Der langjährige frühere Vorsitzende
und jetzige Ehrenvorsitzende unseres Konvents, Sup.em. Ernst Volk hat einen
Aufsatz über das Verhältnis der Religionen des Judentums, des
Islam und des Christentums zueinander geschrieben. Wir geben ihn an dieser
Stelle im Wortlaut wieder.
Ratlosigkeit beschleicht Herz und Hirn der Menschen. Mehr
als zehn Urlauber kommen auf der tunesischen Ferieninsel Djerba bei der
Besichtigung einer altehrwürdigen jüdischen Synagoge im Feuersturm
um. Die Verbindungen der moslemischen Attentäter reichen nicht nur
bis in die USA, sondern auch bis nach Deutschland und Frankreich. Nicht
zufällig sind es deutsche Urlauber, die es trifft. Ist doch in Frankfurt/Main
ein Prozess gegen moslemische "Fundamentalisten" (so nennt man sie heute
allenthalben) eröffnet worden, denen die Planung eines Sprengstoffattentats
in Straßburg vorgeworfen wird. Das alles sind keine zufälligen
Parallelen. Der befürchtete "Kampf der Kulturen" ist längst in
Gang; und wir werden in diese blutigen Auseinandersetzungen hineingezogen.
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Der amerikanische Präsident spricht von einem weltweiten
"Krieg gegen den Terrorismus". Der deutsche Kanzler aber versichert den
USA "bedingungslose Solidarität", und die Politiker baden in dem Gefühl
selbstgewisser Gerechtigkeit. Doch währenddem verbeißen sich
in Palästina/Israel zwei Kulturen, ja zwei Religionen schier ausweglos
ineinander. Palästinensische "Märtyrer" – so bezeichnen sie sich
in maßloser Verblendung – sprengen sich in Gasthäusern, in Einkaufsstraßen,
an Kreuzungen oder an Bushaltestellen in die Luft und reißen Israelis
mit sich in den Tod. Israel beantwortet diesen Schrecken mit Panzern und
Granaten, und setzt so Schrecken gegen Schrecken. Selbst einem amerikanischen
Außenminister gelingt es nicht, die sich hassenden Parteien zu Kompromissen
zu bewegen, damit zumindest wieder ein Waffenstillstand möglich wird.
Unsere "politische Klasse" reagiert hilflos mit immer neuen Friedensvorschlägen
und muss die Erfahrung machen, dass in diesem Konflikt alle "vernünftigen"
Argumente, auf die man doch so hoffnungsvoll setzt, wie schillernde Seifenblasen
zerplatzen. Eine unheimliche Irrationalität, eine schier unfassbare
Unvernünftigkeit
droht den gesamten vorderen Orient in Krieg und Verderben hinabzuziehen;
und wir werden – trotz aller Vermittlungsversuche – so oder so in dieses
Verhängnis mit hineingerissen. Langsam macht sich hierzulande sogar
eine anti-amerikanische Stimmung breit, da man den Amerikanern die Schuld
an dieser "Lage" gibt – ohne die tieferen geistigen Ursachen zu analysieren.
Seit etwa einem Jahrzehnt beschwört die sog. "Weltöffentlichkeit"
den "Friedensprozess" zwischen Israelis und Palästinensern. Schon
dieser Begriff eines "Prozesses" ist irreführend, weil er voraussetzt,
dass Frieden zwischen beiden Seiten im Grunde schon vorhanden sei – beide
Kontrahenten versichern ja unermüdlich, dass sie "Frieden" wollten.
Doch schon das Verständnis von Frieden ist hüben und drüben
kontrovers!
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Vor allem geht man bei einem solchen "Prozess" von einem
"vernünftigen" Voranschreiten aus, das uns dem gewünschten Ziel
Schritt für Schritt näher bis zur endlichen Verwirklichung des
Friedens bringt. Genährt wird diese Sicht von einem humanistischen
Optimismus in den guten, in den Vernunft begabten Menschen (homo sapiens),
was Juden und Moslems, aber gerade auch der neuzeitliche demokratische
Mensch beanspruchen zu sein.
Plötzlich aber wird offenbar, dass dieser Optimismus,
vom "Menschen guten Willens" geprägt, äußerst trügerisch
ist und nicht so weit trägt wie erhofft.
Die um sich greifende Ratlosigkeit tobt sich bezeichnenderweise
in gegenseitigen Schuldzuweisungen aus: Die Moslems sehen in Israel
den
Feind (und in allen Staaten, die Israel unterstützen). Die Israelis
dagegen sehen in der "Intransigenz", im Starrsinn eines Arafat und seiner
Palästinenser den Hauptgrund vom Scheitern des "Friedensprozesses".
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Bei uns in Deutschland äußert sich die allgemeine
Ratlosigkeit in besonderen Sympathien für Arafat und die unterdrückten
Palästinenser und einer immer harscher werdenden Kritik an dem militärischen
Vorgehen des israelischen Ministerpräsidenten. Jede Seite wartet mit
neuen Vorwürfen an die andere Seite auf und versucht so das eigene
Verhalten zu rechtfertigen – und wir nehmen dieses Pro und Kontra auf und
verfallen demselben Schema von Anklage und Gegenklage. Dabei ist zu beobachten,
wie das bisherige Verständnis für Israel – bedingt durch unsere
deutsche Vergangenheit – langsam in eine stille, aber nachhaltige Israelfeindschaft
umschlägt. Philosemitismus schlägt leicht in Antisemitismus um!
Doch kaum jemand fragt nach den tieferen Gründen,
die zu dieser Ratlosigkeit geführt haben. Der Schlüssel zu diesem
so ratlos machenden Gegensatz zwischen Juden und Moslems liegt verborgen
in der weithin ausgeklammerten und deshalb vergessenen Theologie; genauer
gesagt in der Christusbotschaft des Neuen Testamentes, einer Botschaft,
deren der aufgeklärte Zeitgenosse meint nicht mehr zu bedürfen.
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II.
Das Johannes-Evangelium überliefert uns das Ereignis
einer Begegnung Jesu mit einer Samariterin am Jakobsbrunnen in Sichar (Joh.
4, 4-26). Bei dieser Begegnung zwischen dem Nazarener Jesus und jener samaritischen
Frau stoßen zwei gegensätzliche religiöse Welten aufeinander,
vergleichbar dem Widereinander von jüdischer und moslemischer Tradition.
Beide, Juden und Moslems, berufen sich auf Abraham, den Stammvater eines
Ismael, von dem die Araber ihre Herkunft ableiten (Gen. 16), während
das jüdische Volk sein Dasein von Isaak ableitet, dem Sohn Saras,
der legitimen Ehefrau Abrahams (Gen. 17). Gerade die gemeinsame Abrahamskindschaft
beider Völker wird zum bis heute nachklingenden und nicht seltenen
Bruderzwist zwischen nahe verwandten und doch so verschiedenen Völkern;
denn nicht Ismael, der Sohn der Magd Hagar, empfängt den Segen, sondern
Isaak, der Sohn der Freien (Gal. 4, 21-31)!
Dieser Gegensatz pflanzt sich zwischen Esau und Jakob
fort (Gen. 27) und wird in den Anfängen des "Propheten" Mohammed erneut
akut, der mit den Juden von Medina tödlich zusammenprallt, weil die
Juden seine Prophetie nicht – wie er gehofft hatte – anerkennen. Bis in
die Gegenwart hinein setzt sich dieser uralte Antagonismus fort, ein Geschehen,
das der moderne säkularisierte Mensch nicht mehr nachvollziehen kann,
sondern dafür lieber einem liberalen, "vernünftigen" Optimismus
huldigt.
