den
entwickelten Ländern des Westens verhindert, daß das Lohnniveau
tatsächlich auf das Niveau des absoluten Mindestlohns abgesenkt werden
konnte. Diese Schutzkräfte zugunsten der Arbeitnehmer verlieren nun
aber im Zuge der Globalisierung in zunehmendem Maße ihre Kraft. In
einer globalisierten Wirtschaft, in der den global operierenden Unternehmen
keine global organisierten Schutzmechanismen für die Arbeitnehmer
gegenüberstehen, wird auf Dauer das Lohnniveau tatsächlich auf
das des absoluten Mindestlohns gesenkt werden müssen, wenn die Unternehmen
im Wettbewerb überleben sollen.
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Der absolute Mindestlohn nun,
der auf jeden Fall gezahlt werden muß, ist der Lohn, der den Arbeitenden
in die Lage versetzt, seine Arbeitskraft auf Dauer zu erhalten.
"Die letzte
Grenze oder Minimalgrenze des Wertes der Arbeitskraft wird gebildet durch
den Wert einer Warenmasse, ohne deren tägliche Zufuhr der Träger
der Arbeitskraft, der Mensch, seinen Lebensprozeß nicht erneuern
kann, also durch den Wert der physisch unentbehrlichen Lebensmittel."
Zu diesen "physisch unentbehrlichen Lebensmittel(n)" gehören nun selbstverständlich
nicht nur die Lebensmittel im engeren Sinn. Damit der arbeitende Mensch
seine Lebenskraft auf Dauer erneuern kann, muß er darüber hinaus
über Mittel verfügen, mit denen er z. B. Wohnung und Kleidung
bezahlen kann. Er muß zudem, und hier kommt die Familie ins Spiel,
da er selbst durch Alter oder Tod eines Tages aus dem Arbeitsprozeß
ausscheiden wird, die Mittel zur Verfügung haben, die es ihm ermöglichen,
Kinder zu ernähren und groß zu ziehen, und sie entsprechend
den Erfordernissen der Arbeitswelt in Schulen und Hochschulen unterrichten
zu lassen. Keine Wirtschaftsform kann auf Dauer überleben, wenn sie
den Menschen diesen Minimallohn verweigert. Denn das Ergebnis würde
sein, daß die Zahl derer, die für den Arbeitsprozeß zur
Verfügung stehen, kontinuierlich sinkt, so daß am Ende kein
Angebot von Waren und Dienstleistungen mehr erarbeitet werden könnte.
Solange es noch möglich ist, das Defizit an Menschen durch verstärkte
Zuwanderung auszugleichen, und das ist ja das, was heute von der Wirtschaft
gefordert wird, wird man diese Konsequenz hinausschieben können. Wenn
dieser Zustrom eines Tages versiegt, wird das System seinen eigenen Untergang
ansteuern.
Einen Weg allerdings gibt es,
den erforderlichen Minimallohn zu senken und sich im Wettbewerb auf diese
Weise doch noch einen Kostenvorteil zu verschaffen. Diese Möglichkeit
besteht darin, daß man von jeweils einer Familie, die Kinder erzeugt,
heranwachsen und ausbilden läßt, nicht nur eine Person zur Arbeit
bzw. zum Erwerb des für die Erhaltung der Arbeitskraft notwendigen
Mindestlohns heranzieht, sondern mehrere. Es liegt also im ureigensten
Interesse der im Wettbewerb stehenden Unternehmen, daß beide Elternteile
und nach Möglichkeit auch die Kinder in den Erwerbsprozeß einbezogen
werden. Mütter sollten nach dieser Maxime möglichst frühzeitig
nach der Geburt eines Kindes wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren.
In der Frühzeit der Industrialisierung und in vielen Entwicklungsländern
hat das Prinzip der Verteilung des notwendigen Mindestlohns auf mehrere
Personen dazu geführt, daß nicht nur beide Eltern, sondern auch
die Kinder für die Ernährung der Familien sorgen mußten.
In den entwickelten Gesellschaften des Westens haben Schutzgesetze die
Kinderarbeit weitgehend verboten, die Erwerbstätigkeit der Mütter
jedoch ist erklärtes und mit allen Mitteln der Bewußtseinsbildung
vorangetriebenes Ziel der Gesellschaft.
Selbstverständlich ist
dieses betriebswirtschaftliche Kalkül nicht der einzige Grund dafür,
daß die Vollerwerbstätigkeit beider Elternteile als wünschenswert
erscheint. Viele Frauen haben von sich aus auf diesem Weg ein Stück
Selbstverwirklichung und Befreiung gesucht. Angesichts der jahrhundertelangen
Geschichte, in der Frauen oft nur auf das Gebären von Kindern reduziert
worden sind, kann man diese Suche nach Selbstverwirklichung und Befreiung
nicht einfach ablehnen. Im Gegenteil, Frauen haben ein ebenso großes
Recht auf gesellschaftliche Teilhabe wie Männer. Nicht nur das: Frauen,
die ihre Gaben und Leistungen in die Gesellschaft einbringen, sind eine
Bereicherung der Gesellschaft. Es wäre töricht, auf diesen Beitrag
der Frauen verzichten zu wollen. Von daher haben Frauen selbstverständlich
das Recht, ihren Weg zwischen Familie und Beruf frei zu wählen.
Tatsache jedoch ist, daß
die Vollerwerbstätigkeit beider Elternteile in der globalisierten
Marktwirtschaft nicht deshalb angestrebt wird, weil die Gesellschaft etwas
für die Befreiung und Emanzipation der Frauen tun und den Frauen die
Freiheit der Wahl verschaffen möchte, sondern deshalb, weil das betriebswirtschaftliche
Kalkül der Kostenreduzierung das verlangt.
