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Evangelisch heißt lutherisch
Über das Lutherische in unserer Kirche

Thomas Kretzschmar, Predigthelfer, Mülheim an der Ruhr-Saarn

Die Kirche ist "uniert"!?

Nach dem Kinofilm „Luther“, der mit Starbesetzung (Joseph Fiennes, Peter Ustinov, Uwe Ochsenknecht) große Erfolge feierte, ergaben sich immer wieder Gelegenheiten mit Kollegen, Freunden und Verwandten darüber zu reden, was „evangelisch sein“ bedeutet. Oft war zu hören, „ich bin ja auch lutherisch“. Gegen diese persönliche Einschätzung und Einordnung spricht nichts. Doch offiziell ist unsere Kirche, die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR), zu der auch der Kirchenkreis Mülheim gehört, „uniert“. Und das bedeutet, daß auch wir als Kirchenmitglieder „evangelisch-uniert“ und eben nicht „evangelisch-lutherisch“ sind. Uniert? Nie gehört? Kein Grund zur Sorge. Dann geht es Ihnen wie den meisten Kirchenmitgliedern.

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Die Entstehung der Kirchen-Union
Was heißt also „uniert“ und wie kam es dazu?

Der Ursprung der Entwicklung lag in Preußen: der letzte Hochmeister des Deutschen Ordens wird 1525 lutherisch und das Ordensgebiet in das weltliche Herzogtum Preußen umgewandelt. Von da an sind auch die preußischen Untertanen lutherisch. 1613 konvertiert der nunmehr preußische Kurfürst Johann Sigismund zum Calvinismus, also zum evangelischen Glauben, der nicht durch den Reformator Luther, sondern durch die Reformatoren Calvin und Zwingli geprägt ist. Die preußischen Untertanen bleiben aber weitestgehend lutherisch. Anläßlich des 300. Jahrestages der Reformation im Jahr 1817 erscheint es dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. als unzeitgemäß, zwei unterschiedliche evangelische Kirchen, nämlich die lutherische und die calvinistische, auch reformiert genannte Kirche, in seinem Reich zu haben. So ordnet er die Vereinigung beider Kirchen an. Obrigkeitshörig wie man damals war, schließen sich in den folgenden Jahren die beiden Kirchen mehrheitlich in einer „Union“ (daher das Wort „uniert“) zusammen. Später werden die Kirchen dieses Zusammenschlusses „Kirchen der altpreußischen Union“ genannt. Daraus entsteht dann nach dem 2. Weltkrieg die „Evangelische Kirche der Union“ (EKU). Zum 1. Juli 2003 treten weitere unierte Landeskirchen der Union bei, die sich seitdem „Union evangelischer Kirchen“ (UEK) nennt. Dies alles geschieht jedoch fast ausschließlich auf der Ebene der Kirchenleitungen. Das Kirchenvolk nimmt von dieser Entwicklung so gut wie keine Notiz.

Die einzelnen Ortsgemeinden haben das Recht, sich zu entscheiden, ob sie lutherisch, reformiert (calvinistisch) oder uniert sein wollen. In der Vergangenheit haben sich viele Gemeinden für das unierte Etikett entschieden, weil man es für das allgemein evangelische hielt. Wenige wissen, daß es letztlich keine unierte theologische Position und kein uniertes Glaubensbekenntnis gibt.

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Lutherisch oder Reformiert

Als evangelischer Christ ist man entweder lutherisch oder reformiert. Die lutherische Konfession und die reformierte Konfession bezeichnen unterschiedliche und sich letztlich ausschließende Glaubenspositionen. Das Unierte beschreibt eigentlich nur einen organisatorischen Zusammenschluß glaubensverschiedener Kirchen.

Erst seit 1973 gibt es die sog. „Leuenberger Konkordie“, ein Text, in dem lutherische und reformierte Kirchen ihre Gemeinsamkeiten hervorheben und die unterschiedlichen Auffassungen als nicht mehr kirchentrennend bewerten. Es ist der Versuch aus der organisatorischen Einheit eine theologische Einheit herzustellen, die in der Reformationszeit nicht zustande kam.