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Auch zwischen Jesus und jener Samariterin am Jakobsbrunnen
schwingt dieser Gegensatz und jenes uralte Vorurteil in ihrem Gespräch
immer noch mit. Als Er sie am Brunnen um Wasser bittet, fragt die Frau
befremdet: "Wie bittest Du von mir zu trinken, so du Jude bist" und Johannes
fügt erklärend hinzu: "Denn die Juden haben keine Gemeinschaft
mit den Samaritern." (Joh. 4,9) Die Samariter waren in ihrer Gottesverehrung
an ihren Tempel auf dem naheliegenden Berg Garizim gebunden
.
Zwar wurde der Tempel auf dem Garizim 128 v. Chr. durch die Makkabäer
zerstört. Gleichwohl war jener Garizim der Ort, an dem sich die samaritanische
Frömmigkeit gebunden wusste, während für die Juden Tempel
und Tempelberg in Jerusalem der Ort der legitimen Gottesverehrung war.
Bis heute erinnern betende Juden an der sog. Klagemauer in Jerusalem an
diese Bindung, während jene Samariterin noch einmal den bis heute
noch gültigen Gegensatz genau charakterisiert: "Unsere Väter
haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, zu Jerusalem sei die Stätte,
da man anbeten solle" (Joh. 4,20). Juden und Samariter berufen sich dabei
auf "geheiligte" Vätertraditionen als auf ein göttliches Gesetz,
ein Vorgang, der sich später zwischen Juden und Moslems wiederholt.
Für den Juden ranken sich um den Zion und um den Tempelberg alle Sehnsüchte
nach Erlösung, während die Moslems Jerusalem in tief frommer
Weise einfach "El Kuds" nennen, die Heilige, weil Mohammed hier in den
Himmel entrückt worden sei. Wieder begegnen wir hier und dort einer
an Orte gebundenen und damit gesetzesorientierten Religiosität.
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Jesus jedoch gibt eine Antwort, die die ganze Religionsgeschichte
weltweit und grundlegend verändern wird: "Weib glaube mir, es kommt
die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge (d.h. dem Garizim) noch zu Jerusalem
werdet den Vater anbeten. Ihr wisset nicht, was ihr anbetet; wir wissen
aber, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden" (V. 22). Alle
bisherigen Religionen sind im Grund Naturreligionen, gebunden an die Verehrung
der Naturkräfte oder der leiblich-geistigen Kräfte der Menschen.
Die wahre Religion dagegen ist geschichtlich! Sie erwächst aus den
Worten und Verheißungen an die Väter, an Noah und Abraham. Deshalb
die lapidare Feststellung: "Das Heil kommt von den Juden!" Man würde
dieses Wort gründlich verfehlen, wollte man es heidnisch-naturreligiös
oder gar nationalistisch verstehen. Es weist vielmehr hin auf den
einen,
wahren Gott, der in der Geschichte Menschen herausgerufen hat aus allen
"natürlichen" und nationalen Bindungen: "Und der HERR sprach zu Abraham:
Gehe aus deinem Vaterlande und von deiner Freundschaft und aus deines Vaters
Hause in ein Land, das ich dir zeigen will" (1. Mose 12,1). Unter diesem
Ruf in der Geschichte zerreißen alle Blutsbande. Der
rechte Glaube
ist unterwegs zu einem künftigen Ziel. Er ist nicht mehr an Nation,
Rasse oder an einen festen Ort gebunden. Es entsteht das "wandernde Gottesvolk",
von dem der Hebräerbrief kündet; "ein Volk unterwegs zur ewigen
Gottesstadt" (Hebr. 10,19ff). Es geht also nicht mehr um einen israelischen
(National)Staat, auch nicht um das "Heilige Land", um das man sich gestritten
hat und immer noch streitet. Es geht um die "Gemeinde Gottes", um seine
Kirche (nicht als Institution verstanden), die von Gottes Wort und Ruf
herausgelöst wird aus allen natürlichen, aus allen nationalen,
aus allen gesetzlichen Bindungen (wie Sitte, väterliche Überlieferungen
oder gesellschaftliche Vorschriften) hinwandert zur letzten Ruhe in und
bei Gott (Hebr. 4.1ff, gr. "katapausis"). Erst
dann ist die Weltgeschichte
mit ihrem Unfrieden, ihrem Widereinander an ihrem von Gott bestimmten Ende.
Das erwähnte Gespräch Jesu mit der Samariterin
gipfelt deshalb in dem entscheidenden Satz: "Aber es kommt die Zeit und
ist
schon jetzt, dass die wahrhaftigen Anbeter werden den Vater anbeten
im Geist und in der Wahrheit, denn der Vater will haben, die ihn also anbeten.
Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in
der Wahrheit anbeten" (V. 23f).
Die Wendung "und ist schon jetzt" zeigt an, dass mit dem
Kommen Christi das "Jetzt", der Kairos, der Anbruch des Reiches Gottes
schon
da ist. Bis zu Christi Kommen waren Ort und Zeit, waren Gesetze, Vorschriften,
Speisegebote und =verbote jeweils nur Vorspiele, nur Vorbild und Schatten
der himmlischen Güter (Hebr. 8,5). Ebenso war das Gesetz nur "Schatten
der künftigen Güter" (Hebr. 10,1). "Geist und Wahrheit" sind
mit dem Kommen Christi in die Welt gegeben. Der auf dem Weg nach Golgatha
wandernde Christus ist selbst
der Geist, ist selbst
die Wahrheit
und damit auch
das Leben (Joh. 14,6; Hebr. 10,20).
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Der Geist ist also alles andere als ein abstraktes Gedankengebilde,
ist mehr als Wissen, mehr als verstandesmäßiges Erkennen. Der
Geist
ereignet sich in und mit dem Kommen Christi. "Geist" geschieht
da, wo Er der Samariterin und uns allen unser verfehltes Leben aufdeckt
und Er uns - kraft seines vergebenden und freisprechenden Wortes - zurückruft
in die letzte Gottesgemeinschaft, die ewiges Leben ist.
Der Gekreuzigte und Auferstandene ist in seinem
Da-Sein
für uns "Geist und Wahrheit". Die Schatten können weichen, alle
Orte
der Anbetung – sei es in Jerusalem, sei es auf dem Garizim oder gar in
Mekka – sind außer Kraft gesetzt. Der Tempel kann abgebrochen werden.
Der "Tempel seines Leibes" als auferstandener Leib, der Sünde, Tod
und Hölle in seiner Auferstehung in sich hineinverschlungen hat, macht
alle anderen Orte und Tempel zu "Vor-läufern", zu Schatten, die mit
Ihm vergangen und überflüssig geworden sind! (vgl. Joh. 2, 18-21)
Auch hier gilt: "Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden!
(2. Kor. 5,17) "Denn der Herr ist der Geist!" (2. Kor. 3,17).
Damit aber ist das Problem, ob auf dem Jerusalemer Tempelberg,
ob auf dem Garizim oder bei dem Umzug um die Kaaba in Mekka Gott angebetet
werden muss, nicht nur gegenstandslos geworden, sondern es ist sogar falsch
gestellt. Christus hat uns von jenem Entweder-Oder für immer frei
gemacht!
Tempel, heiliger Orte, heiliger Zeiten und Verdienste
bedarf es nicht mehr. Es bleibt seine vergebende Wahrheit, in die hinein
wir uns retten dürfen. Darin besteht die grundsätzliche
Andersartigkeit
der biblisch-evangelischen Botschaft. Das kennt keine andere Religion,
weder das Judentum, noch der Islam, weder Hinduismus noch Buddhismus oder
animistische und Naturreligionen, mag es auch noch so viele "spirituelle"
Gemeinsamkeiten geben, wie etwa die Berufung auf Abraham oder tiefgehende
Frömmigkeiten oder gar dichterisch großartig formulierte Gebete.