"Indem die Maschinerie
alle Glieder der Arbeiterfamilie auf den Arbeitsmarkt wirft, verteilt sie
den Wert der Arbeitskraft über seine ganze Familie. Sie entwertet
damit die Arbeitskraft."
Weil diese betriebswirtschaftliche
Rechnung hinter der Vollerwerbstätigkeit beider Elternteile steht,
ist das Ergebnis in den meisten Fällen auch alles andere als Befreiung
und Emanzipation. Was hat es schon mit Befreiung zu tun, wenn Mütter
den ganzen Tag an der Kasse eines Supermarkts sitzen oder in einem der
klassischen "weiblichen" Helferberufe von der Arzthelferin bis zur Vorstandsassistentin
den Chefs helfen dürfen?
Das gilt in der Regel auch für die beruflichen Tätigkeiten, die
hohe und höchste Qualifikationen voraussetzen. Auch die akademisch
gebildeten Frauen steigen, wenn sie Kinder zur Welt gebracht haben, fast
nie in die eigentlichen Führungspositionen der Wirtschaft auf. Im
Wettbewerb um die Karriere unterliegen sie schon deshalb ihren männlichen
Kollegen, weil sie den Verlust an Zeit und damit an Möglichkeit des
beruflichen Fortkommens, den sie wegen der Geburt und Erziehung der Kinder
zu verkraften haben, nicht aufholen können. Es ist oft beschrieben
worden, daß diese Frauen gerade unterhalb der eigentlichen Führungspositionen
in ihrer Karriere gestoppt werden. Wie durch eine Glasscheibe können
sie von unten das Handeln in der eigentlichen Führungsebene beobachten,
selbst gehören sie aber meist nicht dazu. Sollte darin Freiheit und
Emanzipation bestehen?
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Wenn wirklich Emanzipiation
und Befreiung die leitenden Prinzipien bei der Gestaltung des Verhältnisses
von Familie und Beruf sein sollten, dann müßte es für die
Familien und insbesondere für die Frauen eine echte Wahlfreiheit geben.
Solche Wahlfreiheit wäre ein wirkliches Kennzeichen für eine
Gesellschaft, die der Menschenwürde entspricht und die Kultur des
Todes überwindet. Tatsache jedoch ist, daß in der globalisierten
Wirtschaft für Frauen eine Wahlfreiheit zwischen Familie und Vollerwerbstätigkeit
nicht besteht. Das Ziel der Vollerwerbstätigkeit beider Elternteile
wird nämlich keineswegs nur durch geistige Mittel angestrebt, also
dadurch, daß in den Medien und in der Erziehung der Kinder entsprechende
Leitmodelle verbreitet werden. Dieses Ziel wird über solche geistige
Beeinflussung hinaus durch materielle Zwänge durchgesetzt. Der Mechanismus
ist ganz einfach: Wenn das für die Erhaltung der Arbeitskraft unbedingt
erforderliche Lohnniveau auf mehrere Familienmitglieder verteilt und somit
für den Einzelnen ermäßigt wird, dann ist die logische
Folge, daß der Lohn eines einzelnen Arbeitnehmers eben nicht mehr
ausreicht, eine Familie zu ernähren. In Deutschland ist jedenfalls
bei den Durchschnittsverdienern diese Absenkung des individuellen Lohnniveaus
mittlerweile vollzogen. Angesichts der hohen Lebenshaltungskosten, insbesondere
angesichts der hohen Mieten in den Großstädten, ist ein Arbeitnehmer
mit durchschnittlichem Lohnniveau heute kaum noch in der Lage, eine Familie
mit einer für die nachhaltige Erhaltung der Arbeitskraft notwendigen
Mindestzahl von Kindern zu ernähren. Die Erwerbstätigkeit beider
Elternteile wird durch die finanziellen Verhältnisse de facto erzwungen.
Eine Wahlfreiheit besteht jedenfalls in den durchschnittlichen Einkommensschichten
seit langem nicht mehr.
Das Ergebnis ist: Der Druck
des Wettbewerbs und der Zwang zur Kostenminimierung führen dazu, daß,
von der Wirtschaft ausgehend, ein gesellschaftlicher Druck auf die Menschen
erzeugt wird, daß alle Menschen möglichst lange in den Arbeitsprozeß
einbezogen werden. Das heißt, daß sie während der gesamten
regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit und möglichst
für die gesamte Zeit, in der sie von ihrem Lebensalter her für
den Arbeitsprozeß in Frage kommen, zur Verfügung zu stehen haben.
Durch diese optimale Einbeziehung aller in den Arbeitsprozeß wird
nämlich am Ende die kostengünstige Konsequenz erreicht, daß
jeder Beschäftigte nur noch den Lohn zu erhalten braucht, der für
die Erhaltung seiner individuellen Arbeitskraft erforderlich ist. Solange
die Kinderarbeit in den westlichen Gesellschaften noch geächtet ist
und deshalb nicht wieder eingeführt werden kann, wird zumindest die
Vollerwerbstätigkeit beider Elternteile durchgesetzt.
Ausdrücklich muß
an dieser Stelle gesagt werden, daß diese Entwicklung nicht Folge
einer bewußten Verabredung, also gewissermaßen einer Verschwörung
der Wirtschaftsführer, Politiker und Medienmacher ist, sondern eine
Folge der immanenten Entwicklungsgesetze der globalisierten Marktwirtschaft.
