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Dein Heil kommt

Predigt über Jesaja 62, 6-7+10-12 am 1.11.2001 in der Ev. Christus-Kirche zu Brühl
Gottesdienst zur Tagung des Lutherischen Konventes im Rheinland

Pfarrer Thomas Berke, Mülheim/Mosel

Liebe Gemeinde,
vor 7 Wochen waren wir mit 50 Gemeindegliedern in Dresden. Dort beeindruckt nicht zuletzt der Wiederaufbau der Frauenkirche. Wie sah das dort noch vor ein paar Jahren aus! Es war dort lediglich ein Trümmerhaufen zu sehen, aus dem noch ein Fensterbogen wie ein Zeigefinger herausragte. Davor ein Lutherstandbild. Mir stand das Bild von früheren Besuchen in Dresden her wieder vor Augen. Die zerstörte Frauenkirche mit dem Lutherstandbild davor war in gewisser Weise eine evangelische Predigt von Gottes richtendem und rettendem Wort, von Gesetz und Evangelium, wie es Martin Luther als biblische Botschaft für uns neu entdeckt hat.

Der haushohe Trümmerhaufen der Frauenkirche zeigte unübersehbar, wohin es führt, wenn sich der Mensch von Gott abwendet. Er zeigte, dass Gottes Gericht unausweichlich ist, wenn seine Gebote nicht gehalten werden, dass Gott nicht mit sich spotten lässt, wenn Menschenleben mit Füßen getreten werden, gleich von wem das ausgeht.

Der standhafte Martin Luther mit der Bibel in der Hand ist ein Hinweiszeichen, dass Gottes Wort auch im Zusammenbruch Bestand hat.

Ja mehr noch: von dem auf die Bibel zeigenden Luther geht eine frohe Botschaft aus, die gerade vor dem abstoßenden Trümmerhaufen der Frauenkirche deutlich wird. Die frohe Botschaft „Siehe, Dein Heil kommt“. Gottes Weg mit Dir ist noch nicht zu Ende. „Dein Heil kommt“ – wir dürfen dies als persönlichen Zuspruch Gottes für seine Gemeinde und damit auch für unser Leben verstehen.

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Siehe, dein Heil kommt

„Siehe, Dein Heil kommt“ – diese Worte hat der Prophet Jesaja von Gott her dem Volk Israel ausgerichtet, als es aus der Verbannung in das zerstörte Jerusalem zurückkehrte: Da war nichts mehr, wie es war. Und Jesaja predigte:

Gottes Weg mit euch ist noch nicht zu Ende. „Siehe, Dein Heil kommt." Der Prophet Jesaja spricht von Wächtern, die Gott auf die Mauern Jerusalems gestellt hat. Diese Wächter haben nicht die Aufgabe, nach Feinden Ausschau zu halten. Wir haben es bei der Verlesung vielleicht bemerkt. Die Wächter, die Gott bestellt hat, haben die Aufgabe, dem Volk Gottes Gottes Frohe Botschaft auszurichten und nicht davon abzulassen. Die Wächter haben aber auch die Aufgabe, unablässig Gott zu erinnern an seine Verheißungen, bis er sie einlöst. Es erinnert an Kinder, die nicht locker lassen, bis der Vater sein Versprechen einlöst. Die Wächter sollen nicht locker lassen, bis Gott Jerusalem aufrichte zum Lobpreis auf Erden – so lautet Gottes eigener Auftrag.

Den Menschen Gottes Verheißungen verkündigen und sie daran erinnern - Gott selbst an seine Verheißungen erinnern und darauf behaften: in dieser Spannung geschieht Wiederaufbau, wie Gott es verheißen hat. Aber nicht Wiederaufbau von Steinbauten. Nein: Wiederaufbau des Volkes Gottes im geistlichen Sinn:

Eine Gemeinde, die von Gott nichts weiß, wird eine tote Gemeinde sein. Darum müssen Wächter da sein, die nicht aufhören, Gottes Verheißungen bekannt zu machen.