Diese "Spiritualität" hat mit der Anbetung des Vaters im Geist und
in der Wahrheit nichts zu tun. Mit Christus ist das "Ganz Andere" in die
Weltgeschichte eingetreten.
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III.
Es gehört nun zur religiösen Eigenart von Juden
und Moslems, dass beide Glaubensweisen den gekreuzigten Christus leidenschaftlich
ablehnen. Der Gekreuzigte ist ihnen – wie allen "natürlichen" Menschen
- Anstoß und Ärgernis (skandalon u. moria; 1. Kor. 1,23)!
In seiner Auseinandersetzung mit seinen judaistischen
Kritikern nimmt Paulus deren entscheidendes Argument auf: "Verflucht ist
jedermann, der am Holz hängt" (Gal. 3, 13b; 1. Mose 21,23).
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Wie kann ein so Verfluchter der Messias, der Gesalbte
Gottes oder gar Gottes Sohn sein? Unserer Vernunft ist das "undenkbar".
Daran stößt sie sich. Das schlägt dem Bild vom guten, gnädigen
oder "lieben" Gott glatt ins Gesicht. Das kann, ja darf nicht sein. Bis
heute weigert sich der fromme Jude deshalb, den gekreuzigten Nazarener
als Messias und Erlöser anzuerkennen. Noch immer wartet das Judentum
auf den kommenden Messias, der Israel in seiner Größe wiederaufrichten
wird. Deshalb betet man inständig und in beschämender Treue an
der Ruinenmauer des einstigen Tempels, der 70 nach Christus zerstört
wurde. Noch immer hofft man auf den Messias, der den Tempel in aller Herrlichkeit
erneuern wird.
Der Apostel Paulus dagegen bestreitet nicht, dass der
gekreuzigte Jesus zum "Fluch" geworden ist. Doch er sieht den Fluchtod
Jesu gerade nicht als Beweis seines Scheiterns an, sondern gerade als Bestätigung
des Heilswerkes Christi; denn er ward "ein Fluch
für uns" (Gal.
3,13). Sein Leiden am Kreuz ist also eine "satisfactio vicaria", eine stellvertretende
Genugtuung. Ein für gewisse "moderne Theologien ebenfalls anstößiger
Gesichtspunkt. Christus wird für mich und dich verworfen und verflucht,
weil er
an unserer Stelle am Kreuz hängt, weil Er
an unserer
Stelle verflucht wird. Der Fluch, der mich und Dich treffen sollte,
das ewige Gericht, dem wir alle verfallen sind, das wird an Ihm vollstreckt
und nicht an mir und dir. Deshalb "hat er uns erlöst vom Fluch des
Gesetzes" (Gal. 3, 13a). Deshalb braucht uns das Gesetz nicht mehr anzuklagen;
"denn Christus ist des Gesetzes Ende, wer an
den glaubt, der ist
gerecht!" (Rö. 10,4)
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Vor Gott gerecht werden wir nicht mehr durch Beachtung
von Speisegeboten, noch durch die Juden und Moslems gemeinsame Beschneidung,
noch durch das Einhalten "bestimmter Feiertage oder Neumonde oder Sabbate"
(Kol. 2,16f). Das alles sind nur "schwache und dürftige Satzungen"
(Gal. 4,9, gr. stoicheia tou kosmou), die uns nicht mehr gefangennehmen
dürfen. Vor diesem Rückfall warnt uns Paulus eindringlich. Ihm
ist bewusst, wie entschieden sich sein Volk gegen seinen eigenen Messias
verschworen und den gekreuzigten Christus verworfen hat. Das aber hat weittragende
Folgen. Nicht nur, dass sie gefangen bleiben in den "Stoicheia", in den
erwähnten "dürftigen und schwachen Satzungen", nicht nur, dass
sie ihre Identität an den Tempelmauern Jerusalems festzumachen versuchen,
sondern dass sie die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, verfehlen. Sie haben
zwar "dem Gesetz der Gerechtigkeit nachgetrachtet", doch sie haben "das
Gesetz der Gerechtigkeit nicht erreicht. Warum das? Darum, dass sie es
nicht aus dem Glauben, sondern als aus den Werken des Gesetzes suchen.
Denn
sie haben sich gestoßen an dem Stein des Anstoßes", d.h. an
Christus! (Rö. 9, 31-33)
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Mit Entschiedenheit und mit großem Ernst betont
der Apostel, dass sich an Christus selbst die Geister scheiden. Er, "Christus",
ist das Ende des Gesetzes, wer an
den glaubt, der
ist gerecht"
(Rö. 10,4). Die Zugehörigkeit zum Volke Gottes ist identisch
mit der Glaubensgerechtigkeit im Vertrauen auf den Gekreuzigten! Deshalb
ist auch kein Unterschied mehr zwischen Juden und Griechen, d.h. Nichtjuden.
Bis
zum Kommen Christi war
das Gesetz die Scheide-linie zwischen
Israel, dem Volk Gottes, und den heidnischen Völkern. Da Er aber am
Kreuz das Gesetz erfüllt und zu seinem Ende gebracht hat, ist Christus
selbst "ein Herr, reich über
alle, die ihn anrufen. Denn wer
den Namen des Herrn wird anrufen, soll selig werden" (Rö. 10, 12-13).
Die Zugehörigkeit zum Volk Gottes entscheidet sich
nun
nicht mehr an der leiblichen Abkunft von Abrahams Same, sondern
zu Gottes Volk gehören hinfort alle, die den Namen Christi anrufen,
seien sie von Geburt her Juden oder blutsmäßig aus der Völkerwelt.
Christus hat aus Juden und Heiden
Eines gemacht. Er hat den trennenden
Zaun des Gesetzes abgebrochen. Aus Juden und Heiden hat er einen
neuen
Menschen geschaffen. Im Glauben an Seine Heilstat schafft er das neue Volk
Gottes, das Israel "rechter Art der aus dem Geist gezeugt ward" (Luther:
Aus tiefer Not schrei ich zu dir ..., Strophe 3). Siehe dazu vor allem
Eph. 2, 11-16!
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Durch Christi Opfertod vollzieht sich innerhalb des historischen
Israel eine fundamentale Scheidung. Es wiederholt sich das, was zur Zeit
des Propheten Elia geschah, noch einmal. Mitten im Abfall zum Kanaaneischen
Götzendienst heißt Gottes Antwort: "Ich habe mir lassen überbleiben
7000 Mann, die nicht haben ihre Knie gebeugt vor dem Baal. Also geht`s
auch
jetzt zu dieser Zeit mit diesen, die übrig geblieben sind
nach der Wahl der Gnade" (Rö. 11, 4-5). Übrig geblieben ist der
Jude Paulus, die aus dem Judentum stammenden Apostel wie Petrus, Johannes,
Jakobus und alle Judenchristen
. Sie sind die Zweige am Ölbaum,
die nicht ausgebrochen sind. Gott hat sein Volk also nicht verstoßen
(Rö. 11,2). Aber
innerhalb des Volkes vollzieht sich wie einst
zu Elias Zeiten eine Scheidung zwischen Glauben und Unglauben. Aus der
Heidenwelt aber werden
die in den Ölbaum der Erwählung
Abrahams eingepfropft, die im Glauben an Christus gerecht geworden sind.
Der Unglaube scheidet von Gott; die Verwerfung Christi
ist Gericht!
Der Glaube aber bewirkt die Zugehörigkeit zu Abrahams Same. Der Glaube
pfropft ein! Der Glaube an Christus macht Gottes Volk!