Eine Verschwörung von Übelgesonnenen in den Vorständen der
großen Unternehmungen gibt es nicht. Auch die Vorstände und
Aufsichtsräte sind nicht Herren des Geschehens. Auch sie können
die Entwicklung nicht wirklich in den Griff bekommen, sondern sie sind
genauso den Gesetzen der Wettbewerbswirtschaft unterworfen wie die einzelnen
Arbeitnehmer und ihre Familien. Rein historisch ist die Einbeziehung vieler
Frauen in die Arbeitsprozesse der Industriegesellschaft während des
Zweiten Weltkriegs erfolgt, als in den Industriebetrieben die an der Front
stehenden Männer durch Frauen ersetzt werden mußten. Diese historische
Zufälligkeit ändert aber nichts an der Tatsache, daß die
endgültige Durchsetzung und das Festschreiben der Vollerwerbstätigkeit
beider Elternteile auf Dauer durch die Gesetze der Marktwirtschaft erreicht
wird.
Nun ist es völlig klar,
daß die Vollerwerbstätigkeit beider Elternteile in den meisten
Fällen zu einem Verzicht auf mehr als ein oder maximal zwei Kinder
führt. Die Vollerwerbstätigkeit beider Elternteile erweist sich
damit als einer der fundamentalen Todesfaktoren der Kultur des Todes.
Wie die Vollerwerbstätigkeit
beider Elternteile zum Todesfaktor wird, kann im einzelnen in den folgenden
Mechanismen erkannt werden. Daß dabei keine zwangsläufigen Zusammenhänge,
sondern nur Tendenzen aufgewiesen werden, ist schon festgestellt worden.
Der Mensch bleibt auch gegenüber gesellschaftlichen Tendenzen frei
und für sein Tun verantwortlich. Dennoch haben die gesellschaftlichen
Tendenzen durchaus eine nicht unbeträchtliche Wirkung.
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a) Ende der Mehr-Kinder-Familie
Die Vollerwerbstätigkeit
beider Elternteile läßt sich nun einmal nicht mit den Erfordernissen
einer Familie mit mehreren Kindern verbinden. Das wäre nur möglich,
wenn die Kinder von der Geburt an in die Verantwortung und Betreuung des
Staates übergeben würden.
Ein solcher totaler Zugriff des Staates auf die nachwachsende Generation
stünde aber nicht nur im Widerspruch zu allem natürlichen Empfinden
der Menschen und zum christlichen Verständnis der Familie, er wäre
auch ein signifikantes Kennzeichen eines totalitären Staates und würde
das Ende der freiheitlichen Gesellschaft bedeuten.
In der
schon zitierten Presseerklärung des Vorsitzenden des Deutschen Jugendinstituts
Ingo Richter vom Januar 2002 wird diese Gefahr überhaupt nicht gesehen.
Sie setzt weiter auf eine weitere Verstaatlichung von Kindererziehung und
Kinderbetreuung. Da ein Ausbau der entsprechenden staatlichen Dienste große
Kosten verursacht, ergibt sich für den 11. Kinder- und Jugendbericht
der Kommission die notwenige Konsequenz, daß die finanzielle Ausstattung
der Familien mit mehreren Kindern entsprechend eingeschränkt wird.
"Dienst vor Geld"
wird daher gefordert. Kinderreiche Familien sollen also genötigt werden,
es selbst zu finanzieren, daß der Staat ihnen ihre Kinder enteignet.
Damit erweist sich der 11. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung
als effektives Element in der Kultur des Todes. Eine Verknappung der Finanzausstattung
wird die Eltern gewiß nicht ermutigen, mehr Kinder zu haben. Außerdem
ist die Forderung nach mehr Kinderbetreuung und Kindererziehung durch den
Staat eine Bedrohung für die Freiheitlichkeit der Gesellschaft. Wenn
der Staat ein Monopol auf Erziehung und Betreuung der Kinder hat, ist das
Ende der geistigen Freiheit in der Gesellschaft in Sicht.
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b) Ungewollte Kinderlosigkeit
Immer hat
es als wünschenswert gegolten, daß vor Eheschließung und
Familiengründung die materielle Existenz der Familie gesichert war.
Aus diesem Grunde haben die Menschen meist mit der Familiengründung
gewartet, bis der Mann mit der Berufsausbildung fertig war und eine einigermaßen
verläßliche berufliche Position errungen hatte. Die zunehmenden
Ansprüche der Wirtschaft an die Ausbildung ihrer Arbeitnehmer führt
dazu, daß die Ausbildungszeiten gegenüber vergangenen Generationen
erheblich verlängert worden sind. Dies allein bewirkt, daß Eheschließung
und Familiengründung heute in der Regel in höherem Lebensalter
erfolgen als in früheren Zeiten. Die geforderte Vollerwerbstätigkeit
auch der Frauen verstärkt diese Tendenz noch. Jetzt wird häufig
mit der Familiengründung gewartet, bis sowohl der Mann als auch die
Frau eine zuverlässige berufliche Position errungen haben. Das Eheschließungsalter
steigt noch weiter. Diese Entwicklung führt aus rein biologischen
Gründen zu einer Zunahme der Zahl unfruchtbarer Paare. Es ist nun
einmal so, daß die Fruchtbarkeit der Menschen mit steigendem Alter
abnimmt. Außerdem führt das höhere Alter, in dem die Partner
eine Ehe schließen, dazu, daß die Zahl der höchstens gewünschten
Kinder von Anfang an gering bleibt.
c) Geistige Abwertung der Mutterrolle
Damit die
volle Einbeziehung beider Elternteile durchgesetzt werden kann, muß
die Einstellung der Bevölkerung so beeinflußt werden, daß
die Vollerwerbstätigkeit als etwas Erstrebenswertes, als Befreiung
und Weg zur Selbstverwirklichung angenommen wird. In den Medien und in
der schulischen Erziehung wird daher für das Leitbild der „partnerschaftlichen“
Ehe, in der „traditionelle Rollenvorstellungen“ überwunden werden
und das Ziel einer gleichberechtigten Erwerbstätigkeit beider Ehepartner
und Elternteile angestrebt wird, als einzig akzeptables, „emanzipatorisches“
Lebensmodell geworben. Notwendig verbunden ist mit diesem Leitbild natürlich
eine gesellschaftliche Abwertung der Mutterrolle. Daß beides geschieht,
läßt sich in den Medien und in den politischen Programmen aller
(!) im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien seit Jahrzehnten beobachten.