Eine Gemeinde, die zwar Gott kennt, aber von Gott nichts mehr erwartet, wird eine Gemeinde im Zustand der Zerstörung bleiben. Darum müssen Wächter da sein, die das Gebet und den Lobpreis wach halten, dass Gott unermüdlich auf die Einlösung seiner Verheißungen angesprochen wird.

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Der Dienst der Wächter

Merken wir, wie wichtig der Dienst der Wächter ist? Es ist ein von Gott eingesetzter Dienst. Er darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Martin Luther sagt zur Stelle, dass mit den Wächtern die Bischöfe und Seelenhirten gemeint sind. Es sind also wir Pfarrer gemeint als Diener am Wort, die die Gemeinde leiten, oder in der Kirchenleitung dienen. Hier wird uns Pfarrern und der Leitung der Kirche eine Predigt gehalten. Eine Predigt über die Unverzichtbarkeit des Wächterdienstes, des Dienstes am Wort.

Und da sollten wir hellhörig werden, wenn in der Reform der Kirchenordnung der Dienst am Wort eingeebnet werden soll im Verhältnis zu anderen Diensten der Kirche. Wir sollten hellhörig werden, wenn der Gottesdienst der Gemeinde abgewertet wird in unserer Kirche zugunsten anderer Aktivitäten.

Wir sollten hellhörig werden, wenn es in der Kirchenordnung heißt, dass die Gemeinde das Abendmahl feiert. Dies zeigt, dass wir auch heute wachsame Menschen brauchen, die nicht aufhören zu bezeugen, dass unser Herr Jesus Christus Zentrum der Gemeinde ist, und dass er unser Herr und Heiland ist, von dem wir Vergebung und ewiges Leben empfangen, dass wir vor ihm mit leeren Händen dastehen, dass sein Wort uns jedoch auferbaut und geistlich wachsen lässt, so dass wir gute Früchte bringen, die unserem Nächsten und dem Wohl der Welt dienen.

Wir sollten überhaupt bei allen Aktivitäten der Kirche wachsam bleiben, ob da Dienst am Wort geschieht. Oder ob es bei Äußerlichkeiten und Vorletztem stehen bleibt.

„Siehe, dein Heil kommt!“ lässt Jesaja ausrichten angesichts der zerstörten Stadt Jerusalem.

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Das Evangelium gilt

Gottes frohe Botschaft in einer Welt der Zerstörung und des Todes, in einer Welt der Schuld, in einer Welt, in der Gottes gutes Wort oft mit Füßen getreten wird. Die Trümmerhaufen von damals und heute – ganz gleich ob in Jerusalem damals oder in Dresden vor 55 Jahren, oder die neuen Trümmerhaufen heute in New York, in Afghanistan und an den vielen Schauplätzen von Krieg und Terror in der Welt – alle diese Trümmerhaufen sind sichtbarer Ausdruck dafür, wie wir vor Gott dastehen, wie groß der Abstand zwischen Gott und Mensch ist, wie tief der Graben ist. Sie sind Hinweis darauf, dass nichts von unserem Leben Bestand hat. Auch die beeindruckensten Meisterleistungen der Menschheit können uns nicht bewahren. Die Trümmerhaufen von damals und heute als Zeichen für Gottes unausweichliches Gericht.

Und dennoch sind wir nicht verloren. Dennoch sind wir nicht am Ende. Denn Gottes frohe Botschaft, die er durch Jesaja vor 2500 Jahren ausrichten ließ, sie gilt auch uns: „Siehe, Dein Heil kommt“.

Das Evangelium gilt auch uns, ganz gleich, wo wir stehen: ob jung oder alt, ob unbeschwert oder leidgeplagt. Überall, wo etwas kaputt geht, erkennen wir etwas von der Verlorenheit von uns Menschen. Ob durch eine Krankheit oder den schmerzlichen Verlust eines Menschen, ob in Beziehungen, die kaputt gehen, oder, wenn etwas kaputt gemacht wird durch Verbrechen: Dies alles deckt die Wahrheit über unser Menschsein auf: So ist der Mensch. So stehst du da! Da führt das hin, dass du ohne Gott und sein Wort lebst!