Im Blick auf das irdisch-geschichtliche Israel bleibt
freilich
eine Hoffnung: Gott kann auch die durch die Verwerfung
Christi ausgebrochenen Zweige wieder einpflanzen, so wie er ungläubig
gewordene "Christen" auch wieder abhauen kann. Der überkommene rechte
Glaube ist keine Heilsgarantie. Der Unglaube verspielt wieder alles (Rö.
11, 28-32). Das ist zugleich eine ernste Mahnung an die christliche Gemeinde.
Es ist Gottes Erbarmen, dass die Kirche zu Gottes Volk gerechnet wird.
Sein Erbarmen kann aber auch die wieder einpflanzen, die jetzt noch im
Unglauben verharren. Beide, Juden und Heiden, hat Gott unter dem Unglauben
eingeschlossen, damit beide aus Glauben leben und ER sich aller, den Glaubenden
aus Juden und Heiden, erbarme (Rö. 11, 32)!
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IV.
Es ist menschlich und im gewissen Sinne auch politisch
verständlich, dass sich das jüdische Volk auf Palästina
als angestammte Heimat beruft und den seit 1948 dort entstandenen Staat
Israel als ihr von der UNO anerkanntes legitimes Staatswesen ansieht. Ob
diese Ansprüche auch als von Gott verheißenes Land angesehen
werden müssen, bedarf der näheren Überprüfung. Evangelikale
Kreise – sowohl in den USA als auch hier bei uns – berufen sich dabei u.a.
auf den Propheten Hesekiel, der als Exulant in Babylon lebte und etwa um
593 vor Christus zum Propheten berufen wurde. Sein Buch beginnt mit der
Vision der göttlichen Herrlichkeit, repräsentiert durch die vier
Cherubin und dem vierrädrigen, feurigen Wagen, dessen Räder ohne
sich umzuwenden allgegenwärtig sind (Hes. 1, 4-23; Hes. 10, 1ff; vgl.
auch Jes. 6, 1-4). Gottes Gegenwart ist nicht an Orte, auch nicht an Jerusalem,
gebunden. Die Feuerwagen sollen die Herrlichkeit des HERRN symbolisieren,
die in alle Lande ausgeht, so dass die "kabod", die Herrlichkeit Jahwes
alle Lande erfüllt (vgl. auch Jes. 6,3). Jesaias und Hesekiels Gesichte
weisen hier schon auf die Gegenwart und Hoheit Jesu Christi hin, in dem
"die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt" (Kol. 1,9).
Zunächst geißelt Hesekiel die Treulosigkeit
der noch in Jerusalem Zurückgebliebenen, prangert deren "Greuel und
Scheuel" (Hes. 8), ihren Götzendienst an, und kündet noch härter
als Jeremia den Untergang Jerusalems und des Tempels an. Die "kabod Jahwe",
die Herrlichkeit des Herrn verlässt die Stadt (Hes. 11, 22ff). Nach
der endgültigen Katastrophe von Stadt und Land hat der Prophet dann
die Aufgabe, die Exilierten zu trösten und wiederaufzurichten.
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Die folgenden Kapitel haben – in großen Zügen
– zwei verschiedene Tendenzen. Zunächst wird den Verbannten zugesagt,
dass Gott ihre Gefangenschaft beenden werde und sie wieder ins Land der
Väter heimkehren können. Diese Ansage ist unter dem Perserkönig
Cyrus oder Kores im Jahre 538 v. Chr. in dem Wiederaufbau dem Tempels zwischen
520 und 515 v. Chr. verwirklicht worden. Die prophetischen Weissagungen
eines Hesekiel sind also längst erfüllt! Aus ihnen heute eine
erneute Landverheißung und eine zweite oder dritte Rückkehr
des Volkes nach Palästina herausdeuten zu wollen, ist anachronistisch,
weil man so den Wandel der Geschichte und vor allem den Zeitenwechsel vor
und nach Christi Geburt nicht beachtet. Der
vor Christus verkündigende
Prophet macht selbst deutlich, dass Gott selbst eine andere, eine
neue
Zeit heraufführen wird. Gott verheißt nämlich – nach Hesekiels
Verkündigung – dass Gott im Lande einen neuen Bund machen will, dass
sie nicht mehr zwei Völker sein werden (Juda und Israel), sondern
ein
Volk mit einem König, dass es keinen Götzendienst mehr geben
wird, sondern dass die Götzen und die Greuel abgetan sein werden (Hes.
37, 21-23). Vielmehr soll der "Knecht David" ihr einziger König und
ihr "einiger Hirte" sein (Hes. 37, 24) und sie nach Gottes Weisungen "wandeln"
werden. Dieser neue Bund ist nicht mehr die Fortsetzung des alten Bundes,
sondern Gott der Herr will ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde
nicht mehr gedenken, wie es Jeremia, der Zeitgenosse des Hesekiel verkündet
hat (Jer. 31, 31-34)!
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Auch diese Verheißungen sind erfüllt! Das in
alle Welt zerstreute Volk konnte sich wieder um den Tempel sammeln und
der neue Bund wurde mit dem Kommen Christi aufgerichtet. "In der Nacht,
da er verraten ward", stiftete Jesus das neue Testament, den neuen Bund
in seinem dahingegebenen Leib und in seinem "für Viele" vergossenen
Blut (Mtth. 26, 26-28; Mk. 14, 22-24; Luk. 22, 19-20; 1. Kor. 11, 23-25).
Sehr bewusst nimmt Christus hier auf das Opferblut im Tempel Bezug. Er
selbst ist das "Lamm Gottes", das der Welt Sünde trägt (Joh.
1, 29;36). Damit sind alle Opfer im Jerusalemer Tempel "überholt",
d.h. aufgehoben und überflüssig geworden. Es bedarf keines Tempels
und keines heiligen Ortes mehr, weder in Jerusalem noch in Mekka oder Rom.
Gottes Gegenwart ereignet sich allenthalben, wo sein Wort verkündigt
wird!
Im Widerspruch dazu scheint zu stehen, dass Hesekiel ausführlich
den Bau eines neuen Tempels schaut (Kap. 40-48). Diese "Schlussvision"
sprengt "alle Maße der früheren Visionen des Buches".
Auch die "Zuordnung" dieses neuen Tempels "zu den realen topographischen
Gegebenheiten auf dem Jerusalemer Tempelberg macht Schwierigkeiten".
Die ganze visionäre Tempelanlage gestaltet sich nach
den Maßzahlen 25 und 50. Offensichtlich wird damit auf das in 3.
Mose 25, 8ff erwähnte "Jobeljahr" als "Jahr der Freilassung" und "Jahr
des Wohlgefallens" angespielt.
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Das aber erschöpft sich nicht in der Freilassung durch den Perserkönig
Cyrus, es weist hin auf eine eschatologische Zukunft. Aber genau diese
"Endzeit" ist mit dem Kommen Christi angebrochen. "So ich aber durch Gottes
Finger die Teufel austreibe", hält Jesus den Pharisäern entgegen,
"so kommt ja das Reich Gottes zu euch" (Luk. 11,20). Auch ist Christus
gekommen, "das angenehme Jahr des Herrn" (Luk. 4,19) zu verkündigen.
Was die hesekiel`sche Tempelvision vorausschaut, ist in IHM, in Jesus von
Nazareth, dem David-Sohn erfüllt. Mit Christus beginnt das "end-gültige"
"Jobel"= oder "Jahr der Freilassung"! Christus bringt und vollzieht "den
Gefangenen, dass sie los sein sollen ... und den Zerschlagenen, dass sie
frei und ledig sein sollen und zu verkündigen das angenehme Jahr des
Herrn". Den neugierigen und zweifelnden Zuhörern in der Synagoge von
Nazareth ruft er zu: "Heute ist diese Schrift erfüllt vor euren Ohren"
(Luk. 4, 18-21). "
Heute!" Im Hören seiner Botschaft!