Wichtig
ist die Erkenntnis, daß die treibende gesellschaftliche Kraft, die
dahinter steht und es gegen Widerstände durchsetzt, nicht die Idee
von Emanzipation oder Befreiung der Frau ist – eine solche bloße
Idee hätte sich ohne ihre Unterstützung durch die materiellen
Interessen der marktwirtschaftlichen Ordnung niemals durchsetzen können
– sondern die immanenten ökonomischen Interessen der auf Kostenreduzierung
ausgerichteten Wirtschaftsunternehmen. Was in der veröffentlichten
Meinung als Gewinn an Freiheit und Emanzipation für Frauen dargestellt
wird, ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine an der Wettbewerbsfähigkeit
der Unternehmen orientierte und durch die Medien gesteuerte Umerziehung
der Bevölkerung.
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d) Materialismus und Konsumdenken
Die volle
Einbeziehung beider Elternteile in das Erwerbsleben führt psychologisch
dazu, daß beide Elternteile sich mehr als in Familien, in denen nur
ein Elternteil erwerbstätig ist, die Wertmaßstäbe des Wirtschafts-
und Berufslebens subjektiv zu eigen machen. Dadurch wird von der Werteorientierung
her die Bereitschaft der Paare, Kinder zu erzeugen und zu erziehen, weiter
eingeschränkt. Denn es ist offenkundig, daß Materialismus und
Konsumdenken wesentliche Wertmaßstäbe des Wirtschaftslebens
sind. Kinder jedoch werden den Eltern immer materielle Verzichte und Nachteile
in ihren Konsummöglichkeiten auferlegen. Öffentliche Ausgleichsleistungen
wie Kindergeld und Steuerermäßigungen werden schon wegen des
Konkurrenzdrucks in der globalisierten Wirtschaft niemals so erhöht
werden können, daß sie diese Benachteiligungen ausgleichen könnten.
Denn Kindergeld und Steuerermäßigungen müssen aus dem allgemeinen
Steueraufkommen finanziert werden. Wenn ein wirklicher Ausgleich für
Familien mit mehreren Kindern auf diese Weise finanziert werden sollte,
müßten die Steuern erheblich erhöht werden. In der globalisierten
Wirtschaft jedoch ist gerade die Höhe der Steuerquote ein entscheidender
Faktor im internationalen Standortwettbewerb. Die weltweit operierenden
Unternehmen müssen nämlich ihre Standortentscheidungen für
Investitionen nicht zuletzt auf Grund der Höhe der Steuerlast in den
Ländern treffen, die für die Errichtung von Betriebsstätten
in Frage kommen.
An dieser
Stelle wird es besonders deutlich, daß es nicht nur auf ökonomische
Zwänge, sondern auch auf die Wertvorstellungen der Menschen ankommt.
Auch in einer Wirtschaftsordnung, in der Materialismus und Konsumdenken
vom System her gefördert werden, können sich einzelne Menschen
natürlich von diesem gesellschaftlichen Druck befreien. Man kann um
der Kinder willen bewußt auf Konsummöglichkeiten verzichten,
und viele Paare tun das. Wenn sie das jedoch tun, dann stellen sie sich
damit im Zeitalter der globalisierten Marktwirtschaft in einen Widerspruch
zu den Wertvorstellungen der Gesellschaft. Sie treten einem der zentralen
Todesfaktoren der Gesellschaft entgegen, und vielen Menschen fehlt dazu
die Kraft.
e) Freigabe der Abtreibung
Die Vollerwerbstätigkeit
beider Elternteile hat zur Folge, daß alle Menschen bestrebt sind,
beruflich voranzukommen und auf Grund ihrer beruflichen Leistung und der
Position, die sie errungen haben, gesellschaftliche Anerkennung zu finden.
Eine optimale berufliche Position jedoch kann man nur erringen, wenn man
kontinuierlich über Jahre hinweg dem Beruf zur Verfügung steht.
Daher verlangt es die marktwirtschaftliche Ordnung, daß in den Industriegesellschaften
eine liberale Abtreibungsgesetzgebung durchgesetzt wird, damit nicht durch
berufsfremde Störfaktoren wie Schwangerschaft und Mutterschaft die
individuelle Karriereplanung von Frauen beeinträchtigt wird.
Auch in
dieser Frage darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, als seien es
die Gesetze des Wirtschaftslebens allein, die die liberale Abtreibungsgesetzgebung
in den Industrieländern durchgesetzt haben. Es gibt auch ein fatales
und schuldhaftes Mißverständnis von Freiheit und Selbstverwirklichung,
das solche liberalen Gesetze fordert. Und ohne Frage ist solches Verständnis
von Freiheit ein Abfall von Gottes Gebot. Dieser Abfall hat sich nun aber
mit den Karrieregesetzen der globalisierten Marktwirtschaft verbündet
und von ihnen wie in einer Rückkopplung die entscheidende Kraft zur
Durchsetzung erhalten.