Das Lutherische und das Reformierte trennt im wesentlichen das unterschiedliche Verständnis des Abendmahls und die Prädestination (Erwählung und Errettung des Menschen durch Gott). Für die Reformierten ist das Abendmahl rein symbolisch. Die Worte „das ist mein Leib“ werden so verstanden, als hätte Christus gesagt „das ist wie mein Leib“. Moderne und findige Theologen stützten zeitweise dieses symbolische Verständnis, indem sie darauf hinwiesen, daß es weder im Griechischen (der Sprache des Neuen Testamentes), noch im Aramäischen (der Sprache, die Jesus vermutlich sprach) das Wort „ist“ gibt und somit die Aussage „das ist mein Leib“ Jesus so nicht gesagt haben kann. Allerdings wurde übersehen, daß sowohl im Griechischen als auch im Aramäischen das Wort „wie“ existiert. Hätte Jesus also sagen wollen, „das (ist) wie mein Leib“, dann hätte er es sagen können. Ihm dieses symbolische Verständnis zu unterstellen, wäre zwar möglich, stimmt jedoch nicht mit dem Textbefund des Neuen Testamentes überein. Hier ist ein besonderer lutherischer Grundsatz zu erkennen: Luther betonte als Maßstab immer das sog. „sola scriptura“- Prinzip (d.h. allein die Heilige Schrift ist Richtschnur unseres Glaubens) und nicht menschliche Mutmaßungen.

Der andere wesentliche Unterschied betrifft die Prädestination. Luther geht hier wiederum dem Text der Bibel nach und stellt fest, daß Gott die Menschen auswählt. Durch Seine Gnade kommt der Mensch in den Himmel. Calvin spitzt dies theologisch zu und kommt zum Schluß, daß Gott auch bestimmt, wer in die Hölle kommt. Solch ein Verständnis war Luther immer fremd. Die calvinistisch-reformierte Prädestionationslehre führte zur Auffassung, daß man den Erwählten schon hier auf Erden an ihrem Wohlstand ansehen müsse, daß sie von Gott erwählt wurden. Das führte z.B. in den calvinistischen Niederlanden dazu, daß die Bürger besonders große Wohnzimmerfenster hatten, damit sich auch die Nachbarn davon überzeugen konnten, daß man zu den Erwählten gehörte. Deswegen wurden die holländischen Wohnzimmertische mit Teppichen belegt und alles Teure und Gute wurde gut sichtbar im Wohnzimmer plaziert. Der deutsche Soziologe Max Weber sah daher auch den Ursprung des Kapitalismus in dieser religiösen Haltung des Calvinismus („Die protestantische Ethik“). Immerhin: im 20 Jahrhundert kam der bedeutende Schweizer reformierte Theologe Emil Brunner zum Ergebnis, daß Calvins Prädestinationslehre unbiblisch sei. Beachtenswert ist es, daß fast alle Freikirchen in Deutschland einer reformiert-calvinistischen Theologie und keiner lutherischen folgen.

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Der Lutherkonvent

Angesichts der jüngsten päpstlichen Schreiben (den sog. Enzykliken), die uns evangelischen Christen absprechen, eine „richtige“ Kirche zu sein („Dominus Iesus“) und die Gültigkeit unseres Abendmahls bestreiten („Ecclesia de Eucharistia“), scheint mir ein Bemühen um klare evangelische Positionen um so wichtiger. Dazu ist die evangelisch-lutherische Theologie in hervorragender Weise geeignet. Ich glaube, daß in der lutherischen Reformation das Evangelium am klarsten zum Ausdruck gekommen ist. Dies für den Glauben und das Leben von heute immer wieder herauszuarbeiten und an biblischen Wahrheiten festzuhalten, ist für jeden evangelischen Christen von entscheidender Bedeutung.

Alle, die sich in unserer Landeskirche als "evangelisch-lutherisch" bezeichnen und in besonderer Weise dem lutherischen Bekenntnis verbunden fühlen, sammeln sich im Lutherkonvent. Der Lutherkonvent im Rheinland trifft sich zwei Mal im Jahr zu theologischen Vorträgen und zum Austausch. Gäste und neue Mitglieder sind jederzeit herzlich willkommen. Das nächste Treffen ist am So., 21. März 2004 in Köln. Vorsitzender ist der Essener Pfarrer Reiner Vogels. Der Mülheimer Pfarrer Wolfgang Sickinger (Erlöserkirche, Heißen) gehört ebenfalls dem Lutherkonvent an.


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