Heute,
da Er Gottes Name unter Juden und Heiden verkündigen lässt! Die
Endzeit braucht nicht berechnet zu werden Sie ist mit seiner Kreuzigung
und seiner Auferstehung bereits angebrochen. Seitdem stürzt Jahrhundert
um Jahrhundert die Zeit ihrem Ende entgegen.
Der Tempel, den Hesekiel schaut (Hes. 40-48), ist also
weder der unter Esra begonnene Tempelbau oder irgendein dritter irdischer
Tempel, sondern Hesekiel schaut den ewigen Tempel Gottes, unter dessen
Schwelle ein Wasserstrom entspringt, der von dort hinausfließt in
die Welt (Hes. 47, 1ff). Schließlich ist das Wasser so tief, dass
man es "nicht mehr gründen konnte" (Hes. 47,5). Es handelt sich also
nicht um einen geographisch auszumachenden Fluss. Vielmehr erinnert diese
prophetische Vision an jenen viergeteilten Paradiesesstrom im Garten Eden
(1. Mose 2,10ff). Der Seher Johannes nimmt die hesekiel`sche Vision wieder
auf in der endzeitlichen Schau des Lebensstromes, der "von dem Stuhl Gottes
und des Lammes" ausgeht (Offbg. 21,1ff).
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Schließlich weist die Tempelvision des Propheten
vorab auf den gekreuzigten und auferstandenen Leib Christi hin, den man
zwar anklagte, er wolle den irdischen Tempel abbrechen und am dritten Tage
wieder aufrichten. "Er aber redete vom Tempel seines Leibes" (Joh. 2,21)!
Glaubloser Unverstand begreift nicht, dass der Tempel der Endzeit mit Christi
Auferstehung bereits errichtet wurde, dass an diesem geistlichen Tempel
weitergebaut wird, denn die Leiber der Glaubenden werden dem Tempel Christi
in der Kraft des Heiligen Geistes eingefügt (1. Kor. 3,16; 6,12; 10,16;
12,13; Eph. 1,23; 2,21; Kol. 1,18, 24). Ähnliches gilt auch von der
Prophetie des Hesekiel über eine neue Landverteilung (Hes. 45 u. 48).
Der Prophet knüpft hier offensichtlich an den Bericht der Landverteilung
unter Josua an, und doch handelt es sich nicht um eine historische Wiederholung
jener Landnahme. Auch hier sprengen die angegebenen Maße alle geographischen
Dimensionen. Die Stadt hat 12 Tore; eine Vision, die in der Johannes-Offenbarung
wiederkehrt (Offbg. 21,12). Die Stadt heißt nicht mehr Jerusalem,
sondern ihr Name ist "Hier ist der HERR" (Hes. 48, 35). "Dazu werden die
Stämme und das Land Israel auch viel anders und weiter geteilt und
geordnet, also, dass die Stadt und der Tempel in keinem Stamme Israel liegen
soll". (Jerusalem lag im Gebiet des Stammes Benjamin.)
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Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass rabbinische
und auch evangelikale Auslegungen, die die Visionen eines Hesekiel historisierend
auf einen politischen Anspruch auf Jerusalem, auf den Zion und auf das
Heilige Land nicht nur nicht dem Propheten gerecht werden, sondern auch
den zeitlichen Wandel zwischen dem babylonischen Exil und unserer Gegenwart
verkennen. Diese Auslegungen widersprechen den prophetischen Intentionen
Hesekiels selbst und sie überspielen das einmalige und unüberholbare
Geschehen des Adventes Christi in dieser Welt. Sein Kommen hat alle bisherigen
Dimensionen gesprengt und die Geschichte grundlegend gewandelt. Aus prophetischer
Schau auch heute noch berechtigte Ansprüche des jüdischen Volkes
auf das einst den Vätern verheißene Land und auf Jerusalem ableiten
zu wollen, übersieht, dass alle Prophetie in Christus erfüllt
ist, heißt zurückfallen in die Zeit vor Christus, heißt
immer noch jenen "gesetzlichen" Schatten und "Vor-Bildern" nachjagen, deren
Schattenrisse durch Christi Kreuz an den Rand gedrängt worden sind.
Oder soll sich auch an uns heute die Warnung des Propheten Jesaia bewahrheiten:
"Der Herr hat euch einen Geist des harten Schlafes eingeschenkt und eure
Augen zugetan!" (Jes. 29,10) Eine Warnung, die Paulus aufnimmt: "Ohne Christus
hängt gleichsam eine verdunkelnde Decke vor unseren Herzen. Erst in
der Bekehrung zu Christus wird uns die Decke abgetan" (2. Kor. 3, 12-16).
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V.
Im Blick auf den aus politischen Gründen geforderten
"Dialog der Religionen" ist es üblich geworden, Judentum, Christentum
und Islam als sog. "abrahamitische Religionsgemeinschafen" einander zuzuordnen.
Getragen wird man dabei von der Hoffnung, dass zwischen diesen drei Religionen
am ehesten eine friedliche Übereinkunft – unbeschadet der jeweilig
eigenen Überzeugung – möglich sein müsse.
In der Tat überrascht es den Religionswissenschaftler
nicht, wie viel gemeinsame historische Überlieferungen etwa in den
Islam aufgenommen wurden. So betont etwa die 3. Sure des Koran: "Wir glauben
an Gott ... und was auf Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und die Stämme
(Israels)
herabgesandt worden ist, und was Mose, Jesus und die Propheten von ihrem
Herrn erhalten haben" (Sure 3,84). Der Koran nennt darüber hinaus
eine Fülle alttestamentlicher Gestalten und Begebenheiten. So erscheint
Adam im Paradies, konfrontiert mit dem Verbot vom Baum der Erkenntnis zu
essen. Berichtet wird, wie Iblis (der Teufel) Adam zum Ungehorsam verleitete
und Gott sich trotzdem als der "Gnädige und Barmherzige" Adam wieder
zuwandte (Sure 2, 33-38). Gedacht wird der Errettung Israels aus der Hand
des Pharao am Schilfmeer oder wie Mose am sog. Haderwasser aus einem Felsen
mit seinem Stab Wasser herausschlägt; getadelt wird die frevelhafte
Anbetung des Kalbes. Betont wird das Wachtel- u. Manna-Wunder und dass
dem Volk am Sinai eine Gehorsamsverpflichtung gegeben wurde (Sure 2, 49-63).
Ferner nennt der Koran die Erzengel Gabriel und Michael (Sure 2, 97ff).
Erinnert wird an Saul, David und Goliath, an Salomo, ebenso an die Bundeslade
(ebenso in der 2. Sure).
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Mit großer Wahrscheinlichkeit lernte Mohammed diese
jüdischen Überlieferungen aus mittelbaren Erzählungen der
Judenschaft kennen, denen er in Mekka und Jatrib und auf seinen Reisen
als Kaufmann begegnete. Um so größer war seine Enttäuschung,
als die dortige Judenschaft seine koranische Verkündigung ablehnte.