Die gesellschaftlichen Abläufe
sind klar: Die im globalen Wettbewerb stehenden Unternehmen sind gezwungen,
ihre Kosten ständig zu minimieren. Neben den durch technische Innovationen
möglichen Kostensenkungen steht ihnen als ein großes Kostensenkungspotential
die Verteilung des für die Beschäftigten notwendigen Mindestlohns
auf möglichst viele Mitglieder einer Familie zur Verfügung. Aus
diesem Grunde wird die Vollerwerbstätigkeit zumindest aller Erwachsenen
im erwerbsfähigen Alter angestrebt. Dies führt dann zu dem weltweit
zu beobachtenden Geburtenrückgang in den Industrieländern und
legt den Grundstein zur Kultur des Todes.
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I, 3, 2 Weitere Todesfaktoren
Neben der erzwungenen Vollerwerbstätigkeit
beider Elternteile entwickelt die marktwirtschaftlich-globalisierte Wirtschaftsordnung
weitere Todesfaktoren. Diese Todesfaktoren entfalten ihre Wirkung zwar
nicht so unmittelbar wie die Verteilung des für die Erhaltung der
Arbeitskraft notwendigen Mindestlohns auf mehrere Familienmitglieder, sie
wirken auf Dauer aber mindestens ebenso nachhaltig.
a) Abstumpfung der Gewissen
Oben I,
3 ist gezeigt worden, daß die globalisierte Marktwirtschaft um des
Wettbewerbs willen eine liberalisierte Abtreibungsregelung erzwingt. In
der Folge führt die gesellschaftliche Gewöhnung an die massenhafte
Abtreibung von Kindern zu einer Abstumpfung der Gewissen. Der Wert des
menschlichen Lebens überhaupt wird relativiert und zur Disposition
gestellt. Die heutige Praxis der „Eu“thanasie in Holland und die jetzt
vom Deutschen Bundestag empfohlene Freigabe der Forschung an embryonalen
Stammzellen, die ja ein nachträgliches, gewissermaßen hehlerhaftes
Profitieren vom Töten menschlichen Lebens ist, sind seit langem vorausgesagte
Konsequenzen der liberalen Abtreibungspraxis. Es wird nicht lange dauern,
bis man, wie es Peter Singer schon öffentlich gefordert hat, auch
die Tötung schwerbehinderter neugeborener Kinder ernsthaft diskutiert.
Es ist darüber hinaus auf längere Sicht nicht undenkbar, daß
man angesichts der unlösbaren Probleme der Alterssicherungssysteme
über Einschränkungen der medizinischen Versorgung von Menschen
oberhalb eines bestimmten Lebensalters nachdenkt.
Die Abstumpfung
der Gewissen verleitet die Menschen dazu, sich in frevelhafter Auflehnung
gegen Gott zum Herren über Leben und Tod aufzuschwingen. Der Staat,
der dies alles in seiner Gesetzgebung fördert oder zumindest ermöglicht,
wird dann auch nicht mehr glaubwürdig für den Schutz des menschlichen
Lebens eintreten können. Dies könnte am Ende dazu führen,
daß das Führen von Kriegen im Bewußtsein der Öffentlichkeit
wieder zu einem normalen und legitimen Instrument der Außenpolitik
wird. Sehr weit ist die westliche Gesellschaft von solcher Neubewertung
des Krieges nicht mehr entfernt. Ein Krieg aber ist die Kultur des Todes
in seiner fortgeschrittensten Gestalt.
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b) Sexualität als zweckfreies Spiel und Konsumgut und die Zerstörung der Familie
Der durch die moderne Industriegesellschaft induzierte Geburtenrückgang muß
von den Menschen intellektuell und moralisch verarbeitet werden. Damit
dies
erreicht wird, muß im Bewußtsein der Menschen eine entscheidende
Veränderung herbeigeführt werden: Die menschliche Sexualität
muß gedanklich von ihrem biologischen Zweck, nämlich der Erzeugung
von Kindern, getrennt werden. Denn es ist klar, daß die Triebausstattung
der Menschen einen Verzicht auf Sexualität als Ratschlag für
die Mehrheit der Bevölkerung nicht gestattet. Sexualität muß
in der Werteskala der Gesellschaft zu einem zweckfreien Spiel werden
.
Es kommt
hinzu, daß die Marktwirtschaft davon lebt, daß immer neue Produkte
erzeugt, konsumiert und entsorgt werden. Die Marktwirtschaft erzeugt, um
dieses Ziel zu erreichen, eine allgegenwärtige Konsummentalität,
damit die Menschen bereit sind, weit über ihren tatsächlichen
Bedarf hinaus zu kaufen und zu konsumieren. Zwangsläufig wird sich
diese Konsummentalität nicht nur auf die Produkte der Konsumindustrie
beschränken lassen, sondern sie wird bewußtseinsmäßig
auf alle anderen Bereiche des Lebens übertragen. In ganz besonderer
Weise gilt dies auch für den Bereich der Sexualität. Sexualität
wird zum Konsumgut. Ganz offen wird sie in den Medien und insbesondere
in der Werbung, aber eben auch in den Äußerungen führender
Politiker und Kirchenführer
als solches beschrieben.
Es ist
klar, daß sich eine solche als Spiel und Konsumgut verstandene Sexualität
nicht mit der in Gottes Gebot begründeten Bindung der menschlicher
Sexualität an die lebenslange Ehe verträgt. Das freie Spiel fordert
immer neue Abwechslung und immer neue Herausforderungen. Der Konsument
verlangt nach immer neuen Objekten seiner Konsumlust. Im Klartext: Sexualität
als zweckfreies Spiel und Konsumgut fordert den häufigen Wechsel des
Sexualpartners. Daß dies die familiären Bindungen sprengt und
den Kindern, wenn sie denn überhaupt noch geboren werden, die Heimat
raubt, in der sie geschützt und im Frieden heranwachsen können,
ist offenkundig.