Und dennoch ist Gott noch nicht mit uns am Ende. Er spricht auch heute zu uns: „Dein Heil kommt.“ Das Samenkorn des Lebens wird sozusagen in die Trümmer der Welt und in das Kaputtgegangene unseres Lebens hineingelegt.

Durch Gottes Wort. Durch das Evangelium. Durch Jesus Christus, dessen Leben unschuldig am Kreuz zerstört wurde, der unschuldig am Kreuz gestorben ist, damit wir leben können. „Dein Heil kommt.“ „Was er gewann, ist bei ihm.“ „Was er sich erwarb, geht vor ihm her.“

„Jesus Christus hat mich erworben und gewonnen von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels, nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinen heiligen, teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben; damit ich sein eigen sei.“ (Luther im Kl. Katechismus zum 2. Artikel)

Wir wissen seit 2000 Jahren, dass dies wahr ist. Wir haben die Gewissheit durch Jesus Christus.

Gottes Gerichte sind unausweichlich. Aber in Jesus Christus gibt uns Gott nicht verloren. In Jesus Christus macht er alles neu. In Jesus Christus erfahren wir Gottes Reich. „Dein Heil kommt“. Du wirst nicht von Gott verlassen sein. Du wirst nicht verloren gehen. Gott wird alles Zerstörte heil machen, und was daniederliegt wieder aufrichten.

Dies ist die Verheißung des Evangeliums. Sie ruft uns zum Glauben.

Können wir das erfahren, dass Gott seine Verheißungen wahr macht?

Vollständig erfahren wir es erst am Ende. An bestimmten Stellen können wir dies auch zeichenhaft erfahren in unserer Welt. Der Wiederaufbau der Frauenkirche mag ein solches Zeichen sein, der Fall der Mauer gleichfalls. Diese Gnadenzeichen, über die wir uns freuen können, sind jedoch immer nur etwas Vorläufiges. Ihr Sinn besteht darin, uns zum Glauben zu rufen - durch die sichtbare Erfahrung von Gottes reicher und grundloser Gnade.

Wenn wir heute vor der 40 Meter hoch eingerüsteten Frauenkirche in Dresden stehen und lediglich moderne Ingenieurleistung bewundern, dann haben wir das Wesentliche nicht begriffen, was Gott uns zuruft, indem Er dies möglich macht.

Alle diese Zeichen sind Rufe zum Glauben. Und Glaube lebt von der Gewissheit, dass Gott es um Jesu Christi willen gut machen wird. „Dein Heil kommt“. Das ist die Hoffnung , mehr noch: Gewissheit, die unser Leben verändert. Wir spüren die Dynamik, die von der Gewissheit des Glaubens ausgeht.

„Dein Heil kommt“. Er wird Jerusalem wieder aufrichten zum Lobpreis auf Erden. Ohne diese Gewissheit, die wir in Jesus Christus haben, auf die wir Gott „festnageln“ können, auf die wir uns vor ihm berufen können, ohne diese Gewissheit hätten wir keinen Halt. Wo kein Halt ist, da gewinnt das Zerstörerische die Oberhand.

„Dein Heil kommt“. „Was er gewann, ist bei ihm.“ Wir haben die Gewissheit durch Jesus Christus. Er gibt uns Halt. Er befreit uns zu einem Leben mit Gottes Wort. Wer ihn hat, der hat das Leben, das bleibt. Dafür wollen wir nicht aufhören, ihm mit unserem Beten und Singen zu danken. Amen.

Wir beten:

Herr, in dem, was kaputt geht in unserem Leben und in der Welt, erkennen wir dein Gericht. In dem was wiederaufgerichtet wird, erkennen wir deine grundlose Gnade. Lass uns an diesen Zeichen in der Welt nicht achtlos vorübergehen. Gib, dass wir rechtzeitig zum Glauben kommen. Denn dein Heil kommt mit Jesus Christus in unser Leben. Und er gibt uns Halt in deinem Wort. Dafür wollen wir dir danken. Amen.


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