Allmählich entsteht eine grundsätzliche Feindschaft zwischen
den Juden und Mohammeds Gefolgsleuten. "Denjenigen, denen wir die Schrift
gegeben haben (d.h. Juden und Christen) und die sie richtig lesen, glauben
daran (an die koranischen "Offenbarungen"). Diejenigen aber, die nicht
daran glauben, haben den Schaden" (Sure 2, 121). Die wachsende Entfremdung
wird auch an der Änderung der Gebetsrichtung deutlich. Die Muslime
sollen sich beim Gebet nicht mehr nach Jerusalem verneigen, sondern jetzt
heißt es: "Und (wir sagten) macht euch aus dem (heiligen) Platz Abrahams
eine Gebetsstätte!" (d.h. der Kaaba in Mekka). Und wir verpflichteten
Abraham und Ismael: "Reinigt mein Haus für diejenigen, die die Umgangsprozession
(um die Kaaba) machen und sich dem Kult hingeben, und die sich verneigen
und niederwerfen" (Sure 2, 125). Mit dieser deutlichen Trennung vom Judentum
wird zugleich die Gottesverehrung an einen anderen "heiligen Ort", an Mekka
und an die Kaaba, gebunden. Die bisherige Gebetsrichtung (nach Jerusalem)
wurde – so heißt es jetzt – "nur eingesetzt, um (die Leute auf die
Probe zu stellen und) in Erfahrung zu bringen, wer dem Gesandten (d.h.
Mohammed) folgt" (Sure 2, 143). Daraus wird gefolgert: "Wende dich mit
dem Gesicht in Richtung der heiligen Kultstätte (in Mekka)! Und wo
immer ihr (Gläubigen) seid, da wendet euch mit dem Gesicht in diese
Richtung" (Sure 2, 144). Im Blick auf Juden und Christen wird tadelnd vermerkt:
"Sie schließen sich nicht (einmal) untereinander der gleichen Gebetsrichtung
an" (Sure 2, 145). Mohammed hat zwar bei der Begegnung mit Juden bemerkt,
dass sich der Jude betend in Richtung Jerusalem wendet, Christen aber an
keine Gebetsrichtung gebunden sind. Dass Christen nach den Worten Jesu,
Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten, das hat Mohammed nicht verstanden,
obwohl er in derselben Sure vermerkt: "Gott gehört der Osten und der
Westen!" (2, 142) "Wohin ihr euch (beim Gebet) wenden möget, da habt
ihr Gottes Antlitz vor euch" (Sure 2, 115). "Er umfasst (alles) und weiß
Bescheid." Doch über allem steht der Befehl: "Und von wo (immer) du
herkommst, da wende dich (beim Gebet) mit dem Gesicht in Richtung der heiligen
Kultstätte (in Mekka)" (Sure 2, 149). Entschieden wird folglich auch
jedwede Annäherung an Juden und Christen abgelehnt.
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"Und sie (d.h. die Leute der Schrift, Juden und Christen)
sagen: Ihr müsst Juden oder Christen sein, dann seid ihr recht geleitet.
Sag`: Nein! (Für uns gibt es nur) die Religion Abrahams, eines Hanifen
– er war kein Heide (die Gott andere Götter) beigesellen!" (Sure 2,
136)
Stolz und selbstgewiss wird ein rational einsichtiger
Monotheismus proklamiert:
"Wir glauben an Gott und (an das), was (als Offenbarung) zu uns, und was
zu Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen (Israels) herabgesandt
worden ist, und was Mose und Jesus und die Propheten von ihrem Herrn erhalten
haben, ohne dass wir bei einem von ihnen einen Unterschied machen. Ihm
sind
wir ergeben" (Sure 2, 136). Das Wort "ergeben" wird zum Grundwort des Islam.
Diese Ergebenheit gilt nur dem einen Gott. Deshalb wird auch kein Unterschied
zwischen den genannten Propheten (einschließlich Jesus) gemacht.
Doch das vorangestellte "zu uns" gibt doch den "Offenbarungen" eines Mohammed
den Vorrang vor allen anderen Propheten. Deshalb setzt die zweite Sure
des Koran auch unmissverständlich mit den Worten ein: "Dies ist die
Schrift, an der nicht zu zweifeln ist, (geoffenbart) als Rechtleitung für
die Gottesfürchtigen" (2,1f). Die Ungläubigen aber "werden (einst)
eine gewaltige Strafe zu erwarten haben" (2,7).
Zwar wird durch den ganzen Koran hindurch Gott als der
barmherzige und gnädige Gott benannt, aber sein Erbarmen ist an die
Unterwerfung unter den im Koran festgeschriebenen Gesetze gebunden. Reue
und Umkehr (Buße) gibt es nur als Unterwerfung. Nie würde ein
Moslem etwa wie der alttestamentliche Beter im 130. Psalm zu Gott rufen
können: "Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir. Herr, höre meine
Stimme ... (und) bei Dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte
..." (Ps. 130, 1-4). Die Abrahamsgestalt im Koran widerspricht aufs Tiefste
der alttestamentlichen Abrahamsgestalt. Der Abraham Mohammeds ist als "Hanif",
als Gottgläubiger der Gesetzgeber, der die Muslime "recht leitet".
"Wer hätte eine bessere Religion, als wer sich Gott ergibt und dabei
rechtschaffen ist und der Religion Abrahams folgt, eines Hanifen."
Der mohammedanische Abraham weiß nichts von
dem
Abraham, dem Gott verheißen hat: "Gehe aus deinem Vaterlande und
von deiner Freundschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich
dir zeigen will ..." "Und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter
auf Erden" (1. Mose 12, 1-3). Und Abraham bricht auf ins Ungewisse, gehalten
und getragen nur von dem Wort "Und sollst ein Segen" sein (1. Mose 12,
2b). Dieser Abraham ist
kein Hanif, der sich Gesetzen unterwirft,
sondern
ein Vertrauender, der sich allein auf Gottes Zusage verlässt,
der allein aus Vertrauen, aus Glauben lebt. "Abraham glaubte dem Herrn,
und
das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit" (1. Mose 15,6).
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Kein Geringerer als der einstige Jude Paulus nimmt diese
alttestamentliche Sicht Abrahams auf (Rö. 4,3) und folgert: "Dem aber,
der nicht mit Werken umgeht (wie uns Mohammeds Koran befiehlt), glaubt
aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein
Glaube
(Vertrauen, fiducia) gerechnet zur Gerechtigkeit" (Rö. 4,5). "Selig
ist (also) der Mann, welchem Gott die Sünden nicht zurechnet!" (Rö.
4,8) Ein für Mohammed unvorstellbarer Gedanke, dass Allah die Gottlosen
gerecht macht. Der Koran kennt nur die Vernichtung der Gottlosen, nicht
aber, dass Gott sich ihrer erbarmt und ihnen durch die Kraft seiner Vergebung
die Sünde nicht zurechnet und
so den Gottlosen vor dem ewigen
Gericht bewahrt. Es ist deshalb kein Zufall, dass im Koran nirgends Gott
als Vater angerufen wird. Ein "Vater unser" ist für den Islam undenkbar.
Ganz folgerichtig entwirft der Koran auch ein völlig anderes Bild
von Jesus von Nazareth. Auch hier lässt sich beobachten, dass Mohammed
offensichtlich auch von Christen einiges
"mündlich" über
Christus gehört hat. "Christus Jesus, der Sohn der Maria, ist
nur
der Gesandte Gottes und sein Wort, das er der Maria entboten hat und Geist
von ihm" (Sure 4, 171).
Das bezeichnende "nur" stellt Jesus dem Propheten gleich;
aber vehement wird bestritten, dass Jesus Christus der Sohn des Vaters
ist. "Gott ist nur ein einziger Gott. Gepriesen sei er! (Er ist darüber
erhaben) ein Kind zu haben. Ihm gehört (vielmehr alles), was im Himmel
und auf der Erde ist ... Christus wird es nicht verschmähen, ein (bloßer)
Diener Gottes zu sein" (Sure 4, 171f). Die Gottessohnschaft Jesu, die das
ganze Neue Testament bezeugt, kann Mohammed nur als Anleihen bei heidnischer
Vielgötterei begreifen. "Und als Gott sagte: Jesus, Sohn der Maria!