Wichtig
auch hier: Es geht in der Verwandlung der Sexualität in ein zweckfreies
Spiel und ein Konsumgut nicht um Befreiung der Menschen zu angeblicher
„sexueller Selbstbestimmung“. Zwar mögen einige, die für solche
menschenverachtende Form von Sexualität werben, irrtümlich einem
falschen Freiheitstraum nachjagen, in Wirklichkeit jedoch kann von Freiheit
und Selbstverwirklichung bei dieser Art von Sexualität überhaupt
nicht die Rede sein. Im Gegenteil, sie ist ein zerstörerischer Angriff
auf die Menschenwürde. Sie macht Menschen zu bloßen Objekten
und unterwirft sie dem Konkurrenzprinzip der Marktwirtschaft. Am Ende stehen
schwerwiegende Verletzungen des Ich, Depression, Überdruß und
Selbstverachtung. Hinter der Verwandlung der Sexualität in ein zweckfreies
Spiel steht nun aber nicht nur der falsche Freiheitstraum, sondern dahinter
steht auch die Wirtschaft, die die gedankliche Trennung der Sexualität
von ihrer biologischen Funktion fördert, weil sie ihre Arbeitnehmer
gedanklich mit ihrer Kinderlosigkeit bzw. ihrer geringen Kinderzahl versöhnen
muß.
c) Flexibilisierung der Arbeitswelt
Unternehmen,
die im globalen Wettbewerb stehen, sind darauf angewiesen, daß ihre
Beschäftigten in möglichst hohem Maße „flexibel“ sind.
Das heißt: Sie müssen in der Lage sein, möglichst unproblematisch
ihren Wohnort, ihren Arbeitsplatz, den Umfang ihrer wöchentlichen
oder monatlichen Arbeitszeit, ihren Arbeitgeber und sogar ihren Beruf zu
wechseln. Befristete Beschäftigungsverhältnisse bzw. Beschäftigungsverhältnisse
weitgehend ohne Kündigungsschutz werden daher vom Wettbewerb erzwungen.
Nun ist mit der Gründung von Familien und der Erzeugung von Kindern
von der Sache her die langfristige Übernahme von Verantwortung verbunden.
Menschen, die zu nahezu vollständiger Flexibilität gezwungen
sind, scheuen sich zu Recht davor, solche Verantwortung zu übernehmen.
Die Folgen kann jedermann in der jüngeren Generation beobachten: Ehen
werden immer weniger geschlossen, und zur Übernahme von Verantwortung
für Kinder sehen sich immer weniger junge Menschen von ihren beruflichen
und materiellen Perspektiven her in der Lage. Die Flexibilisierung der
Arbeitswelt ist in der Kultur des Todes ein Todesfaktor allererster Ordnung.
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I, 4 Der Tod des Systems
Alle beschriebenen Todesfaktoren
der globalisierten Marktwirtschaft wirken zusammen und verstärken
sich gegenseitig. Ein Geburtenrückgang, der so stark ist, daß
er zum Erhalt der Bevölkerung nicht ausreicht, ist schließlich
die notwendige Folge. Es wäre eine kurzschlüssige Deutung, wenn
man diese Entwicklung allein auf die Verfügbarkeit von empfängnisverhütenden
Mitteln zurückführen würde. Die empfängnisverhütenden
Mittel sind lediglich die Werkzeuge, derer sich die Menschen unter dem
Druck der marktwirtschaftlichen Gesetze in der globalisierten Welt bedienen.
Es wäre ebenfalls zu kurz gegriffen, wenn man den Geburtenrückgang
in den Industriegesellschaften nur durch den geänderten Zeitgeist
und durch einen Wandel in den Lebenseinstellungen der Menschen erklären
wollte. Der Geburtenrückgang ist ein immanenter Todesfaktor der globalisierten
Marktwirtschaft. Er wird von ihren ökonomischen Gesetzen erzwungen
und vorangetrieben. Ergebnisse des Geburtenrückgangs sind: Vergreisung
der Bevölkerung, Zusammenbruch der sozialen Sicherungssysteme und
schließlich Ausfall von Arbeitskräften und Konsumenten. Am Ende
steht der Zusammenbruch der bisherigen gesellschaftlichen Ordnung. Am Ende
werden die Lenker des Systems erschrocken feststellen müssen: Autos
kaufen keine Autos, und Autos können auch keine Autos produzieren.
Es handelt sich bei dieser
auf seinen eigenen Zusammenbruch zusteuernden Entwicklung des gesellschaftlichen
Systems um einen im klassischen Sinne antagonistischen Widerspruch des
marktwirtschaftlichen und globalisierten Wirtschaftssystems. Das heißt:
Dieser Widerspruch kann innerhalb des Systems nicht überwunden werden.
Im Gegenteil, auf Dauer wird dieser Widerspruch von innen her das System
sprengen. Das auf Wettbewerb ausgerichtete marktwirtschaftliche Wirtschaftssystem
erzeugt auf Grund seiner inneren Eigengesetzlichkeit eine Kultur des Todes,
die am Ende ihre eigenen Grundlagen zerstört.
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II Damit auch wir in einem neuen Leben wandeln
Der Weg der Christenheit angesichts der Kultur des Todes
Nachdem die Symptomatik und
die innere Struktur der Kultur des Todes beschrieben worden sind, muß
gefragt werden, welche Aufgaben Christen, die in dieser Kultur des Todes
leben und zum Teil sogar selbst an ihr teilhaben, gestellt sind.
Gott will das Leben. Er hat
es durch das fünfte Gebot eindeutig geschützt. Der Apostel Paulus
hat im Römerbrief geschrieben:
"Oder wißt ihr nicht, daß
alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft?
So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie
Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters,
auch wir in einem neuen Leben wandeln."
Diese Worte des Apostels haben zunächst einmal einen eschatologischen
Sinn. Das "neue Leben", in dem wir wandeln sollen, ist das Leben aus der
Auferstehung Christi, also das ewige Leben, das Christus am Kreuz für
die Seinen erworben hat. Es wäre ein verhängnisvoller Fehler,
wollte man diese auf die Ewigkeit bezogene Dimension des Apostelwortes
vergessen und das "neue Leben" allein diesseitig-ethisch verstehen. Nur
die auf die Ewigkeit bezogene Dimension verleiht der ethischen ihre Kraft.
Denn wer den Himmel aufgibt, der verliert auch die Erde.
Wenn das klar ist, dann muß
in einem zweiten Schritt erkannt werden, daß die Worte des Apostels
dann auch einen Sinn haben, der auf das Diesseits bezogen ist. Christen
sollen und werden schon in dieser Welt aus der Kraft der Auferstehung heraus
in einem neuen Leben wandeln. Das heißt, Christen sind in der Taufe
den Todesmächten entrissen worden. Ihnen ist in der Vergebung der
Sünden ein neues Leben geschenkt worden. Dieses Leben führt nicht
mehr wie das Leben in der Gottlosigkeit zum Tode, es baut auch keine Kultur
des Todes, sondern es führt zum Leben und baut eine Kultur des Lebens.
Christen sind daher geborene Verbündete des Lebens. Sie sind das nicht
aus eigener Kraft, sondern nur dann und insofern, als der Heilige Geist
aus der Vergebung der Sünden heraus ihr Herz verändert und ihnen
hilft, den alten Menschen zu überwinden.
Dazu gehört, daß
Christen in einem täglichen Kampf gegen die in ihrem Sündersein
begründeten eigenen Anlagen zu einer Kultur des Todes, also gegen
ihre eigene Habsucht, ihr gegen Gott gerichtetes Autonomiestreben, ihr
Streben nach Selbstverwirklichung ohne Rücksicht auf das Ganze, ihre
eigene Mißachtung von Gottes Wort und Gebot und ihre Herrschsucht
und Verantwortungslosigkeit angehen. Dazu gehört aber auch, daß
sie die gesellschaftlichen Strukturen einer Kultur des Todes als Feinde
des Lebens ausmachen und zu überwinden versuchen.
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Das bedeutet, daß wirkliche
Christen, also Christen, die aus der Taufe, aus dem in der Taufe geschenkten
neuen Leben und aus der Vergebung der Sünden leben, der Kultur des
Todes in all ihren Erscheinungsformen kritisch und ablehnend gegenüberstehen
und daß sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln diese
Kultur des Todes bekämpfen. Nach Jahrzehnten, in denen in den wohlhabenden
Kirchen der westlichen Welt das Christentum als eine Religion ohne Entscheidung,
als bloße "civil religion", als religiöser Freizeitclub
ohne wirkliche Ernsthaftigkeit und Verbindlichkeit existieren konnte, ist
eine Zeit der Entscheidung und der neuen Ernsthaftigkeit angebrochen. Die
Kultur des Todes stellt die Christenheit vor eine tödliche Herausforderung.
Angesichts dieser Herausforderung werden liberales Sowohl-als-auch, wird
Lauheit wie in Laodizea
,
wird eine angepaßte gutbürgerliche Christlichkeit nicht mehr
ausreichend sein. Christen müssen auf die Herausforderung antworten
und den Kampf aufnehmen. Die Mittel des Kampfes werden wie immer das Wort
und das Gebet sein. Beides aber muß neue Entschiedenheit, Klarheit
und Schärfe gewinnen.
"Und wenn die Posaune einen undeutlichen Ton
gibt, wer wird sich zum Kampf rüsten?"
In diesem Kampf muß die
Christenheit zunächst der Kultur des Todes den Spiegel vor ihr Gesicht
halten und sie vor den Menschen als das entlarven, was sie in Wirklichkeit
ist. Martin Luther hat 1520 in seiner Schrift "An den christlichen Adel
..." geschrieben:
"Hier muß man wahrlich auch den Fuggern und dergleichen
Gesellschaften einen Zaum ins Maul legen."
Er hat sich nicht einschüchtern lassen von den Mächtigen und
Reichen seiner Zeit. Auch heute darf die Christenheit sich nicht einschüchtern
lassen vom großen Geld der Industriegesellschaft. Sie darf sich nicht
beeindrucken und lähmen lassen von den großartigen wissenschaftlichen
und technischen und auch ökonomischen Leistungen, die die moderne
Gesellschaft vorzuweisen hat. Sie muß der Kultur des Todes die glitzernde
Maske des Geldes und des technischen Fortschritts, mit der sie den dahinter
verborgenen Totenschädel zu tarnen sucht, entreißen und die
Menschen dazu bringen, aufzuwachen und die Wirklichkeit zu erkennen. Nur
wenn die Menschen die Wirklichkeit erkennen und entsprechend erschrecken,
werden sie bereit sein, Alternativen zu suchen. Nur dann werden sie selbstkritisch
ihr eigenes Leben überprüfen und danach fragen, wo sie selbst
sich zu Dienern oder Mitläufern der Kultur des Todes gemacht haben.
Nur dann werden sie bereit sein, ihr Leben zu ändern und gemeinsam
mit anderen eine Gegenkultur des Lebens zu bauen.
Damit die Menschen auf diesem
Wege nicht vereinzeln und angesichts der Übermacht der Todeskultur
verzweifeln, brauchen sie Rückhalt in den christlichen Gemeinden.