Hast du (etwa) zu den Leuten gesagt: "Nehmt euch außer Gott mich
und meine Mutter zu Göttern?" Er sagte: "Gepriesen seist du! (Wie
dürfte man dir andere Wesen als Götter beigesellen?" "Ich darf
nicht sagen, wozu ich kein Recht habe." (Sure 5, 116).
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Rationalem Denken ist es unfassbar, dass Gott nicht bei
sich selber bleibt, sondern aus sich heraustritt und sich im Logos, im
ewigen Wort manifestiert, ja dass dieses Wort Fleisch wird, sich hingibt
in Not, Sünde und Tod, um den Gott entfremdeten Menschen zu retten.
Auch Mohammed ist – wie alle natürlichen Menschen – diesem rationalen
bzw. rationalistischen Denken verfallen. Deshalb wirft er den Christen
vor, dass sie mit ihrer "Dreifaltigkeit" Gott andere Wesen "beigesellen",
wie es die koranische Redeweise ausdrückt. Mohammed ordnet die Dreifaltigkeit
Gottes heidnisch-vorchristlicher Vielgötterei zu. Offensichtlich hat
man ihn im Hörensagen falsch unterrichtet, wenn er Gott, Christus
und Maria als Ausdruck der christlichen Dreifaltigkeit darstellt (vgl.
Sure 5, 116). Er verwechselt sie mit heidnischen Götterdreiheiten,
zu denen regelmäßig auch eine Muttergottheit gezählt wird.
Die Dreifaltigkeit Gottes besagt gerade das Gegenteil. Der in sich dreifaltige
Gott ist nur der Eine, der sich aber in seiner Dreieinigkeit selbst als
der Lebendige erweist! Eine numerische Eins wäre in seiner zahlenmäßigen
Richtigkeit gerade in sich starr und damit zugleich auch tot. Ein solcher
Gott als numerische Eins muss folgerichtig auch in Vorschriften, Gesetzen
und Gebräuchen erfasst werden. Die Zahl Eins wiederholt sich für
alle Zeiten immer wieder als die eine Eins, und das Leben wird in vielfachen
Gesetzen der Eins unterworfen. Es ist also nur folgerichtig, dass der Islam
wesenhaft eine Gesetzesreligion ist und der Koran – obwohl er Reste biblischer
Geschichte enthält – vor allem ein Gesetzbuch ist. Die christliche
Freiheit vom Gesetz ist dem Koran und ist dem Islam unbekannt. Mohammed
hat – trotz aller Berührung mit christlichen Kreisen – nie verstanden,
dass Jesus Christus des Gesetzes Ende ist (Rö. 10,4), gerade weil
er der Sohn des Vaters ist. Mohammed hat sich wiederum in das knechtische
Joch gefangen nehmen lassen (Gal. 5,1). Auch die von den Juden überkommene
Beschneidung ist Teil dieser Gesetzlichkeit.
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Darüber hinaus ist Mohammed vor allem der "falsch
berühmten Kunst" (1. Tim. 6,20) erlegen, die kirchengeschichtlich
unter dem Namen der "Gnosis" von sich reden machte. Deutliche Einflüsse
gnostischen Denkens finden sich gerade auch im Koran. So übernimmt
Mohammed eine Erzählung aus dem ..... Thomas-Evangelium, dass Jesus
aus Lehm etwas geschaffen habe, "was so aussieht wie Vögel, in die
er hineinblase und "mit Gottes Erlaubnis" wirkliche Vögel wurden.
"Mit Gottes Erlaubnis" heilte er Blinde und Aussätzige und machte
Tote wieder lebendig (Sure 3,49). Doch das alles sind nur Zeichen, die
Jesus nicht als Sohn Gottes erweisen, sondern ihn nur als großen
Propheten beweisen.
Vor allem aber ist die Kreuzigung Jesu für Mohammed
und den Koran – ebenso wie für Juden und Griechen (d.h. Heiden) –
ein skandalon und moria, Ärgernis (Skandal) und Torheit (1. Kor. 1,23).
Wiederum folgt der Koran einer gnostischen Sicht: "Sie
haben ihn nicht getötet und (auch) nicht gekreuzigt. Vielmehr erschien
ihnen (ein anderer) ähnlich ... Und diejenigen, die über ihm
uneins sind, sind im Zweifel über ihn (oder darüber) gehen vielmehr
Vermutungen nach. Und sie haben ihn nicht mit Gewissheit getötet ...
Nein! Gott hat ihn zu sich (in den Himmel) erhoben (Sure 4, 157f.).
Diese angebliche Ungewissheit und die Behauptung, ein
anderer sei für Jesus gekreuzigt worden, entspricht genau jener gnostischen
Sicht, die entweder Christus einen Scheinleib andichtet, eine Kreuzigung
also nur als Täuschung geschieht, oder man unterscheidet einen irdischen
Leib von dem ihm innewohnenden Geistleib, der im Augenblick des Todes in
die himmlischen Regionen aufsteigt, vom Tod also unberührt bleibt.
Ähnliche Phantasien begegnen auch heute noch etwa in gewissen anthroposophischen
Entwürfen. Die Tendenz zielt auf eine Entwertung der Kreuzigung, wie
hier auch im Koran. Das Kreuz wird überflüssig. Ein Opfertod
für den sündigen Menschen ist nicht nötig, da es um "Gnosis",
um jene falschberühmte Kunst oder Erkenntnis geht, dass das eigentliche
Sein des Menschen ewigen Ursprungs ist. Es gilt nur, zu erkennen, dass
wir im Kern ein "Geistleib" sind. Erkenne, wer du eigentlich bist und alles
Irdische fällt als unwesentlich von dir ab. Die Erlösung bedarf
keines Opfers. Sie besteht in Selbstfindung.
Den Versuchen menschlicher Selbstfindung, d.h. Selbsterlösung,
entspricht immer auch die Gesetzlichkeit. In der Befolgung von Gesetzen
versucht man sich selbst zu finden. Die Gesetzesbefolgung macht selbstsicher
und lässt den sich selbst finden wollenden Menschen sich über
andere erheben. Man wirft sich zum Richter über andere auf und fühlt
sich dazu berufen, auch das Urteil zu vollstrecken.
Von diesem Selbstfindungsprozess der "Wissenden", des
Gnostikers und jedwedem Gesetzesgerechten her wird verständlich, warum
der Koran den wissenden Muslimen befiehlt: "Nehmt euch nicht die Ungläubigen
anstatt der Gläubigen zu Freunden!" (Sure 4, 144).
Sie könnten ja zum Abfall vom Islam verleiten. Doch
"der Versuch (Gläubige vom Abfall vom Islam) zu verführen, wiegt
schwerer als Töten" (Sure 2, 217). Folglich ist der Krieg gegen die
Ungläubigen geboten. Eine Aufforderung, die im Koran immer wiederkehrt.
Es sei hier nur als charakteristische Stelle Sure 2, 191 zitiert: "Und
tötet sie (d.h. die heidnischen Gegner), wo (immer) ihr sie zu fassen
bekommt ... und kämpft gegen sie, bis niemand (mehr) versucht, (Gläubige
zum Abfall vom Islam) zu verführen, und bis nur noch Gott verehrt
wird" (Sure 2, 193). Eindeutig wird hier eine politisch-religiöse
Theokratie (Gottesherrschaft) proklamiert, der alle Welt sich zu unterwerfen
hat.
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Hier wird deutlich, welch ein fundamentaler Unterschied
zwischen Judentum und Christentum einerseits und dem Islam andererseits
besteht.