Alle Christen müssen daher daran arbeiten, daß ihre Gemeinden
zu Heimstätten des Lebens werden. Dazu gehört die klare Verkündigung
des Evangeliums, das jeder Kultur des Todes feind ist. Dies darf nicht
nur in allgemeiner Form geschehen. Die Verkündigung muß im einzelnen
die Faktoren und Elemente der Kultur des Todes benennen und sie als Sünde
brandmarken. Daß dazu die Ablehnung homosexueller Praktiken und gottesdienstlicher
Segnungen homosexueller Paare gehört, versteht sich von selbst. Auch
die in jüngster Zeit diskutierten gottesdienstlichen Scheidungssegnungen
für Eheleute, die sich scheiden lassen, haben in einer christlichen
Gemeinde, die eine Gegenkultur des Lebens bauen will, keinen legitimen
Ort. Statt dessen sollten die Gemeinden die Eheleute ermutigen, ihre Ehe
auch durch Krisen hindurch heilig zu halten. Sie sollten zur Versöhnung
und Vergebung aufrufen und auf Gottes Wort verweisen, in dem es heißt:
"Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden."
Viel mehr jedoch muß
in der Christenheit positiv für das Leben geworben werden. Das heißt:
Sie muß in Predigt und Unterweisung, in Seelsorge und in den Medien
dazu ermutigen, in der Ehe Verantwortung für den andern zu übernehmen.
Sie muß Kinder wieder als Geschenk und Segen Gottes beschreiben,
für das die Menschen nicht genug dankbar sein können. Jedes neugeborene
Kind ist ein Geschenk Gottes an seine Schöpfung! Die Verkündigung
muß den unverlierbaren Wert jedes Lebens, gerade auch des Lebens
von Behinderten, Schwerkranken und Dementen unmißverständlich
festhalten. Sie muß immer wieder öffentlich daran festhalten,
daß das Leben heilig ist, und zwar von Anfang an
.
Von daher kann sie alle tötende Forschung an menschlichen Embryonen
und Stammzellen nur als abscheuliches Verbrechen anprangern.
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Was die Verankerung der Kultur
des Todes in den treibenden Kräften der globalisierten Marktwirtschaft
betrifft, so ist es nicht die Aufgabe der Theologie, Reformvorschläge
zu machen und Alternativmodelle zu entwickeln. Hier sind christliche Volkswirtschaftslehrer
an den Hochschulen und Christen in den Vorständen der Unternehmen
und der Wirtschaftsverbände gefordert. Ohne ihren Sachverstand werden
keine neuen Wege gefunden werden können. Die Theologie hat guten Grund,
auf die Einsicht und den Sachverstand der Sachkundigen zu hoffen. Es gibt
überall, auch in den Vorständen der großen Unternehmungen,
Christen, die wach geworden sind und vor den Problemen die Augen nicht
verschließen.
"Denn es muß ja so sein, daß man noch etliche
finde sowohl unter den Kaufleuten als auch unter anderen Leuten, die Christus
zugehören und lieber mit Gott arm als mit dem Teufel sein wollten".
Es ist zu hoffen, daß der Heilige Geist denen, die im westlichen
Wirtschaftssystem und in der Gesellschaft überhaupt Verantwortung
tragen, neue Einsichten und neue Ideen schenkt. Ohne eine Neuorientierung
des Wirtschaftssystems und eine Umkehr der Menschen zu den Geboten Gottes
führt der Weg der Gesellschaft in den Tod.
Wichtig ist, daß es wirklich
neue Wege sind, die ausgekundschaftet werden. Der Versuch, die Wege des
gescheiterten Sozialismus erneut zu gehen, wäre ein fataler Irrweg.
Die in diesem Aufsatz vorgetragene Kritik an den Zusammenhängen von
Marktwirtschaft und Todeskultur verdankt sich zwar zu einem wesentlichen
Teil der Kritik der politischen Ökonomie eines Karl Marx, das darf
keinesfalls zu der Annahme verleiten, daß die marxistischen Ideen
oder gar die inzwischen zusammengebrochenen Wirtschaftssysteme des Sowjetsystems
auch Lösungen zu bieten hätten. Planwirtschaftliche Systeme haben
sich als ungeeignet erwiesen, die Probleme zu lösen, und niemand sollte
meinen, man dürfe auf sie zurückgreifen. Diese Systeme waren
auf ihre Weise eine mindestens ebenso effiziente Kultur des Todes wie das
westliche Gesellschaftsmodell. Zudem waren sie offen verbrecherisch. Niemand
sollte sie sich zurückwünschen.
Das gilt im übrigen nicht
nur wegen ihrer mangelnden ökonomischen Effizienz, sondern vor allem
auch deshalb, weil sie vom System her unfrei waren. Indem sie die gesamte
wirtschaftliche Macht in zentralen Entscheidungsgremien vereinigten, haben
sie notwendig auch jede politische und geistige Macht zentralisiert. Sie
waren vom System her auf Unfreiheit und Unterdrückung angelegt. Dem
gegenüber ist das westliche System, insofern es wirtschaftliche Macht
dezentralisiert, eher bereit, geistige Freiheit und insbesondere Religionsfreiheit
zu gewähren. Das allerdings hebt die Tatsache nicht auf, daß
das westliche System eine Kultur des Todes ist und daß es Aufgabe
der Christenheit ist, diese Kultur des Todes zu bekämpfen und Alternativen
zu entwickeln.
Nicht zuletzt: Das Gebet
Die Christenheit wird in ihrem
Kampf gegen die Kultur des Todes nicht bestehen können, sie wird keine
Gegenkultur des Lebens bauen können, wenn nicht der Heilige Geist
ihr seine Kraft verleiht. Denn gegen Fleisch und Blut
allein geht dieser Kampf nicht. Um den Heiligen Geist zu beten, muß
daher die erste und wichtigste Aufgabe der Christenheit sein. Das Gebet
jedes einzelnen und das Gebet der gesamten Gemeinde ist gefordert. Mit
unsrer Macht ist nichts getan.
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