Das Alte Testament kennt zwar die Völkerwallfahrt
zum Zion, dass am Ende aller Tage die Schwerter zu Pflugscharen werden,
aber das geschieht nicht durch Krieg und Unterwerfung (z.B. Jes. 2,1-4;
Jes. 4, 1-6; Jes. 9, 1-6; Jes. 11, 1-9), sondern allein durch Gottes Kraft,
Geist und Wort. Völlig undenkbar ist es, dass man um Christi willen
das Schwert zieht (vgl. Jesu Wort an Petrus: "Stecke dein Schwert an seinen
Ort ...", Matth. 26,52)! Im Gegenteil! Den Jüngern wird Feindschaft
und Verfolgung verheißen! "Und ihr werdet gehasst sein von Jedermann
um meines Namens willen" (Mk. 13, 13). Doch nirgendwo wird deshalb – wie
im Koran – zum Glaubenskrieg aufgerufen, sondern "Ich aber sage euch" –
so Christus in der Bergpredigt – "Liebet eure Feinde; segnet, die euch
fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch
beleidigen und verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel
..." (Matth. 5, 44f.)
Der ungeheure Abstand zwischen Mohammed und Christus wird
nirgends so deutlich wie hier. Während der moslemische "Prophet" in
blutigen Schlachten die dortigen jüdischen Stämme vernichtend
schlug und schließlich Mekka eroberte, lässt sich Christus widerstandslos
gefangen nehmen. Selbst am Kreuz noch bittet er sterbend für seine
Feinde: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" (Luk.
23, 34)
Nicht immer freilich hat die Christenheit diese Haltung
Jesu im Verlaufe der Geschichte durchgehalten, sondern Kreuzzüge geführt,
die bis heute von den Muslimen den Christen anklagend vorgehalten werden.
Verdrängt wird dabei, dass moslemische Heere den vorderen Orient,
ganz Nordafrika und Spanien erobert hatten, bis sie 1529 – also zur Lutherzeit
– in Ungarn standen. Jene Kreuzzüge sollten zwar das "heilige Grab"
in Jerusalem befreien - waren also religiös motiviert - , sie waren
zugleich aber auch Abwehrreaktionen europäischer Nationen. Es war
freilich ein fataler Irrtum, dies als "Kreuzzüge" zur Verteidigung
des Christentums zu verstehen, ein Irrtum, der einerseits der moslemischen
Idee des Djihad, des heiligen Krieges entlehnt wurde, andererseits aus
dem mittelalterlichern Verdienstgedanken geboren wurde, man könne
sich kämpfend das ewige Heil verdienen. Jene neutestamentliche Fundamentalunterscheidung,
dass vor Gott kein Mensch durch des Gesetzes Werke gerecht werden könne
– das Gesetz richtet nur und treibt zur Bußen -, sondern dass wir
durch den Glauben an Christus gerecht würden (Gal. 3, 24; Rö.
3, 24).
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VI.
Es war der vielgeschmähte und in der evangelischen
Christenheit oft vergessene und verleugnete Martin Luther, der die Christenheit
wieder von dem Kreuzzugswahn befreit hat. Das besagt nicht, dass der Staat
nicht die Pflicht habe, einem Angreifer und Eroberer zur Sicherung des
Friedens zu widerstehen. Aber Luther unterscheidet hier zwischen dem "Christianus"
und dem "Kaiser Carolus".
Das Amt des Christianus ist es nicht, mit dem Schwert
zu kriegen, sondern "das Amt des Evangeliums" ist es – "den Menschen von
den Sünden und von dem Tode zu erlösen, ja von dieser Welt zum
ewigen Leben zu helfen". Bischöfe und Pfarrer sollen ihres Amtes "mit
Beten, Fasten, Lesen, Predigen und armer Leute warten". Deshalb gebührt
es keinem Papst, "ein Kirchenheer oder Christenheer zu führen" (das
wäre gerade ein Rückfall in moslemische Gesetzlichkeit), "denn
die Kirche soll nicht streiten, noch mit dem Schwert fechten; sie hat andere
Feinde denn Fleisch und Blut, welche heißen die bösen Teufel
in der Luft" (Eph. 6,12).
Anders ist die Lage, wenn der Staat als Wahrer des Friedens
und des Rechtes seines Amtes walten muss, den Agressor einzudämmen
und der Gewalt entgegen zu steuern. "Wenn Kaiser Carl Panier oder eines
Fürsten zu Felde ist, da laufe ein jeglicher frisch und fröhlich
(d.h. bereit zum Dienst) unter sein Panier, da er unter geschworen ist
... ; ists aber ein Bischof – Cardinal – oder Papstes Panier, so lauf davon
und sprich: Ich kenne der Münze nicht ..."
Durch diese Unterscheidung von "Christianus" und "Kaiser
Carolus" ist eine folgenschwere Unterscheidung getroffen, die die Kreuzzüge,
Glaubenskriege oder Djihads diskreditieren und somit den Krieg "versachlichen",
ihn aller religiösen oder ideologischen Überhöhungen berauben.
Der Krieg bleibt ein schreckliches "Handwerk", ja mit seiner mörderischen
Seite gerade auch ein Gericht Gottes, das uns zu Glauben, Gebet und Buße
führen soll. Das verpflichtet gerade jede Regierung, Frieden zu wahren
und Ausgleich zu suchen. Niemals aber kann und darf der Streit ideologisch
oder religiös aufgeladen und gerechtfertigt werden.
Im Blick auf den gegenwärtigen arabisch-israelischen
Konflikt und im Blick auf moslemische Terroristen bedeutet das ein Mehrfaches:
- Es gilt Abschied zu nehmen von der Illusion der drei
abrahamitischen Religionen. Eine sorgfältige religionswissenschaftliche
und theologische Untersuchung macht deutlich, wie grundverschieden, ja
gegensätzlich diese drei Glaubensweisen sind, obwohl sie sich auf
Abraham berufen. Der "Stammvater" vereint nicht, sondern trennt geradezu.
Für die Christen und das alttestamentliche Israel ist er der Vater
des Glaubens, für Juden und Moslems ist er der Vater des Gesetzes.
Das Gesetz aber zerreißt, weil das Gesetz an entscheidenden Stellen
Gegensätzliches fordert (trotz Beschneidung oder Verbot von Schweinefleisch).
Hier gilt immer noch: "Die Gnosis bläht auf, aber die Liebe baut auf"
(Rö. 8,1). Doch die Liebe darf nicht parteiisch sein.
- Da die jüdische und die moslemische Religion – wie
anhand von Joh. 4 dargelegt – immer noch an heilige Orte gebunden ist und
noch nicht im Geist und in der Wahrheit anbeten, so ist der Christianus,
die Christenheit sowohl Juden als auch Moslems die Christusbotschaft schuldig,
so schwer das auch im Einzelnen sein mag, ja sogar Feindschaften wecken
kann. Israel-Mission darf nicht verboten sein. (Ob wir Deutsche dabei mitwirken
sollten, kann bezweifelt werden.)
- Wir dürfen nicht politisch Partei werden, weder pro-arabisch
oder gar antisemitisch. Es muss die politische Aufgabe sein, zu vermitteln
– so schwer das auch sein mag, vielleicht sogar vergeblich. Doch schon
ein Waffenstillstand – auch wenn er nur eine Zeit währen sollte –
ist schon ein Fortschritt.
- Freilich darf und kann nicht übersehen werden, dass
uns Christen die Judenheit wesentlich wesentlich näher steht als der
Islam. Uns verbindet mit Israel (als dem alttestamentlichen Gottesvolk)
das gesamte Alte Testament mit Gesetz (obwohl durch Christus überwunden)
und die prophetischen Verheißungen auf den kommenden Christus. Die
Juden sind – trotz ihres "Nein" zu Christus – dennoch unsere Vorväter
im Glauben, "aus denen Christus herkommt nach dem Fleisch, der da ist Gott
über alles, gelobt in Ewigkeit" (Rö. 9,5).
Ernst Volk,
Entworfen im Mai 2002
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